Im November trafen sich 250 junge Medienschaffende zu den Jugendmedientagen 2017 in München. Dieses Jahr war das Motto „Behind the scenes“. Für junge Medienmachende ein spannender Kongress! Und: Ein Vorbild in Sachen Inklusion.
Das Internet bietet eine schnelle Kommunikation, den Einblick auf die gesamte Welt durch Social Media oder neue Berufswege wie digitale Nomaden. Aber es birgt auch seine Risiken. YouTube-Stars beeinflussen ganze Generationen von jungen Menschen und verführen sie zum Kauf teurer Produkte. Sind Shares und möglichst viele Followers auf Facebook, Instagram & Co. die Komplimente von morgen oder gar schon heute? Wie wichtig ist meine mediale Inszenierung und wie viel gebe ich von mir preis?
All diese Fragen kamen bei den Jugendmedientagen ausführlich zur Sprache. Gleichzeitig gab es ein vielfältiges Angebot für jungen Menschen, um ihre journalistischen Fähigkeiten auszubauen und sich über die Berufswelt im Journalismus zu informieren. Besonders gelungen fand ich dabei die Führungen durch Medienhäuser wie durch die Süddeutsche Zeitung, ProSieben oder die Nachrichtenagentur dpa. Dazu gab es von Fotografie über Filmen bis zum Schreiben einer Sonderausgabe der Campus Zeit oder Neon zahlreiche Möglichkeiten, neue Arbeitsweisen kennenzulernen.
Wie der Facebook-Algorithmus unser Leben bestimmt
Mit der Wirkung von Social Media und auch Internet-Trollen beschäftigt sich Markus Brandl täglich. Er arbeitet als Social Media Manager bei der Bayern AG und verriet den Teilnehmenden in einem Workshop, wie Social Media wirklich funktioniert.
Jedes Netzwerk nutzt irgendwann einmal den Facebook-Algorithmus, die „Mutter“ aller Algorithmen. Verschiedene Faktoren entscheiden, welche Posts auf Facebook angezeigt werden oder nicht. Jede Interaktion, wie beispielsweise gemeinsame Freunde, die Reichweite, Klicks auf Profile, Shares und Likes zwischen Usern, registriert Facebook. Daraus erstellt Facebook eine Rangliste, aus der sich der gegenseitige Kontakt zwischen zwei Usern herauslesen lässt. Die Rangliste ist eure Freundesliste auf Facebook, die euch am Computer angezeigt wird. Am Handy funktioniert dies nicht.
Bahnt sich eine Beziehung an und beide nutzen rege Facebook, lässt sich durch die Freundesliste auch herauslesen, wann eine Beziehung zustande kommen könnte. Wenn beide User auf der Freundesliste des jeweils anderen auf Rang eins landen, dann haben sie den intensivsten Kontakt zueinander in ihrem Netzwerk in Facebook. Dies kann eine Prognose für eine Beziehungsanbahnung sein, dabei beide den intensivsten Kontakt zueinander in ihrem Netzwerk haben.
Durch jede Interaktion auf beispielsweise Facebook geben User auch Informationen an ihr Netzwerk weiter. Ein Like auf einem Beitrag wird beispielsweise fünf Prozent der engsten Freunde auf Facebook angezeigt. Bei Kommentaren zehn Prozent der engsten Facebook-Freunde. Und bei Shares liegt die Reichweite sogar bei 20 Prozent der engsten Facebook-Freunde. Somit verbreiten sich auch Posts von Seiten weiter, die man selbst gar nicht geliket hat.
Im eigenen Netzwerk verbreiten sich überwiegend Informationen der gleichen Einstellung weiter, da Posts die eigene Filterblase erst gar nicht verlassen. Erst wenn ein Beitrag viral geht, verlässt dieser die Filterblase, wird kontrovers diskutiert und somit gesellschaftsrelevant.
Über Selbstinszenierung und Hate Speech im Netz im Gespräch
Wie will ich von anderen im Netz gesehen werden? Selbstinszenierung und Hate Speech und insbesondere der Umgang damit – beide Phänomene wurden in Podiumsdiskussionen während der Jugendmedientage diskutiert.
TomTastisch stellt in seinem YouTube-Kanal jeden Morgen um sechs Uhr positive Nachrichten zur Verfügung. Es störte ihn beim Aufstehen, auf YouTube immer nur genervte und negative Nachrichten zu lesen. Er fragte sich, wo die positiven Meldungen geblieben sind. Seiner Ansicht nach wird in der Zukunft die Online-Identität wichtiger sein als die echte, da die meisten Menschen sich heute schon vor dem persönlichen Kennenlernen oft erst einmal online kennenlernen. Wer sich nicht in die Online-Welt begibt, der wird ausgeschlossen. Gerade die Generation Z wird ohne Online-Identität nicht mehr auskommen.
Laut Florian Prokop, Schauspieler und Online-Reporter, hat jeder Mensch eine Maske online auf. Dies wäre auch nicht schlimm, solange man sich nicht komplett hinter dieser versteckt.
