Jeder von uns hat schon einmal emotionale Belastungen erlebt. In jedem unserer Lebensbereiche gibt es sie. Besonders prägend und schwierig sind emotionale und psychische Belastungen, die wir, einem Rucksack gleich, durchs Leben tragen. Auch wenn man nicht wegen jeder Kleinigkeit zum Psychologen gehen möchte, gibt es Möglichkeiten, selber unsere Belastungen zu therapieren.
Unser Gehirn ist eine faszinierende Maschine, die zu vielem fähig ist. Unseren gesamten Körper könnte man als Supermechanismus bezeichnen, denn er besitzt enorme Selbstheilungskräfte, auch wenn sie ein bisschen verzögerter sind, als in manchem Science Fiction Film. Wenn du schon einmal ein Trauma erlebt hast, kennst du bestimmt das Phänomen, dass du irgendwann denkst, es wäre gar nicht dir passiert oder du hast es fast gänzlich verdrängt, sodass es dir nicht mehr bewusst ist.
Warum wir verdrängen
Auch wenn es auf den ersten Blick sehr sinnvoll erscheint, dass unser Gehirn diese Störungen outsourced, damit wir, wie immer, weiter funktionieren und unser Überleben sichern können, kann es auf den zweiten Blick auch gesundheitsschädigend werden. Wir merken es oft daran, dass wir kaum allein sein können und oft Ablenkung brauchen, um bloß nicht auf diese Gedanken zurückzukommen, die uns in eine Abwärtsspirale bringen könnten. Wir wehren uns dagegen und das hat oft schwerwiegende Folgen. Deswegen verdrängen wir immer mehr und entwickeln mit der Zeit vielleicht sogar psychosomatische Beschwerden, die wir nicht direkt auf unsere Psyche zurückführen können.
Es ist jedoch wissenschaftlich erwiesen, dass unsere psychische Gesundheit durchaus starken Einfluss auf unser körperliches (Un-)Wohlbefinden hat und somit steht diese auch mehr im Mittelpunkt. Das stellt wiederum die Frage, wie wir es schaffen können, uns unseren Problemen und Belastungen zu stellen, ohne in einem emotionalen Sumpf zu landen, aus dem wir alleine nicht wieder rauskommen.
Schreiben, schreiben, schreiben!
Was vielen in der Vergangenheit und auch mir persönlich geholfen hat, ist schreiben. Ganz egal, ob Tagebuch oder Briefe, einfach ein Ventil finden, mit dem du persönlich am besten klarkommst. Seine Gedanken und Gefühle aufzuschreiben hilft uns, Klarheit zu gewinnen, unsere Gedanken zu sortieren und verleiht ihnen die Legitimität, die von anderen womöglich schon einmal verneint wurde. Dadurch, dass wir schreiben, haben wir eine Möglichkeit, unsere Gefühle auch mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Vielleicht erleichtern wir somit auch unserem Gehirn, das anzunehmen, was passiert ist. Vielleicht ist es aber auch so, dass wir objektiver sein können, wenn wir schreiben und damit den Blick zu uns selbst wenden.
Wir reflektieren, wenn wir schreiben, jedoch auf eine strukturierte Art und Weise. So können wir auch unseren Gedankengang nachverfolgen und abrufen. Manch einer kreiert dadurch sogar ganze Romane oder Gedichte, die er später als Andenken an diese Zeit bewahrt und vielleicht irgendwann sogar veröffentlicht.
Das Gespräch mit dem anderen
In der Psychologie nennt man es internalisiertes Gespräch (mit imaginären und signifikanten anderen). Was so kompliziert klingt, bedeutet nichts Anderes, als dass du dir ein Gespräch mit der Person vorstellst, von der deine Verletzung abhängt oder mit der du im Unreinen bist. Ich persönlich empfinde es als sehr wirkungsvoll, um so manche aufgestauten Emotionen zu bewältigen und mit einer Person und auch mit sich selbst wieder ins Reine zu kommen. Aus meiner Sicht ist es manchmal leichter, Emotionen zu vokalisieren, als sie aufzuschreiben. Denn unseren Gefühlen eine Stimme zu verleihen, gibt ihnen eine ganz andere, eigene Kraft. Es muss aber natürlich nicht bei dir so sein, probiere es einfach ganz individuell aus und entscheide dich flexibel für die Methode, die dir in deiner momentanen Situation am besten zusagt.
