Fynn Kliemann ist nach den schweren Vorwürfen ihm gegenüber, im Zuge der Ausstrahlung des ZDF Neo Royal Beitrags, in akuter Erklärungsnot. Für viele ist dies noch immer unfassbar, was auch daran liegt, dass Kliemann seine Marke und sein «Saubermann»- Image über Jahre systematisch aufziehen konnte. Hilfestellung bekam er dabei in einem gewissen Grad auch von Netzwerk funk. Ein Kommentar.
Fynn Kliemann soll nach Recherchen des ZDF Neo Royal Magazin falsche Angaben gegeben haben, bezüglich der Produktion nachhaltiger medizinischer Schutzmasken. Die Person Kliemann, seine «Marke» und seine Aktivitäten stehen nun unter besonderer Beobachtung. Es stellt sich die Frage immer mehr, was denn von den Werten von Fynn Kliemann bleibt, mit denen er sich seiner Community voller Stolz präsentierte, wenn seine Geschäftsaktivitäten genauer unter die Lupe genommen werden. Kliemann ist ein All-Rounder. Er ist Musiker, Unternehmer, Influencer, Synchronsprecher usw., um nur einige seiner Rollen zu nennen. Kliemanns unternehmerische Tätigkeiten zeichnen sich durch ein verstricktes Netz an kleinen Unternehmen aus, mit einer Vielzahl an Querverbindungen. Darunter auch einige stille Gesellschafter*innen, wie das Recherche-Netzwerk CORRECTIV aufdeckte.
320.000 EUR für eigene Webserie
Ein Kernstück seiner unternehmerischen Tätigkeit, welche auch zum großen Teil zu seiner persönlichen Vermarktung beigetragen hat, ist das Kliemannsland. Einerseits ist Kliemannsland sowas wie ein interaktiver Abenteuerspielplatz (so in etwa wie bei den the Dudesons, nur weniger extrem), Ferienort wie auch Kreativzentrum, dazu mit dem Anspruch, sowas wie ein freier Staat zu sein. An der Spitze des «Staates» steht Fynn Kliemann. Auf der anderen Seite gibt es zudem die Kliemannsland GmbH. Die Kliemannsland GmbH arbeitet auch als Produktionsfirma. Die Trennung zwischen beiden ist auf der Kliemannsland-Webseite jedoch schwierig auseinander zu halten. Was ist Teil der ‘Abenteuer-Spaß-Republik’ und wo beginnt die Firma Kliemannsland?
Dabei gehört zum Gebilde Kliemannsland auch noch die gleichnamige Webserie. Diese wurde von 2016 bis 2020 von funk und dem NDR finanziell gefördert. Dazu erhielt die Cineteam Hannover GmbH, die als Produktionsfirma fungierte, von der Nordmedia, der zentralen Medienfördereinrichtung für Niedersachsen und Bremen, einen Gesamtbetrag von 320.000 Euro an Fördermittel. Dies ergab eine Nachfrage bei der Pressestelle von Nordmedia sowie ist dies auch im Geschäftsbericht von 2017 zu finden. Die Produktionsfirma Cineteam Hannover GmbH hat auch schon vor der Produktion der Webserie Kliemannsland für den NDR einige Formate produziert, wie beispielsweise aus dem Nordmedia Geschäftsbericht von 2015 hervorgeht. Die Geschäftsführer von Cineteam, Tim Schäfer, Sven Junker und Sigurd Frank sind dabei neben Fynn Kliemann auch als Geschäftsführer eingetragen bei der Kliemannsland GmbH.
Keine Konsequenzen bei der ARD?
Die Kliemannsland GmbH, welche wie schon erwähnt auch als Produktionsfirma fungiert, produzierte im Auftrag von funk bis Ende Februar 2022 das Musik- und Unterhaltungsformat Sounds Of. Sounds Of ist seit Februar 2022 kein Teil mehr von Netzwerk funk, wie das funk-Presseteam auf Nachfrage hin bestätigte. Zur Vergütung gab funk an, dass dies “auf Basis einer realistischen Kalkulation der Produktionskosten” erfolgte. Über die Höhe der Vergütungen gab das Presseteam keine Auskunft, denn die “individuellen Vereinbarungen unterliegen der Vertraulichkeit“, so funk.
