Das bevölkerungsreichste Land der Welt steht aktuell immer öfters in den Nachrichten. Im Fokus befindet sich die „neue“ Trendsportart Fußball. Zwischen 2014 und 2015 ist der Marktwert der Chinese Super League von circa 130 Millionen Euro auf 174 angewachsen. In diesem Wintertransferfenster hat sie den ligainternen Rekord von 355 Millionen Euro erreicht, doch ein Ende des Booms ist lange nicht in Sicht.
Neben dem Rekordmarktwert wurden ebenfalls Ablösesummen bezahlt, welche die Marktwerte ohne weiteres übersteigen. Der Verein Shanghai Greenland Shenhua kommt derzeit auf einen geschätzten Marktwert von 32 Millionen, jedoch haben sie eine negative Transferbilanz von gut -42 Millionen Euro, welche dafür verwendet wurden, um unter anderem Ex-Bundesligaprofi Demba Ba nach Asien zu locken. Doch was spricht eigentlich für einen Wechsel nach China und welche Hintergründe hat der Boom? Jedenfalls ist es nicht die Tradition des chinesischen Fußballs, denn die damalige Jia A League wurde nach nur zehn Jahren wegen eines Manipulationsskandals 2004 aufgelöst. Seither ist die Chinese Super League die höchste Spielklasse und zieht mit hohen Gehältern und Ablösesummen Spieler und Trainer aus der Weltspitze an.
„Fußballweltmeister 2026 – China gewinnt Heim-WM“
Das Reich der Mitte ist schon immer bekannt für seine strenge Erziehung und die Disziplinierung des Nachwuchses. Große sportliche Leistungen werden geehrt. Nach Medienberichten erhielt YI Siling, Sportschützin und Goldmedaillengewinnerin in London 2012, etwa eine halbe Million Euro an Prämien. Während es für deutsche Sportler 15.000 Euro gibt, bekommen chinesische Athleten Bargeld, Eigentumswohnungen oder Autos. Vor etwa 40 Jahren, als Mao Zedong China regierte, bestand die sportliche Wertevorstellung aus „Freundschaft statt Wettkampf“ und Siege bei internationalen Spielen waren eher unerwünscht. Mit der Abwendung von Maos Politik sind in China regelrecht eine Erfolgssucht und ein übertriebener Ehrgeiz entstanden, welcher den Bereich des Sports schon lange erreicht hat. Die veränderte Wertevorstellung führt dazu, dass China, genauer gesagt Peking, die erste Stadt in der Geschichte der Olympischen Spiele sein wird, die sowohl Sommer als auch Winterspiele austragen wird – und das innerhalb von nur 14 Jahren. Ein ganz großes Ziel, welches immer mehr Form annimmt, ist ein Weltmeistertitel im Fußball und die Austragung einer Weltmeisterschaft im eigenen Land. Fußball ist die Nummer Eins unter den Sportarten weltweit und deshalb für China von hohem Interesse. Eine WM-Bewerbung steht für 2026 in Aussicht, denn die Infrastruktur ist stärker als gedacht. – Neben dem Olympiastadion in Peking befindet sich das Tianhe Stadium in Guangzhou und beherbergt für 58.500 Menschen Platz.
“Überall finden Trainingslager statt – Gesucht sind Talente, die 2026 das beste Fußballalter erreicht haben“
Bundesligavereine wie der FC Bayern München und der FC Schalke 04 waren bereits im vergangenen Jahr auf Promotion-Tour in China unterwegs, damit sie sich zukünftig wichtige Marktanteile sichern konnten. Aber die Vereine und Spieler gehen jedoch nicht allesamt von sich aus nach China, denn viele erfolgreiche Geschäftsleute interessieren sich für die Fußballförderung in China. Neben sportlichem Interesse geht es dabei auch um ökonomische Vorteile und gute politische Beziehungen. Philipp Müller studiert Sport in Köln und war im August 2015 als Trainer in China. Initiiert wurde das Trainingslager von einem chinesischen Geschäftsmann, der unter anderem in Hannover arbeitet. In seinem Auftrag suchten verschiedene Fußballverbände nach potentiellen Trainern und stellten am Ende ein vierköpfiges Team um Müller und DFB-Pokalsieger Carsten Kruse (1992 mit Hannover 96) auf. Zunächst wurden sie in „Heshan“ empfangen. Bevor es jedoch mit dem Trainingslager losging, besuchte das gesamte Team verschiedene Sehenswürdigkeiten, damit später in den Medien über die Ankunft der deutschen Trainer berichtet werden konnte.
„Es ist schon komisch, wenn die Leute einen in China auf der Straße erkennen“
Das Training fand für Kinder in zwei Altersklassen statt (7-14 Jahre). Nachdem Deutschland 2014 Weltmeister geworden ist, sei in China das Interesse an Fußball wieder gestiegen und die Sportart wurde an Grundschulen erneut eingeführt, erklärt Müller. Das ist auch einer der Gründe dafür gewesen, dass man im Training bei null angefangen hatte. Neben den normalen Trainingseinheiten gab es kleine Turniere an den Freitagen, welche die Kinder als Weltmeisterschaft ausgetragen haben. Zu ihren Favoriten gehören das deutsche, englische und brasilianische Nationalteam. Abseits vom Platz hat das Team unter anderem mit den Kindern ein Fußballquiz durchgeführt. „Es hat mich schon überrascht: Die Kinder wussten mehr als wir über Neymar, Messi und die letzte Champions League Saison.“ – Wahrscheinlich auch eine Folge der Disziplin im chinesischen Bildungswesen.
Jedoch haben an dem Trainingscamp nur Jungen teilgenommen, denn der Frauenfußball und ein potentieller Weltmeistertitel hat in China kein Prestige. Doch trotz der relativ guten Infrastruktur steckt der Fußball in den Kinderschuhen. Während es in einer Stadt wie Heshan (mehr als 300.000 Einwohner) nicht mal eine Handvoll Jugendvereine im Fußball gab, findet man gefühlt in jedem Dorf mindestens eine Mannschaft. Doch China hat große Pläne und das Trainingslager war noch lange nicht das letzte, denn in der Folge scouten Kruse und Teile seines Teams nach größeren Talenten, um potentielle Kandidaten zu finden. Ein wichtiger Faktor hierbei sind erneut die Geldgeber, welche wie in diesem Fall die gesamten Reisekosten, die Dolmetscher und die Trainer bezahlen, jedoch ist es kein Problem, solange der Sport in der Regierung einen solch hohen Stellenwert hat. Ob diese Entwicklung im Sport beziehungsweise im internationalen Fußball, der ohnehin durch Überbezahlung geprägt wird, wünschenswert ist, sollte man sicher bedenken.
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