Keine zwei Monate ist es her, da wurde in Rom noch lang und breit über „Die Jugend, den Glauben und die Berufungsunterscheidung“ diskutiert. Kaum gesprochen wird dagegen über das Zeugnis der vielen nahezu unbekannten Jugendlichen, die vor nicht allzu langer Zeit im Kampf für ihren Glauben ihr Leben ließen. Lest hier die Geschichte eines mutigen Journalisten, der zur Zeit des Nationalsozialismus für seine Ideale eintrat und dafür sogar den Tod in Kauf nahm.
Namen wie Edith Stein, Karl Leisner oder Maximilian Kolbe dürften dem kollektiven Gedächtnis in Deutschland und darüber hinaus ein Begriff sein. Alle drei wurden ob ihrer außergewöhnlichen Lebensläufe von der katholischen Kirche als MärtyerInnen anerkannt, alle drei haben feste Gedenktage im kirchlichen Kalender. Weniger bewusst ist dagegen die Tatsache, dass im Verlauf des 20. Jahrhunderts auch unzählige Jugendliche das Einstehen für den eigenen Glauben und den Kampf gegen die verschiedenen Ideologien und Irrtümer ihrer Zeit mit dem Leben bezahlten. Und das nicht nur unter dem nationalsozialistischen Regime, sondern auch im radikalen Kommunismus, etwa in Polen, in den Missionsgebieten oder als sogenannte „Reinheitsmärtyrer“.
Der Erinnerung an ihr Lebenszeugnis hat sich Prälat Prof. Dr. Helmut Moll angenommen: Der Priester, Historiker und Beauftragte für Seligsprechungen des Erzbistums Köln hat zusammen mit einem Gremium aus Theologen und Fachleuten unter dem Titel „Zeugen für Christus“ die Lebensläufe von 1.000 katholischen Märtyrern und Märtyrerinnen zusammengetragen.
Gegen das Vergessen
Die Namen lesen sich wie ein Telefonbuch: Kaiser, Kramer und Schmitt, dann plötzlich: Probst, Christoph, Student der Medizin, 6. November 1919 bis 22. Februar 1943, Mitglied der „Weißen Rose“. Spätestens jetzt wird deutlich: Märtyrer gab es im 20 Jahrhundert viele, die meisten von ihnen sind jung gestorben – und auch die „Stars“ unter ihnen, diejenigen, die durch einen Selig- oder sogar Heiligsprechungsprozess internationale Bekanntheit und weltweite Verehrung erfahren, unterscheiden sich letztlich nur nuancenhalber von den Namen, die auch heute in einem beliebigen Telefonbuch stehen könnten.
Unter letzteren befindet sich auch der aus Paderborn stammende Johann Geuecke, der nur 55 Jahre alt wurde. Die Gründe dafür beschreibt Moll in einer anrührenden und zuweilen erschreckenden Kurzbiografie, die Zeugnis ablegt für einen unerschrockenen Glauben mitten in einer Zeit, in der die Welt zutiefst aus den Fugen geraten war.
Der Fall des Johann Geuecke: Mit Worten für die Wahrheit
Johann Franz Geuecke wurde am 15.12.1887 in dem wenige hundert Einwohner zählenden Dorf Bracht in einem katholischen Elternhaus geboren. Die Eltern waren der Landwirt Wilhelm Geuecke und seine Ehefrau Bertha. Die Taufe wurde am 17.12.1887 in der nahe gelegenen Pfarrei St. Peter und Paul zu Wormbach gespendet. Johann war das sechste Kind der Familie. Den Kirchenbüchern zufolge empfing er am 30.4.1899 in der Wormbacher Pfarrkirche die Erstkommunion. Nach Absolvierung der Volksschule besuchte er das Essener Städtische Gymnasium und erwarb dort im Jahre 1908 das Abitur. Danach nahm er das Studium der Nationalökonomie und Jurisprudenz auf. Ein Semester studierte er in Freiburg im Breisgau, es folgte wiederum ein Semester in Leipzig und weitere fünf Semester im niederschlesischen Breslau. Dort schloss er sein Studium mit der Dissertation „Die Bergarbeiterstreiks im Ruhrkohlenrevier” ab. Seine Arbeit war eine der ersten wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit dem Beginn der Arbeiterbewegung. Das Rigorosum fand am 28.01.1912 statt, die ersten 43 Seiten seiner Promotionsschrift wurden in der Schlesischen Volkszeitung abgedruckt.
