Sein Humor begleitet ihn, nicht nur auf der Bühne. Wenn der Entertainer und Buchautor Bernd R. Hock auf der Bühne darüber spricht, wie schön das Leben doch eigentlich ist, dann weiß er das aus seiner eigenen Erfahrung. Ein Gespräch über ungebändigten Tatendrang, Unterstützung im Leben und die wichtigsten Quellen für mehr Lebensfreude. Das Interview führte Rahel Rehder vom Online-Magazin f1rstlife.
Herr Hock, Sie sind Ehemann, Familienvater, Heilpraktiker für Psychotherapie, Autor, Moderator, Entertainer, Kabarettist, Bauchredner und von Geburt an schwer körperbehindert. Wie passt das alles miteinander zusammen?
Meine Behinderung habe ich mir nicht ausgesucht, aber gerade mit meiner Tätigkeit als Entertainer passt sie sehr gut zusammen. Ich wollte den Menschen immer deutlich machen und vermitteln: „Schaut her, ich kann aber auch ganz viel!“
Die vielen verschiedenen Rollen, die Sie aufzählen, hören sich sehr fulminant an. Natürlich braucht es eine gute Zeiteinteilung, aber zugleich laufen diese Dinge auch nicht alle parallel. Aktuell „schlafen“ etwa mein Puppentheater und meine Bauchrednerei und ich weiß noch nicht, ob diese einmal wieder zum Leben erweckt werden. Zurzeit bin ich eher mit meinem neuen Buch auf Lesereise…
Das klingt dennoch so, als wären Sie voller Tatendrang. Dabei wurden Sie mit verkürzten Armen und verkrümmten Händen geboren – und hatten, wie man meinen könnte, alles andere als einfache Startbedingungen…
Was meine Startbedingungen betrifft, muss ich sagen, dass ich es gerade zu Beginn meines Lebens sehr einfach hatte. Als Kind habe ich mich selbst nicht wahrgenommen als jemanden, der irgendetwas Schlimmes hat. Es war halt einfach so, dass ich kurze Arme und drei Finger hatte und Dinge anders als die meisten anderen Kinder gemacht habe.
Dass es für mich einfach war, liegt aber wohl vor allem auch an meinen Eltern. Sie haben mir nie vermittelt, dass ich ein Fehler sei, sondern haben immer zu mir gestanden und mich nirgendwo ausgeklammert. Das heißt: Meine Startbedingungen waren insofern gut, dass ich wunderbare Eltern habe, die auch Gott sei Dank beide noch leben.
Wofür sind Sie Ihrer Familie und Freunden am meisten dankbar?
Meinen Eltern bin ich vor allem dafür dankbar, dass sie sich nie für mich geschämt oder mich gar versteckt haben. Das Gleiche gilt auch für meine Familie und meine Freunde. Oft sind es aber auch einfach die kleinen Hilfestellungen, die ich erhalte, für die ich dankbar bin. Gerade zum Beispiel bin ich für Fernsehaufnahmen unterwegs und werde von zwei guten Freunden begleitet. Die eine Freundin zieht mir jeden Morgen meine Strümpfe an und dafür bin ich dankbar.
Gleichzeitig mache ich aber auch keinen Hehl daraus, dass es mich manchmal nervt, Hilfestellungen zu brauchen. Ich würde zu niemandem sagen: „Ach, es ist so schön und einfach mit kurzen Armen zu leben!“ Und trotzdem möchte ich nicht immer den Mangel in den Vordergrund stellen, sondern lieber auf das sehen, was ich alles kann und wofür ich dankbar sein kann.
Heutzutage sind Menschen verunsichert, ob sie das Wort „behindert“ überhaupt noch aussprechen können, ohne jemanden zu beleidigen und zu diskriminieren. Wie stehen Sie dazu?
Das, worauf es meiner Meinung nach ankommt, ist die innere Haltung eines Menschen. Zu mir darf man im Grunde alles sagen, wenn ich eine gute Haltung dahinter erkennen kann. Nun gut, mit „Krüppel“ oder „schwerbeschädigt“ tue ich es mir dann doch etwas schwer, aber wenn ich eine negative oder ablehnende Haltung bei jemanden wahrnehme, dann nützt es mir auch nichts, wenn dieser Mensch eine blumige, politisch korrekte Sprache verwendet.
Was braucht es Ihrer Meinung nach, damit sich in unserer Gesellschaft auch Menschen mit einer schweren Behinderung nicht abseits oder gar fehl am Platz fühlen?
