Mensch, sind die Araber gastfreundlich! Manchmal sogar etwas zu arg. Für meinen Geschmack. Fühle ich mich doch irgendwie unter Druck gesetzt, habe ich noch bei 15 unterschiedlichen Menschen Einladungen offenstehen oder bekomme ich immer das Gefühl, bei einem Besuch die Gastgeber zu früh zu verlassen. Was ich in der arabischen Welt über die dortige Gastfreundschaft gelernt habe.
„Komm mich unbedingt mal besuchen!“
„Nein, geh noch nicht! Es ist viel zu früh! Du kannst auch einfach hier übernachten!“
„Ich werde dir das beste Essen kochen!“
Aussagen wie diese oder so ähnlich höre ich immer wieder. Ich fühle mich geehrt. Doch je länger ich in der arabischen Welt lebe, merke ich: Nicht jede Einladung, die ausgesprochen wird, ist gleich eine Einladung und kein Gastgeber erwartet von mir, dass ich länger zu Besuch bleibe. So geht es in der Gastfreundschaft, ja sogar in aller zwischenmenschlichen Interaktionen eher darum, seinem Gegenüber Respekt zu erweisen und selber Ehre zu empfangen.
Wenn ich eine Bekannte auf der Straße treffe, die ich länger nicht gesehen habe, und wir uns gegenseitig versichern, dass wir uns unbedingt in der nächsten Zeit treffen werden, geht jeder seinen Weg, wissend, dass aus dem Treffen nichts wird. Aber man hat sich gegenseitig Ehre und Respekt gezeigt.
Wenn mich jemand zu sich nach Hause einlädt, aber nie nach meiner Nummer fragt und auch kein genaues Datum angibt, wann dieser „Besuch“ stattfinden soll, kann ich sicher sein, dass es keine ernstgemeinte Einladung ist. Aber man hat sich gegenseitig Ehre und Respekt gezeigt.
Wenn ich meine Nachbarin zufällig auf dem Flur treffe und sie mich zu sich nach Hause einlädt, obwohl ersichtlich ist, dass sie beschäftigt ist und gar nicht wirklich will, dass ich ihre Wohnung betrete, ist die Hauptsache, dass man hat sich gegenseitig Respekt und Ehre gezeigt hat.
Und doch, auch wenn nicht jede Einladung ernst gemeint ist, ist die arabische Gastfreundschaft doch real:
Ich sitze bei der Familie meiner Freundin auf dem Boden. Vor uns viele große Servierplatten und Schüsseln gefüllt mit Brot, Salat, Suppe, Reis, Hähnchen, Gemüse. Mit all dem Essen könnte man mindestens alle anwesenden Leute drei Tage lang durchfüttern. Immer wieder bekomme ich wieder etwas auf den Teller geschöpft, mein Glas wird laufend aufgefüllt. Als ich beteuere, dass ich wirklich satt sei, schaut mich die Mutter meiner Freundin bestürzt an. „Jetzt schon?! Du hast doch noch gar nichts gegessen!“ „Das stimmt doch gar nicht!“, gebe ich empört zurück. Nach drei Hähnchenschenkeln und zwei gehäuften Tellern voll Reis, dazu Suppe und Salat kann man doch nicht von Nichts reden. Irgendwann wird es mir zu bunt und ich lasse etwas Reste auf dem Teller liegen. Endlich wird mein Teller abgeräumt.
Ich muss jetzt gehen, stelle ich fest. Es ist schon viel zu spät. Morgen um 8 Uhr geht der Alltag weiter. „Nein, du kannst noch nicht gehen!“, sagt meine Freundin. „Es ist noch viel zu früh. Es gibt noch Tee, Nachtisch und wir bleiben den ganzen Abend zusammen sitzen.“ Ich beteuere ein paar Mal, dass es wirklich spät ist und ich darf mich nach einigen Tassen Tee, einem vollen Bauch und eindeutig zu viel Zucker im Blut endlich auf den Nachhauseweg machen.
Es war ein schöner Abend, fühle ich mich doch wirklich geehrt. Früher hätte ich vielleicht noch ein schlechtes Gewissen gehabt, dass ich Reste auf dem Teller gelassen habe und „zu früh“ gegangen bin, doch mittlerweile ist mir bewusst, dass dies der einzige Weg ist, der arabischen Gastfreundschaft zu begegnen.
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