Das Fresko von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle zeigt es deutlich, Mozarts „Requiem“ macht es hörbar: Den Schrecken, der laut Apokalypse am Ende der Zeiten auf die Welt wartet. In furchtbaren Bildern zeichnet die „Offenbarung des Johannes“ die Bestrafung der Welt. Unser Autor Benedikt Bögle hat sich gefragt: Geht es wirklich nur um Zerstörung? Oder steckt mehr in der Offenbarung?
Brennende Feuer in der Hölle, Menschen die ihrer Bosheit wegen in unendliche Tiefen stürzen, lautes Schreien und Schluchzen – so präsentieren nicht wenige Gemälde das „letzte Gericht“, die Apokalypse. Alles Gute wie alles Schlechte im Leben, alle Sünden werden vor Gericht gebracht. Vor das Gericht, welches das Ende der Welt markiert.
Diese Apokalypse wird im letzten biblischen Buch, der „Offenbarung des Johannes“, geschildert: Johannes, der Seher, empfängt eine Vision, er sieht die letzten Dinge schon vor ihrem Eintreten. Seine Offenbarung führt Johannes auf Gott selbst zurück, der Seher schickt sie in schriftlicher Form an sieben befreundete Gemeinden, für jede Gemeinde ist ein eigenes kleines „Sendschreiben“ enthalten, dass die konkrete Situation vor Ort aufgreifen will. Das Szenario, das er schildert, ist grausam:
Monster, Christus und eine mysteriöse Frau
Wie in einem Theaterstück werden immer mehr Protagonisten sichtbar, treten aus dem dunklen Nebel der Ewigkeit hervor. Zunächst vier Reiter, die sogenannten „apokalyptischen Reiter“, dann die Märtyrer, jene also, die ihren Glauben und ihr Bekenntnis an Jesus Christus mit dem Leben bezahlen mussten. Schließlich nimmt die endzeitliche Katastrophe ihren Lauf.
Im Himmel erscheint eine Frau, schön gewandet, mit goldenem Schein umhüllt. Ihr gegenüber ersteht ein Drache, er symbolisiert den Satan. Die schöne Frau – sie steht nach traditioneller Deutung für die Kirche, die an Christus glaubt – gewinnt gegen den Satan, der auf die Erde stürzt. Von dort aus schickt er zwei weitere Tiere: Das erste Tier ist mit nicht weniger als zehn Hörnern und sieben Köpfen ausgestattet. Das zweite Wesen sieht aus wie ein Lamm, hat aber die Stimme eines Drachen. Diese beiden grausamen Monster stehen aller Wahrscheinlichkeit nach für das römische Imperium. Als die Offenbarung des Johannes in den Jahren um 100 nach Christus entsteht, befindet sich einige Gemeinden auf dem Gebiet der heutigen Türkei in großen Problemen: Sie wollen unbeschadet ihren Glauben leben können, ihren Glauben an Jesus Christus.
Der Satan: Bild für den Römischen Staat
Das aber will das Römische Imperium auf keinen Fall gestatten. Der Kaiser wird als Gott verehrt. Ein Christ aber kann bei einer solchen Verehrung aus Gewissensgründen nicht mitmachen. Entweder sagt er sich von seinem eigenen Glauben ab oder er weigert sich, den römischen Kaiser zu verehren. Die Folge: Folter, bis hin zum Tod. Die beiden Tiere der Apokalypse, die vom Satan selbst herbei geschickt werden, stehen für den römischen Staat. Der letzte Sieger wird Jesus Christus sein, das ist die Botschaft der Offenbarung. Auch wenn der römische Kaiser heute Christen umbringen lässt – am Ende der Zeiten, vor dem ewigen Gericht werden die Christen die Sieger sein.
Im Folgenden wird die Erde zerstört, alles Böse wird getilgt, nur die Guten überleben dieses blutige Gericht am Ende der Zeiten. Sie ziehen in das himmlische Jerusalem ein, eine Stadt unfassbarer Größe. Das letzte Buch der Bibel endet, womit das erste begonnen hat: dem Paradies. Ein Happy End.
Johannes geht es um die Gerechtigkeit Gottes
Was aber soll nun die ganze Grausamkeit in der Offenbarung des Johannes? Ist Gott wirklich ein im Himmel thronender General, der nur darauf wartet, am Ende der Zeiten seine apokalyptische Armee gen Erde zu senden, um Tod, Leid und Zerstörung zu bringen? Wohl kaum. Die frühen Christen stehen vor einer sehr schwierigen Situation. Sie können ihren Glauben nicht frei leben und werden verfolgt. Es stellt sich die zentrale Frage, wo Gott bleibt. Weshalb greift er nicht ein? Weshalb sterben immer mehr Christen unter der Verfolgung, ohne dass Gott Gerechtigkeit zu schaffen versucht? Wo bleibt er?
Der Autor der Offenbarung versucht diese Frage zu beantworten, indem er die Gerechtigkeit Gottes in die Zukunft verschiebt. Am Ende der Zeiten wird er sehr wohl Gerechtigkeit schaffen. Das Ziel: So fromm, so untadelig leben, dass man bei diesem letzten großen Gericht auf der richtigen Seite steht.
Die Apokalypse ist nicht zu berechnen
In den letzten 2.000 Jahren gab es immer wieder Menschen, die an bestimmten Zeichen vorhersehen wollten, wann und wie diese Apokalypse beginnen würde – teilweise wurden sogar genaue Jahreszahlen errechnet. Bisher hatten alle diese Berechnungen unrecht und werden es auch in Zukunft haben: Die Apokalypse im Neuen Testament will nicht die exakte Regieanweisung für das Grauen der letzten Tage beschreiben. Sie will den Christen des ersten und zweiten Jahrhunderts zeigen: Es ist Gott nicht egal, dass sein Volk leidet. Und so ist der vorletzte Vers auch eine Bitte an Gott: „Komm, Herr Jesus!“ (Offb 22,20)
Aus heutiger Sicht ist die Offenbarung ein grausames Werk – weil wir sie nicht mehr richtig verstehen können. Uns ist es heute fremd, ein ganzes Buch nur in Bildern und Vergleichen zu verfassen oder zu lesen. Zudem ist die Offenbarung des Johannes gespickt von Zitaten, Übernahmen und Anlehnungen aus dem Alten Testament, die wir heute nur schwer einordnen können. Trotzdem: Die Lektüre der Offenbarung lohnt sich. Vieles lernt man über die Situation der frühen Christen, und mit Sicherheit lassen sich nach der Lektüre auch Michelangelo und Mozart besser verstehen.
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