Wir brauchen Offenheit. Eine Offenheit, die sich darin ausdrückt, dass jeder Mensch die Bereitschaft mitbringt, sich auf den anderen einzulassen. Offenheit, dass eine Begegnung vielleicht ganz anders ist, als man es vielleicht meint. Wir dürfen nicht meinen, alles und jeden immer gleich schon richtig einordnen zu können. Wenn jemand mit mir zusammen im Bus fährt und ich sehe an seinem Blick, dass er denkt: „Mensch, was ist das für ein armer Sack!“, dann würde ich mich freuen und fände es schön, wenn er den Mut hätte, mich anzusprechen und zu fragen: „Darf ich Sie mal etwas fragen? Sind Sie ein armer Sack?“
Das ist es, was es in unserer Gesellschaft, aber im Grunde überall, auch in der Politik, braucht. Mal nachzufragen. Ich muss einem Menschen mit einer Behinderung nicht gleich seine Tüte abnehmen und sie ihm ins Auto laden. Ich kann ihn schlicht und einfach fragen, ob ich ihm helfen kann. Und wenn er sagt: „Nein, vielen Dank“, dann heißt das nicht gleich, dass er stolz ist oder sich nicht helfen lassen will. Wir brauchen wirkliche Offenheit, eine freilassende Zuwendung statt Bemutterung und viel mehr Miteinander-Reden und Nachfragen – statt immer nur darüber nachzudenken, was nicht ausgesprochen werden darf.
Ihre Autobiographie trägt den Titel „Immer im Rampenlicht“. Was hat Sie dazu bewegt, in dieser Form Zeugnis über Ihre persönliche Lebensgeschichte zu geben?
In erster Linie die Menschen. Ich habe über viele Jahre lang Vorträge gehalten über den Sinn des Lebens und die Abhängigkeit der Lebensqualität von körperlicher Unversehrtheit. Häufig sind danach Menschen auf mich zugekommen und haben gefragt: „Haben Sie nicht ein Buch? Können wir das nachlesen, was Sie erzählen? Haben Sie Ihre Geschichten und Erkenntnisse irgendwo aufgeschrieben?“
Dass es Interesse an einem solchen Buch geben würde, war mir also immer deutlich. Und ich hatte auch Lust, es zu schreiben, aber keine Zeit. Warum ich es am Ende doch geschrieben habe, hängt für mich mit einem mittleren Wunder zusammen. Ich hatte Gott im Gebet gesagt: „Ich möchte kein neues Projekt starten, aber wenn Du möchtest, dass ich ein Buch schreibe, dann will ich das glasklar offenbart bekommen. Ich möchte mir keinen Verlag suchen müssen, sondern alles auf dem silbernen Tablett präsentiert bekommen.“ Und dann bekam ich eine E-Mail vom SCM-Verlag mit dem Betreff: „Hätten Sie nicht Lust, ein Buch zu schreiben?“
Sie möchten anderen Mut machen und eine Botschaft für die unbedingte Würde und Einzigartigkeit eines jeden Menschen senden. Welche Resonanzen haben Sie auf Ihr Buch bisher erhalten? Gab es eine Rückmeldung, die Sie besonders bewegt hat?
Mir war von Anfang bewusst, dass dieses Buch vor allem auch von Lesereisen leben würde. Ich bin schließlich kein Superstar. Wegen Corona waren die aber bisher nur sehr eingeschränkt möglich. Dafür wurde ich gleich nach der Buchveröffentlichung in Talkshows eingeladen und hatte verschiedene Fernsehauftritte.
Meisten erzählen mir Menschen, die mein Buch gelesen haben, dass sie ermutigt wurden. Und tatsächlich ist genau das mein Ziel. Ich sehe bei mir zudem einen Auftrag, gerade auch Menschen, die bereits an Gott glauben, dabei zu helfen, ihre Freiheit neu zu entdecken. Bei einigen Gläubigen finden sich, wie ich sagen würde, innere Einklemmungen und eine tote Gottesbeziehung. Die Zeugnisse, die mich am meisten bewegt haben, waren die, wenn jemand durch meine Geschichte in einen neuen, lebendigen Austausch mit Gott gekommen ist. Wenn jemand sagte: „Ja, ich habe neu erkannt, was Gottes Liebe ausmacht.“
„Ich kenne keinen Menschen ohne Behinderung“, ist ein Zitat von Ihnen oder an anderer Stelle schreiben Sie: „Behinderung – Jeder hat eine, meine kann man halt sehen.“ – Wie meinen Sie das?
Als erstes meine ich das so, dass auch ich bestimmt noch mehr Behinderungen habe, die man im Gegensatz zu meinen kurzen Armen nicht sieht. Doch im Leben eines jeden von uns lassen sich bestimmte Dinge feststellen, die uns in unserer Freiheit und Liebesfähigkeit behindern. Jeder Mensch hat bestimmte Prägungen, die ihn dabei behindern, Liebe zu empfangen und Liebe zu geben.
Davon abgesehen gibt es viele körperliche Krankheiten und Behinderungen, die nicht gleich sichtbar sind und sich kaschieren lassen, zum Beispiel schwere Allergien oder Krebserkrankungen. Es muss nicht gleich jeder Behinderte kurze Arme haben oder im Rollstuhl sitzen. Ich bin nun seit fast 30 Jahren als Heilpraktiker für Psychotherapie tätig und werde immer wieder Zeuge davon, dass es gerade auch im psychischen Bereich echte Behinderungen gibt. Angst und Depressionen behindern einen Menschen dabei, in Freiheit und mit Freude zu leben.