Viele unserer Verletzungen hängen eng mit anderen Menschen zusammen, denen wir Anteile von Schuld zugestehen, wenn nicht sogar den gesamten Anteil. Aber oft trauen wir uns nicht, darüber zu sprechen; die Gründe dafür sind so vielfältig, wie es die Menschen sind, die uns umgeben.
Stell dir nun vor, du sprichst mit der Person, die dich stark verletzt hast. Sag ihr alles, was du denkst, was du fühlst; warum du verletzt bist. Dabei musst du dich nicht unbedingt von deiner Logik leiten lassen, manchmal sind es auch Kleinigkeiten, die uns tief verletzen können und der Aussprache bedürfen. Allein durch das Praktizieren dieser Methode erlangen deine Gefühle eine Berechtigung und ein Dasein. Deine Gefühle und Reaktionen sind von dir abhängig und wenn sie da sind, kann niemand ihr Dasein verleugnen.
Oftmals ernten wir auf unsere Gefühle Verneinungen, dadurch, dass Worte und Taten der anderen nicht so gemeint gewesen wären, wie du sie verstanden hättest. Das ist zwar auch richtig, aber trotzdem kommt es letztendlich darauf an, dass du nun mal das fühlst, was du fühlst. Und das kann niemand außer dir selbst nachvollziehen und beeinflussen.
Reflektieren heißt das Zauberwort
Auch wenn es banal klingt und es uns manchmal schwerfällt: jeder Mensch braucht Zeit für sich. Diese Zeit kann man unterschiedlich nutzen. Die einen versetzen sich in einen Zustand, der einer Meditation gleicht, wie Basteln und andere widerum meditieren tatsächlich. Jeder hat hier seine eigenen Präferenzen.
Die Gefahr lauert hier vielleicht in den Gadgets, die wir besitzen. Wenn Smartphone, Watch & Co. ständig vibrieren und uns konditionieren, haben wir zwar das Gefühl, ungestört zu sein, wir sind es aber nicht wirklich. Das hat zur Folge, dass wir uns oft ausgelaugt und nicht erholt fühlen und uns die Energie fehlt, um uns zu konzentrieren.
Reflektieren heißt hier das Zauberwort. Durch Reflektion unserer Handlungen und Gedanken erreichen wir oft eine Konfrontation mit Situationen und Gefühlen. Manchmal lassen wir bestimmte Situationen nochmal abspielen und überlegen uns, was wir richtig oder falsch oder einfach anders hätten machen können. Dadurch halten wir nicht nur unser Gehirn und unseren Geist fit, sondern gewinnen noch mehr Flexibilität und Empathie.
Durch die regelmäßige Konfrontation erreichen wir aber vor allem, dass wir weniger empfindlich gegenüber den belastenden Situationen werden und sie für uns an Signifikanz und an Schmerz verlieren.
Selbsttherapie, aber wann?
Natürlich ist die Selbsttherapie nicht immer und bei allem wirksam. In diesem Artikel habe ich einfachere Interventionen zusammengefasst, um sich selbst akut helfen zu können und vielleicht auch zu verstehen, wie wir mit Problemen umgehen können.
Es obliegt jedem einzelnen von uns, seinen Zustand und seine Verletzungen einzuschätzen und dann die notwendigen Schritte einzuleiten, sei es der Versuch einer Selbsttherapie oder die Therapie bei einem richtigen Therapeuten.
Gerade bei schweren Traumata oder Kindheitstraumata ist es sinnvoll, einen Therapeuten hinzuzuziehen und mit diesem eine Therapie in Betracht zu ziehen. Jedoch verlangt eine Therapie auch sehr viel Engagement und ist oft ein Kampf. Manchmal fehlt die Überwindung dazu und nicht selten fehlt auch das Vertrauen. Der Weg ist steinig, aber er lohnt sich, für ein selbstbestimmteres und glücklicheres Leben, das sich jeder von uns so sehr wünscht.
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