In den Jahren von 1908 bis 1913 war Geuecke als Redakteur bei der Schlesischen Volkszeitung in Breslau tätig. Sie war das Hauptorgan der Zentrumspartei und der Katholiken im Osten Deutschlands. Am 01.10.1913 wurde ihm die Hauptschriftleitung der Rheinischen Volkszeitung/Wiesbadener Volksblatt mit Sitz in Wiesbaden anvertraut, wo er den erkrankten Chefredakteur, den Priester Dr. Heinrich Lorenz, ablöste. Einer seiner ersten Leitartikel lautete: „Die Pflichten des katholischen Mannes“. Geuecke wehrte sich gegen die in liberalen Kreisen verbreitete Auffassung, dass der Niedergang des katholischen Glaubens absehbar sei. Die Herausforderung der Zeit sei es, sich sowohl in der weltlichen Öffentlichkeit als auch in der Kirche für das Anliegen des Christentums einzusetzen. Katholiken stünden zu Thron und Altar. Es sei wichtig, die katholischen Organisationen und deren Presse zu unterstützen.
Stationen eines bewegten Lebens
Am 29.8.1914 heiratete Geuecke in der Pfarrkirche St Bonifatius in Wiesbaden die aus Köln stammende Cäcilia Puller. Ihr Sohn Wilhelm-Franz-Josef wurde am 12.6.1915 geboren und am 27.6.1915 in der Pfarrkirche St. Dreifaltigkeit, die ebenfalls im Zentrum der Stadt liegt, in Wiesbaden getauft. Sein weiterer Sohn Wolfgang erblickte am 25.10.1918 das Licht der Welt und wurde am 10.11.1918 in der Bonifatiuskirche in Wiesbaden getauft. Als Chefredakteur baute Geuecke die Rheinische Volkszeitung zur führenden Tageszeitung Wiesbadens aus. Durch seine zahlreichen Artikel verstand er es, ihr ein unverwechselbares Profil zu geben, das eindeutig christlich ausgerichtet war. Prominente Politiker des Zentrums lieferten oft namentlich gezeichnete, aber auch anonym veröffentlichte Beiträge.
Das Ende: Über ungebrochenen Mut und einen ungleichen Kampf
In der kritischen Zeit der Weimarer Republik um das Jahr 1930, als der Zentrumspolitiker Dr. Heinrich Brüning Reichskanzler wurde, hatte Geuecke neben der Gesamtverantwortung für die Zeitung auch das Ressort Politik unmittelbar zu vertreten. Seine Haltung gegenüber dem entstehenden Nationalsozialismus war eindeutig. Er hatte das Wesen dieser Weltanschauung schon früh erkannt und kämpfte dagegen an. Sein kompromissloser Einsatz für die Durchsetzung der christlichen Grundsätze im öffentlichen Leben brachte ihm die Todfeindschaft seiner Gegner ein. Bereits im März 1933 wurde Geuecke erstmals verhaftet und in „Schutzhaft“ genommen, er erlitt dabei schwerste körperliche Misshandlungen. Im Folgejahr emigrierte er, kehrte allerdings 1935 nach Deutschland zurück und nahm seine Arbeit wieder auf. Es folgten weitere Verhöre, Verhaftungen und Freiheitsstrafen.
Im Mai 1942, kurz vor dem Beginn des Russlandfeldzugs, wurde Johann Geuecke zusammen mit mehreren Schriftleitern und Professoren in das KZ Buchenwald bei Weimar in Thüringen eingeliefert. Dort bildete die Schwerstarbeit unter unmenschlichen Bedingungen ein Mittel des Terrors. Von Buchenwald aus ging sein Leidensweg weiter in das niederschlesische KZ Groß-Rosen bei Kreisau. Aus diesem Lager kehrte Geuecke nicht mehr lebend zurück. Am 06.10.1942 starb der 54-jährige Redakteur, angeblich an „Kreislaufstörungen“. Die Urne des Verstorbenen wurde dem Sohn nach Wiesbaden übersandt und im Grab seiner Ehefrau auf dem dortigen Südfriedhof beigesetzt.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Urne auf den Ehrenfriedhof umgebettet. Als überzeugter Katholik hatte Geuecke sich politisch und schriftstellerisch und somit in aller Öffentlichkeit gegen die Ideologie der Nationalsozialisten gestellt. Aus diesen Gründen mussten er und seine Familie nicht geringe Torturen erleiden, dafür kam er in das Konzentrationslager, wo er seinen Leiden schließlich erlag.
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