Sie sind ein Bühnenmensch und scheinen sich im Rampenlicht richtig wohlzufühlen. Sicherlich haben Sie aber auch schon die Erfahrung gemacht, dass Menschen zunächst einmal erschrecken, wenn sie Sie sehen. Wie gehen Sie damit um?
Daran, dass Menschen bei meinem Anblick erschrecken, werde ich mich nie gewöhnen. Das ist jedes Mal aufs Neue ein echter Schmerz und es wäre schön, wenn es das nicht gäbe. In diesem Bereich geschieht aber sehr viel Gutes in unserer Gesellschaft. Ich habe den Eindruck, dass heutzutage weitaus weniger Kinder erschrecken, wenn sie mich sehen, als noch vor 10 Jahren.
Prinzipiell kommt es aber auch hier auf die Haltung an, die ich beim anderen wahrnehme. Früher habe ich mich auf der Bühne seelisch „prostituiert“, weil ich dachte, dass jeder wissen müsse, wie ich wirklich bin. Wenn ich heute kein Interesse an einer Besprechung meiner Lebenssituation habe, gehe ich einfach weiter. Wenn ich jedoch beim anderen ein wirkliches Interesse mir gegenüber wahrnehme, dann habe ich auch ein Bedürfnis, etwas von dem zu offenbaren, wer ich wirklich bin.
Die wohl wichtigste Quelle, aus der Sie Kraft schöpfen, ist Ihr Glaube an die unbedingte Liebe Gottes. Dieser liebende Gott hat Sie, wie Sie selbst in Ihrer Autobiographie beschreiben, erst dazu fähig gemacht, sich selbst anzunehmen. Was sagen Sie zu Menschen, die sehr stark mit der Annahme ihrer selbst hadern?
Wenig. Es ist sehr wichtig, zu lernen, wann es mal gut ist, nichts zu sagen. Wenn mir einer offenbart, dass er sich ungeliebt fühlt, dann nützt es sehr wenig, wenn ich beginne, dieser Person Bibelstellen zu zitieren, in denen steht, dass Gott sie liebt. Manchmal spüre ich, dass der richtige Moment da ist, etwas zu sagen.
Dann kippe ich auch mal gerne eine Ladung Ermutigung über den anderen aus. In anderen Momenten merke ich aber, dass es der Person einfach nur guttut, wenn ich bei ihr bin und schweige. Ich halte wenig davon, immer gleich Pflaster zu verteilen, wenn jemand mit einem inneren Schmerz zu mir kommt.
Zu guter Letzt: Was sind Ihrer Erfahrung nach die drei wichtigsten Zutaten für eine größere Lebensfreude?
Die erste Zutat ist Liebe. Die zweite Zutat ist Liebe. Und die dritte Zutat ist Liebe. Dabei hat die deutsche Sprache ein großes Manko. Denn mit dem deutschen Wort Liebe bezeichnen wir zum Teil Dinge, die sehr weit auseinanderliegen. In der biblischen Sprache ist das anders.
Ich meine nun, dass alle Facetten bedingungsloser, selbstloser Liebe zu einer größeren Lebensfreude beitragen. Wenn ich dahinkomme, dass ich mich von Gott geliebt weiß, unabhängig von meinen Lebensumständen, und ich mir darüber klar werde, dass ich selbst ein Ausdruck der Liebe Gottes bin, dann werde ich vor Lebensfreude platzen.
Bernd R. Hock – Immer im Rampenlicht. Mit Gott auf der Bühne und hinter den Kulissen.
SCM-Hänssler-Verlag, Holzgerlingen 2020, Preis: 19,95 €, ISBN: 978-3775160162
Bernd Hocks Geschichte lädt zum Nachdenken ein. Lassen sich Menschen wirklich in ‚behindert‘ und ‚nicht-behindert‘ einteilen? Halten wir nicht vielmehr alle hinter unseren alltäglich aufgesetzten Masken unsere Fehler und Behinderungen sowohl körperlicher als auch seelischer Art versteckt? Für Bernd R. Hock ist dieses Versteckspiel mit seinen verkürzten Armen und verkrümmten Händen von Geburt an nur begrenzt möglich. Stattdessen sucht er Bühnen verschiedener Art, um von dort anderen Menschen Mut zu machen – mit Optimismus und einer gewaltigen Portion Humor.
In seiner Autobiographie erzählt er, wie er mit der Hilfe seiner hingebungsvollen Eltern, treuer Freunde und vor allem durch die Begegnung mit der Liebe Gottes von seinem Motto „Jetzt erst recht!“ zu seiner neuen Lebenseinstellung „Jetzt erst echt!“ gelangt ist. Er wirbt für mehr Authentizität, Offenheit und aufrichtiger Zuwendung im menschlichen Zusammenleben – und für das Abenteuer, der göttlichen Liebe, die in Jesus Christus Mensch geworden ist, Glauben und Vertrauen zu schenken.
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