Seit Jahren laufen Dienste wie YouTube oder Twitch dem herkömmlichen Fernsehen immer mehr den Rang ab. Und das nicht nur mit Videos on Demand, sondern mittlerweile auch immer öfter durch Live-Übertragungen. Welche Verantwortung die Produzenten dabei haben, wird oft unterschätzt.
Es war wohl einer der größten YouTube-Skandale der vergangenen Jahre. Logan Paul, seines Zeichens Social Media-, YouTube- und Influencer-Star, lud am 31. Dezember 2017 ein Video hoch, das weltweit für Aufsehen sorgte. Darin wanderte er mit einigen Freunden durch Aokigahara, einen berühmten sogenannten „Suizid-Wald“ in Yamanashi, Japan. Als Teil einer Challenge wollte die Gruppe 24 Stunden in diesem Wald verbringen. Dabei fanden sie eine Leiche von einem Baum hängend und hielten die Kamera drauf. Zwar wurde die Person in der Post-Production unkenntlich gemacht, ein klares Bild der Situation vermittelte der YouTuber damit trotzdem.
Das Video erreicht um die sechs Millionen Views, ehe Logan Paul es aufgrund von herber Kritik von vielen Seiten löschte und stattdessen eine Entschuldigung postete. Die Plattform selbst meldete sich zwar erst einige Tage später zu dem Vorfall, sanktionierte Logan Paul dann aber mit dem Ausschluss aus dem Anzeigenprogramm „Google Preferred“ und dem Rausschmiss beim Abo-Dienst „YouTube Red“. Sein YouTube-Account „Logan Paul Vlogs“ hat zum Zeitpunkt dieses Artikels 16,7 Millionen Abonnenten. Zum Vergleich: Die Digitalausgabe der New York Times erreichte im zweiten Quartal 2017 2,33 Millionen Menschen. Die Zahl zeigt: Die Reichweite ist groß, die Verantwortung dahinter noch größer. Doch dann müssen wir uns zwangsläufig die Frage stellen, besonders nach dem Logan-Paul-Skandal: Wem übergeben wir diese Verantwortung?
Meist sind YouTube-Stars wie Logan Paul junge Menschen. Er beispielsweise ist gerade einmal 22. Bianca Heinicke, besser bekannt als „BibisBeautyPalace“ und im Besitz von 4,8 Millionen Abonnenten ist 25 und Felix von der Laden, auch unter dem Alias „Dner“ bekannt und mit 3,2 Millionen Abonnenten ausgestattet, ist 23. Für die junge Zielgruppe sind sie also genau im richtigen Alter – „Einer von uns“. Diese Identifikation ist auf der einen Seite ein gefundenes Fressen für die Produzenten und die Netzwerke, sie birgt auf der anderen Seite aber auch die Gefahr der Verfälschung. Beispiel: Sollte einem deutschen YouTube-Star ein Skandal angehängt werden, den er aber dementiert – wem glauben seine Follower eher? Ihm oder den Medien, die ihm das alles anhängen?
Das Problem steht also fest: Große Follower-Zahlen bringen große Verantwortung. Leider zeigt ein Beispiel wie Logan Paul, dass junge Menschen nicht immer mit dieser Verantwortung umgehen können und vieles, wenn nicht alles, dafür tun, damit ihre Reichweite (und damit die Geld-Summe, die sie verdienen) noch größer wird. Zum Glück ist Logan Paul aber nur eines der wenigen Beispiele. Andersherum kann es genauso laufen:
Twitch-Streamer „Greekgodx“ überträgt fast täglich Sessions, in denen er Videospiele spielt und darüber erzählt. Über einen Chat ist die Community, die immerhin aus 315.000 Usern besteht, immer mit ihm verbunden. Während einer Session trifft er im Spiel einen großen Fan, der mit ihm im Audio-Chat redet. „Ich schaue deinen Stream gerade. Ich wollte nur, dass du weißt…“, doch dann bricht der Fan unter Tränen ab. Nach ein paar Sekunden fängt er sich wieder: „Ich schaue deinen Stream jeden Tag, einfach nur damit ich mich nicht einsam fühlen muss.“ Und genau das ist die andere Seite der Medaille in diesem schnelllebigen Business der Internet-Stars: „Dafür sind wir hier.“
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