Schon wieder ist es an der Zeit, gute Vorsätze zu fassen: Den Festtagsspeck loswerden, mit mehr Sport und bewusster Ernährung. Mehr mit Freunden und Familie unternehmen, wenn denn möglich. Denn im letzten Jahr wurde so viel verpasst. Doch sind all diese Vorsätze zur Selbstoptimierung immer nötig?
Selbstfürsorge ist ein Zeichen für den guten Umgang mit sich selbst, und zwar nicht nur für einen Moment, sondern über einen längeren Zeitraum hinweg. Dazu gehört auch die Überarbeitung der Elemente, die wir für unsere Selbstfürsorge nutzen. Wenn sich etwas im Leben ändert, passen wir uns an. Das ist ganz natürlich und sinnvoll. Der Jahreswechsel ist eine gute Möglichkeit, um die vielen Veränderungen der letzten Zeit zu reflektieren und auf die eigenen Bedürfnisse zu schauen. Denn häufig merken wir gar nicht, dass unser Körper und unsere Psyche eine Anpassung unseres Lebensstils benötigen und innerhalb eines Jahres ändert sich viel.
Ein praktisches Beispiel: Spazieren gehen, wurde während der Corona-Zeit zum „Volkssport“. Manch einer wird rechtzeitig gemerkt haben, dass die vermehrte Sonneneinstrahlung auf der Haut Folgen hat. Wer nun schnell zu einer passenden Sonnen- und Hautpflege griff, die den neuen Bedürfnissen des Gesichts und der Hände entsprach, konnte einen Sonnenbrand abwenden. Wer sich jedoch darauf verließ, dass der natürliche Sonnenschutz der Haut ausreiche, konnte böse überrascht werden. Kenntnis über den eigenen Körper und seine Bedürfnisse im Rahmen einer aufmerksamen Selbstfürsorge zahlt sich also aus.
Von der Selbstfürsorge zur Selbstoptimierung
Selfcare und die großartigen Auswirkungen auf das eigene Leben zu präsentieren, wird aber immer häufiger geradezu zur Pflicht. Besonders, wenn es nicht mehr um die Pflege eines Ist-Zustandes und die Steigerung des Wohlbefindens nur um des Wohlbehagens Willen geht. In einer von Leistung geprägten Gesellschaft gibt es immer ein „besser“ und folglich Druck, auch besser zu werden. Unzählige Optimierungsprogramme werden im Internet und besonders den sozialen Netzwerken angepriesen. So gibt es perfekte Make-Up-Routinen, Feel-Good-Programme und natürlich Sport-Rituale. Sich im eigenen Körper wohl zu fühlen und das auch auszustrahlen, diese Erwartungshaltung begegnet überall. Zu schnell kann das Bild entstehen, dass man nicht gut genug ist. Dann findet man immer neue Baustellen an sich selbst.
Denn es geht ja noch so viel mehr, was man sich und seinem Körper Gutes tun kann, um noch besser und schöner zu werden. Das kann triggern: Gerade wer mit psychischen Problemen in Bezug auf sein Selbstbild zu kämpfen hat, dem können die gutgemeinten Tipps von Influencern, Bekannten, Freunden und Familie schaden. Und für alle Menschen gilt: Das „Perfekte“ in Bezug auf eine Person kann gar nicht definiert werden.
Das soll auch nicht so sein. Denn als individuelle Geschöpfe, als Menschen, ist es nicht Teil unseres Wesens, auf ein Vorbild hin ausgerichtet zu sein. Wer trotzdem versucht, an sich selbst zu arbeiten, kann zwar erst vermeintliche Erfolge verzeichnen, denn man kann sich einem Ideal durchaus annähern. Doch als Mensch kann man sich nicht von sich selbst entfernen und wenn die Hoffnung zu einem perfekten Bild von sich selbst zu einem persönlichen Albtraum wird, dann hat man sich von der eigentlich angestrebten Selbstfürsorge weit entfernt. Dem Wunsch nach Selbstoptimierung muss also eine innere Grenze gesetzt werden.
Den „goldenen“ Mittelweg finden
Diese Grenze kann nur jeder für sich selbst bestimmen. Grundsätzlich ist das, was uns belastet, nicht gut. Wer motiviert und mit dem Ziel, in ein paar Monaten ein wenig definierter auszusehen beispielsweise mit dem Laufen beginnt und dabei ein neues Hobby entdeckt, tut etwas Gutes für sich und wird neben den gewünschten Effekten vielleicht auch noch weitere positive Auswirkungen an sich entdecken. Auch wer sich nur mühsam aufrafft, aber sich hinterher glücklich an seinem Erfolg erfreut, profitiert von der Motivation, zum Beispiel. durch einen inspirierenden Instagram-Channel. Jedoch ist es genauso in Ordnung, das Projekt abzubrechen.
Rechtfertigen muss man sich dafür nicht. Denn auch wenn es sich einfach nur falsch anfühlt, kann es sein, dass wir uns mit diesem Selfcare-Projekt überfordern. Das bedeutet nicht, dass man keine Ziele mehr haben sollte, aber die Wege dorthin sind so individuell wie wir Menschen. Dabei gilt: Das eigene Ich jeden Tag aufs Neue anzunehmen ist einer der längsten und manchmal auch schwersten Wege, aber es lohnt sich.
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