Lange Zeit verboten und verpönt: Die Manipulation des menschlichen Erbguts. Anfang Februar erlaubte in England erstmals eine staatliche Behörde weltweit diesen Eingriff. Wie weit darf der Mensch in der Medizin gehen und was sagen die gesetzlichen Bestimmungen dazu?
Am 1. Februar erlaubte die HFEA (Human Fertilisation and Embryology Authority) dem Francis Crick Institute unter Auflagen gentechnische Änderungen an menschlichen Embryonen vorzunehmen. Beim sogenannten Genome Editing wird das Genom durch Einsetzen oder Herausnehmen von DNA manipuliert.
Rechtliche Lage
In Deutschland ist die Forschung an Embryonen seit dem 1. Januar 1991 im Embryonenschutzgesetz (ESchG) geregelt. Dort wird in Paragraph 5 das Verändern des menschlichen Erbgutes mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet. Ausnahmen sind nur für tote oder außerhalb des Körpers befindliche Zellen (ohne Rückführung in einen lebendigen Organismus) erlaubt sowie für unbeabsichtigte Veränderungen, wie sie beispielsweise bei einer Chemotherapie auftreten können. Auch international wird das Genome Editing eingeschränkt. In einem europäischen Vertrag, der von rund 30 Ländern ratifiziert wurde, heißt es, dass eine Veränderung des menschlichen Genoms nur dann vorgenommen werden darf, wenn es keine Auswirkung auf das Genom der Nachkommen hat. (Europäische Verträge Nr. 164 Art. 13).
Cui bono?
Befürworter führen ins Feld, dass durch das Verändern der Genome die Hoffnung erfüllt werden kann, Erbkrankheiten am Menschen schon im Embryonalstatus zu begegnen. Gene oder Teile davon, die für Erbkrankheiten verantwortlich sind, könnten auf diese Weise identifiziert und korrigiert werden. So optimistisch ist die Forschungsgruppe am Francis Crick Institut unter Leitung von Dr Kathy Niakan noch nicht. Auf der Webseite des Instituts lässt man verlauten: „Man möchte zunächst verstehen was die Gene eines menschlichen Embryos benötigen, um sich gesund zu entwickeln.“ Dieses Wissen könne auch der Entwicklung von Embryonen zugutekommen, die in vitro gezeugt wurden.
Genmanipulation kritisch betrachtet
Aus medizinischer Sicht ist es höchst fraglich, ob die genehmigte Methode (CRISPR/Cas9) überhaupt schon ausgereift genug ist, um sie am Menschen einzusetzen. Ein kleiner Fehler hätte fatale Folgen, denn er betrifft nicht nur den behandelten Menschen, sondern auch alle seine Nachkommen. Vermutlich wurde dem Francis Crick Institut deswegen auferlegt, dass keines der manipulierten Embryonen einer Frau eingesetzt werden darf. Man möchte forschen, aber von eventuellen Folgen verschont bleiben, indem man tötet? So kann man es zumindest sehen, wenn man einer Forderung von Volker Beck (Grüne) nachkommen möchte. In einer Rede vor dem Deutschen Bundestag postulierte er, dass Embryonen dieselbe Existenzberechtigung besitzen sollten wie jeder andere Mensch auch. Dann würde auch das Argument der Befürworter nicht gelten, dass man Erbkrankheiten bekämpfen wolle. Denn kein Mensch möchte das Heilen von Erbkrankheiten gegen das menschliche Leben ausspielen.
Übrigens stellt sich auch die Frage, ob die Einschränkung auf das Behandeln von Erbkrankheiten lange aufrechtgehalten werden kann, denn es ist ja nicht einmal klar, was eine Krankheit und was einfach nur unangenehm ist. Heute mag eine zu niedrige Intelligenz nicht in diese Kategorie fallen, aber vielleicht morgen. Manche fordern jetzt schon, einen Schritt weiterzugehen: „Gene verändern ist wie Gott spielen – und wo ist das Problem dabei?“ schreibt Johnjoe McFadden in The Guardian und führt weiter aus, vielleicht werde es bald schon Designerbabies geben, aber wir könnten uns ja auch in der Zukunft über die Zukunft Sorgen machen.
Was ist der Mensch?
Die Frage nach der Manipulation der Genome fordert auch die Frage nach dem Menschen bzw. seiner Identität heraus, denn ein ganz wesentlicher Teil des Ichs ist in der DNA abgespeichert. Es wird also nicht nur ein Pflaster aufgeklebt oder ein Gelenk eingerichtet, es wird auch die Identität des Menschen verändert. Vorab, ungefragt und vielleicht auch ungewollt. Bisher war es so, dass eine Veränderung der Identität jedem selbst überlassen war und ein Zwang dazu als ungerecht und unmenschlich empfunden wurde. Durch das Genome Editing wäre das mit einem Schlag anders für den Patienten und für alle seine Nachkommen.
Schöne neue Welt
Der Spielfilm Gattaca (1997) zeigt, wie eine Welt aussehen kann, in der menschliche Genmanipulationen etabliert sind: „In einer nicht allzu fernen Zukunft“, wie es im Film heißt, kann man das menschliche Genom genau analysieren und durch vorgeburtliche Selektion das perfekte Kind schaffen. Menschen, bei denen diese Methode nicht angewendet wurde, werden als „invalide“ bezeichnet und ausgegrenzt. Während der auf natürlichem Weg gezeugte Hauptdarsteller (gespielt von Ethan Hawke) sich durchschlagen muss, ist anderen das perfekte Leben scheinbar in die Wiege gelegt. Seine Chancen stehen nicht gut, aber irgendwie kämpft er sich durch – als natürlicher und echter Mensch.
Offene Fragen
Unabhängig davon wie sich der gesellschaftliche Diskurs weiterentwickelt, es bleiben auf jeden Fall einige Fragen offen: Hat der Mensch diese Genmanipulationen im Griff? Kann er wirklich absehen, was es bedeutet, wenn er das menschliche Genom nachhaltig manipuliert? Und was passiert bei einem „Kunstfehler“?
Resümee
Die rechtliche Lage ist in vielen Ländern eindeutig. Viele Fragen sind unbeantwortet und letztlich lasten im Genome Editing hohen Risiken von einer dramatischen Tragweite. Wenn der Mensch frei bleiben will von jeglicher Genmanipulation sollte er die mahnenden Kassandrarufe aus Wissenschaft und Gesellschaft ernst nehmen. Denn wenn die Büchse der Pandora einmal geöffnet ist, wer vermag sie wieder zu schließen?
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