Welche Vielzahl an Konsequenzen die schwere Vorwürfe gegen Kliemann für ihn und seine Firma mit sich ziehen werden, bleibt noch abzuwarten. Bisher bekam Kliemann den 2020 erhaltenen Deutschen Nachhaltigkeitspreis aberkannt, wegen dem Vorwurf des ‚Greenwashing‘. Zudem hat auch die Organisation Viva con Agua angekündigt, die Geschäftsbeziehungen zu Kliemann vollständig zu beenden. Auf Nachfrage, ob das Netzwerk funk nun alle Produktionen und Formate, die in Zusammenhang mit der Kliemannsland GmbH stehen, von ihren Seiten im Netz entfernen wird, äußerte sich funk folgendermaßen: „Videos, die gemeinsam mit funk entstanden sind, sollen der Öffentlichkeit dauerhaft zur Verfügung stehen und abgerufen werden können“. Darauf folgte die Begründung, dass funk damit ihrer Verantwortung gegenüber den Beitragszahler*innen gerecht bleiben möchte und zudem damit auch weiterhin Transparenz zeigen will. Denn die für funk produzierten Videos „stehen in keinem Zusammenhang zu den aktuellen Vorwürfen und sind daher weiterhin online verfügbar“, so das Netzwerk.
Ein immenser Imageschaden
Welches vorläufige Fazit lässt sich jetzt nun aus der ganzen Affäre ziehen? Kliemanns Fall ist ein tiefer. Er, der selbst für Jahre auf einem sehr hohen, moralistischen Ross ritt, verurteilte andere für ihre Profitgier und bekam nun selbst den Spiegel vorgehalten. Seinen Influencer Kolleg*innen hat er dabei einen großen Bärendienst erwiesen. Eine ganze Branche, deren Geschäftsmodell zusehends auf Selbstinszenierung aufbaut, steht nun ebenfalls etwas mehr unter der Beobachtung der Öffentlichkeit. Die Influencer*innen, die den Spagat zwischen Business, Nachhaltigkeit und Altruismus versuchen, werden es schwieriger haben, ihren Communities weiterhin glaubwürdig zu erklären, dass sie bei ihren Aktivitäten wie auch Unternehmungen ehrlich agieren und zudem keine eigene schmutzige Wäsche zu verbergen haben.
Und was bedeutet das Ganze für das Netzwerk funk und den ÖRR? Ein Imageschaden ist hier sicherlich auch entstanden, denn dieser Skandal ist natürlich Wasser auf die Mühlen der Kritiker*innen, welche schon seit Jahren das ganze System funk wegen ihrer Inhalte ablehnen. Dabei hat funk viele interessante Formate zu bieten, vor allem im Bereich Journalismus. Sollte der Skandal um Kliemann nicht jetzt der Anlass sein, um ein Umdenken bei funk zu bewirken? Das Netzwerk sollte sich in Zukunft lieber mehr auf seine Kernkompetenzen fokussieren, nämlich die der qualitativen journalistischen Formate. Die Förderung und Zusammenarbeit mit Influencer*innen, welche nicht nur für funk tätig sind, sondern sich auch nebenbei an eigen kommerziellen Unternehmungen beteiligen, birgt Risiken für das eigene Image. Denn den Beitragszahler*innen, die gerne mit ihrem Beitrag einen Teil zum Bestehen von funk beitragen, selbst diesen muss die ganze Affäre Sauer aufgestossen sein. Zudem gibt es ausserdem sehr viele Personen auf den sozialen Netzwerken und Videoportalen, die interessanten Content produzieren, die sich nicht ständig versuchen sich selbst darzustellen und bei ihrer Arbeit ohne staatliche Fördergelder auskommen müssen. Deren Content wird dann viel stärkerer nach den Regeln des freien Marktes bewertet.
Alle Influencer*innen über einen Kamm zu scheren, ist sicherlich nicht geboten und zudem sind diese auch nur Menschen, die fehlerhaft handeln und nicht immer dem «richtigen» moralischen Kompass folgen. Möchte funk dieses Risiko jedoch weiterhin eingehen, um mit Unterhaltungsformaten mehr Klicks und Aufrufe zu generieren? Oder verzichtet das Netzwerk in Zukunft darauf etwas weniger, und verfolgt dazu mehr den Ansatz qualitativer Bildungs- und Journaliskusformate? Der Spruch ‘weniger ist mehr’ ist an dieser Stelle hier sicherlich nicht ganz verkehrt.
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