Am Karfreitag feiern Christen den Tod Jesu. Sie glauben: Durch sein Leiden und Sterben hat er die Welt erlöst. Unser Autor erklärt, wie aus einem toten Mann am Kreuz das Heil der Welt werden kann.
Der katholische Gottesdienst am Karfreitag gehört sicher zu den eindrucksvollsten des ganzen Jahres. Die Kirche feiert diesen Tag in Trauer. Der Altar wird abgeräumt: kein weißes Tuch mehr. Ganz kahl ist der Altar, kahl auch die Kirche, aus der jeglicher Blumenschmuck weichen muss. Die Kirche ist erschüttert über den Tod Jesu. Der Herr hat im Tod seine Jünger verlassen. Deshalb feiert man an diesem Tag auch keine Eucharistie. Karfreitag und Karsamstag sind die einzigen Tage des ganzen Jahres, in denen es verboten ist, Messe zu feiern. Das soll an die Verlassenheit der Kirche ohne ihren Herrn erinnern.
Jesus scheitert – wie ein Verbrecher
Eindrucksvoll ist schon der Beginn der Gottesdienstfeier, wenn sich der Priester auf den Boden legt – ein Zeichen der vollkommenen Hingabe an Jesus. Später dann wird ein mit einem Tuch bedecktes Kreuz enthüllt, alle Gläubigen verehren es durch eine Kniebeuge. Früher war es gar Brauch, das Kreuz als Zeichen der Ehrfurcht zu küssen. Das erscheint erst einmal seltsam: Da wird einer verehrt – ja, geküsst – der verloren hat. Jesus endet nicht im Triumph, er endet geschunden, wie ein Verbrecher am Kreuz. Seine Mission ist gescheitert, so zumindest müssen es seine Jünger erfahren haben. Aus Furcht und vielleicht auch aus Verzweiflung bleiben sie dem Kreuz fern. Sie sind, mit einer Ausnahme, nicht dabei, als ihr Herr und Freund leiden muss.
Im Gottesdienst wird die Passion Jesu (Johannes 18,1-19,42) verkündet. Dort gibt es ein paar Anzeichen dafür, weshalb Christen ihren toten Messias verehren. Dieser Abschnitt berichtet von der Gefangennahme Jesu, seinem Prozess vor dem römischen Statthalter Pilatus, seiner Geißelung, Kreuzigung und seinem Tod. Immer wieder aber streut der Evangelist Johannes Hinweise auf Königtum und Würde Jesu. Als das Kreuz Jesu aufgerichtet wird, lässt Pilatus ein Schild befestigen: „Jesus von Nazareth, der König der Juden.“ (Johannes 19,19) Das war nicht unüblich: Ein Zettel oder Schild gab die Schuld des hingerichteten Verbrechers an.
Schuldspruch: Königswürde
Jesu Schuld in den Augen der Hohepriester: Er behauptete nur von sich, König der Juden zu sein. Deswegen drängen sie darauf, genau so möge Pilatus es auch auf dem Schild angeben. Der weigert sich. Der Zettel bleibt, wie er ist. Abgefasst ist er in Aramäisch, der Sprache der Juden, Lateinisch, der Sprache der römischen Herrscher, und auf Griechisch, der Sprache von Philosophie, Literatur und Handel. Das heißt: Jeder, wirklich jeder, konnte diese Worte lesen. Und schon hier zeigt Pilatus, wohl unabsichtlich, was Jesus ist. Ja, er ist der König der Juden. Aber diese Mission wird ausgeweitet. Er wird, am Kreuz hängend, zum König der ganzen Welt. Jeder wird seine Botschaft verstehen – daher die Abfassung in drei Sprachen. Jesus ist König.
Jesus ist Hohepriester
Vor der Kreuzigung wird Jesus seiner Kleider beraubt. Er hängt nackt am Kreuz und die Soldaten würfeln, wer von ihnen seine Kleider haben darf. Das Gewand wird durch vier geteilt – für jeden römischen Soldaten ein Teil. Das Untergewand aber teilen sie nicht, denn es ist aus nur einem Stück gewoben, also nicht zusammengestückelt aus mehreren Stoffteilen. Ein solches Gewand – teuer, wertvoll – steht nur dem Hohepriester zu. Das ist ein Hinweis auf die zweite Rolle Jesu: Er ist Priester. Die Aufgabe von Priestern ist, durch alle Kulturen und Religionen hindurch, Verbindung von Gott und Mensch zu ermöglichen und zu fördern. Das geschieht am Kreuz: Verbindung zwischen Gott und Mensch.
Christus kann mitleiden
Darauf bezieht sich auch die zweite Lesung des Karfreitags (Hebräerbrief 4,14-16; 5,7-9): Jesus ist erhabener Hohepriester. „Wir haben ja nicht einen Hohepriester, der nicht mitfühlen könnte mit unserer Schwäche, sondern einen, der in allem wie wir in Versuchung geführt worden ist, aber nicht gesündigt hat“ (Hebräer 4,15). Für Christen ist dies das Geheimnis des Kreuzes: Gottes Sohn, der nicht hätte sterben müssen, nimmt den Tod auf sich. Gottes Sohn, der sich selbst wenigstens das Leid hätte ersparen können, nimmt bewusst das Kreuz auf seine Schultern. Gottes Sohn ist dadurch aber „für alle, die ihm gehorchen, zum Urheber des ewigen Heils geworden“ (Hebräer 5,9).
Jesus ist Heil
Er war ohne Schuld, leidet aber trotzdem. Davon spricht die erste Lesung (Jesaja 52,13-53,12). Dieses sogenannte „Lied vom Gottesknecht“ erzählt von einem, der ohne Grund zu leiden hat: „Seht mein Knecht hat Erfolg, er wird groß sein und hoch erhaben. Viele haben sich über ihn entsetzt, so entstellt sah er aus, nicht mehr wie ein Mensch, seine Gestalt war nicht mehr die eines Menschen“ (Jesaja 52,13-14). Schon sehr früh haben Christen diesen Text auf Jesus hin gelesen: Als er am Kreuz hing, geschlagen und geschunden, war seine Gestalt nicht mehr die eines Menschen. Und doch war er erfolgreich: „Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt“ (Jesaja 53,5).
Deswegen verehren Christen das Kreuz. Deswegen ist nicht der Auferstandene zum universalen Symbol des Christentums geworden, sondern der verletzte Mann am Kreuz. Denn am Kreuz hat er die Sünde besiegt. Am Kreuz hat er seine Liebe bis in den Tod hinein erwiesen. Gott sagt: „Mein Knecht, der gerechte, macht die vielen gerecht; er lädt ihre Schuld auf sich“ (Jesaja 53,11).
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