Veronika Christine Dräxler und Oguz Yilmaz dagegen haben sich aus der Online-Welt mehr zurückgezogen. Veronika Christine Drechsler beendete dieses Jahr ihren Blog über Selbstinszenierung. Sie nannte Likes oder Follower die neuen Statussymbole. Oguz Yilmaz wechselte nach fast zehn Jahren YouTube-Erfahrung hinter die Kamera und hat eine Agentur gegründet. Am Ende wäre es auch zu viel mit den YouTube-Videos geworden, die Freizeit blieb völlig auf der Strecke.
Ganz andere Erfahrungen in der Social-Media-Welt sammeln Nhi Le (Bloggerin, Slam Poetin und Feministin) und Tarik Tesfu (Moderator, YouTuber, Netz-Aktivist) bei ihrer Arbeit.
Regelmäßig wird Tarik Tesfu auf YouTube von Hatern beleidigt, bedroht, er bekam schon Morddrohungen geschickt. Dies hat nichts mit einer Wertung seiner Person zu tun, sondern einer Gruppenzuschreibung.
„Es ist egal, was ich sage und wie ich es sage. Wenn nur mein Gesicht zu sehen ist, dann kommen die Kommentare“, sagt Tarik Tesfu. Er übt starke Kritik an der Gesellschaft bei Themen wie Rassismus und Homophobie. Von diesen Themen ist er selbst betroffen. Für seine Videos arbeitet er mit funk und Stiftungen zusammen.
Nhi Le beschreibt, dass ihr Menschen Erfahrung in den Bereichen Feminismus und Anti-Rassismus absprechen. Auf Hater trifft sie vor allem auf Twitter und YouTube. Immer wieder bekommt sie seitenlange Mails, wie schlecht andere ihre Arbeit finden.
Tarik Tesfu bekam für viele YouTube-Videos mehr Dislikes als Likes. Am Anfang hat ihn das schon getroffen, er war mega verwirrt. Es ist verletzend, wenn das „N-Wort“ ihm schon nach dem Aufstehen 50 Mal im Netz entgegenschlägt. Anzeige erstattete er noch nie. Er versucht vor allem, die Kommentare zu ignorieren und hofft auf seine Fans.
Auch Nhi Le treffen die Kommentare. Sie bittet Freunde, Twitter-Kommentare für sie erst einmal gegenzulesen und die schlimmsten zu melden. Auch sie hat noch nie eine Anzeige erstattet.
Habt Mut und traut euch!
Viel Mut brauchen auch angehende Journalisten in den Berufseinstieg. Die Journalistin Tina Groll, Zeit Online, gab zahlreiche Tipps aus der Journalistenszene und Informationen über die Entwicklung der Journalismus in der Zukunft.
Am besten startet man im Lokaljournalismus. Die Zukunftsangst beim Einstieg in den Journalismus ist groß, aber unbegründet. Es entstehen viele neue Berufsbilder. Insbesondere der Datenjournalismus bietet viele Stellen, die sehr gut bezahlt werden. Datenjournalisten werten Datenmengen aus, wie beispielsweise bei den Recherchen zu den Paradise Papers.
Die Wege in den Journalismus sind zahlreich. Ein Studium ist für den Einstieg nicht zwingend notwendig. Jeder hat seinen eigenen Weg. Dazu müssen einige Durststrecken überwunden werden, oftmals wird man scheitern. Die meisten werden als Freelancer arbeiten, auch wenn sie eine feste Stelle haben. Besonders wichtig ist dabei unternehmerisches Denken. Auch Blogs stellen eine gute Möglichkeit zur beruflichen Tätigkeit als Journalist dar. Ohne Aufträge in Public Relations oder Corporate Publishing wird das Überleben als freier Journalist allerdings sehr schwierig werden.
Fazit zu den Jugendmedientagen
Ein rundum gelungenes Event für junge Menschen, die an der Medienwelt interessiert sind. Die Jugendmedientage bieten dabei sowohl für Schüler, als auch für junge Menschen, die bereits in den Medien sind, ein wertvolles Angebot, um sich weiterzubilden und auszutauschen.
Auch junge Menschen, die nicht in der Medienwelt später arbeiten wollen, finden auf den Jugendmedientagen ein breites Angebot. Zahlreiche Workshops griffen gesellschaftliche und politische Debatten auf. Zusätzlich gaben zwei Stadtführungen am Sonntagnachmittag die Möglichkeit, die Medienstadt München von einem weiteren Blickwinkel zu betrachten.
Einzigartig für Jugendveranstaltungen war der Umgang mit meiner Gehbehinderung auf den Jugendmedientagen. Sowohl das Hostel als auch alle Veranstaltungsorte waren komplett barrierefrei zugänglich. Die Veranstalter stellten mir einen Autoshuttle zur Verfügung, der mich zum Veranstaltungsort brachte. Völlig selbstbestimmt konnte ich jederzeit entscheiden, ob ich lieber mit den anderen Teilnehmern die U-Bahn nutzen wollte. Für mich als Teilnehmerin entstand keinerlei Organisationsaufwand im Vorfeld. So stelle ich mir eine inklusive Veranstaltung vor.
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