Am Gründonnerstag feiern Christen das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern. Bei der Schilderung der Ereignisse weichen die Evangelisten erheblich voneinander ab. Trotzdem haben sie die gleiche Botschaft.

Jesus weiß, was ihn erwartet. Er weiß, dass einer seiner Jünger ihn verrät. Er weiß, dass er sterben muss – qualvoll, am Kreuz. Er weiß um die Schmerzen, er weiß um die Pein. Die Evangelien berichten, dass er sich dennoch ausliefern lässt. Er rennt nicht vor seiner Aufgabe weg, er flieht nicht. Im Gegenteil: Er isst mit seinen Jüngern. Diesen Abend feiert die Kirche am Gründonnerstag.
Im Evangelium (Johannes 13,1-15) heißt es: „Es war vor dem Paschafest. Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung.“ Er zeigt seine Liebe, indem er etwas Unerhörtes tut. Er steht vom Tisch auf und beginnt, seinen Jüngern die Füße zu waschen. Das ist eine sehr unangenehme Aufgabe, die in der Antike von den niedrigsten Sklaven und Dienern verrichtet werden musste. Keiner zwingt ihn, freiwillig tut er das. Seine Jünger können das nicht verstehen, Petrus will es gar nicht erst zulassen: „Niemals sollst du mir die Füße waschen!“ (Johannes 13,8).
Jesus übernimmt Sklavendienst
Er, der Herr, soll diesen Sklavendienst nicht übernehmen. Aber Jesus diskutiert mit Petrus: „Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir.“ Petrus versteht immer noch nicht, und fragt, weshalb Jesus dann nur die Füße wasche und nicht den ganzen Leib. Die Begründung: „Wer vom Bad kommt, ist ganz rein und braucht sich nur noch die Füße zu waschen.“ Oberflächlich betrachtet, stimmt das. In der Antike wurden meist Sandalen getragen, die Füße wurden schnell staubig und schmutzig. Selbst wenn man gerade vom Bad kam, waren die Füße dreckig. Deswegen gab es den Sklavendienst, Besuchern wurden vor dem Essen die Füße gewaschen. Das bedeuten: Jesus übernimmt hier eine Aufgabe, die „das Letzte“ ist. Niemand, wirklich niemand, würde so etwas freiwillig machen. Jesus tut es. Er zeigt seinen Jüngern, wie weit seine Liebe geht. Der Liebe Gottes wegen wurde Jesus Mensch und dieser Liebe wegen wird er am Kreuz sterben. Dieser Liebe wegen übernimmt er den Dienst der Sklaven.
Taufe und Sündenvergebung?
Gleichzeitig könnten die Worte Jesus noch eine andere Bedeutung haben. Die Jünger kommen vom Bad – damit könnte gemeint sein: Sie kennen Jesus schon, sie haben schon Gemeinschaft mit ihm. Durch die Begegnung mit Jesus sind sie rein geworden. Für uns heute würde das bedeuten: Wir sind getauft, dadurch gehört jeder Christ zu Jesus. Aber trotzdem entfernen sich die Jünger immer wieder von Jesus. Judas wird ihn verraten und Petrus verleugnen, Jesus überhaupt zu kennen. Immer wieder brauchen sie und brauchen alle Christen die Begegnung mit Jesu, der den Dreck des Alltags wegspült. Schon die ersten Christen mussten die Erfahrung machen, dass auch sie weiter sündigen. Auch wer zu Christus gehört, führt kein Leben ohne Fehler. Vielleicht meint die Geste Jesu auch das: Er wäscht immer wieder die Schuld des Lebens weg.
Was Jesus an diesem Abend tut, ist grenzenlose Liebe. Er zeigt sein innerstes Wesen, wenn er Stunden vor seinem Tod keine anderen Sorgen hat, als den Jüngern Anteil an sich zu geben. Das Johannesevangelium erzählt dabei eine Geschichte nicht, die die anderen Evangelien schon berichten. Bei seinem letzten Mahl mit den Jünger reichte er Brot und Wein und sagte: „Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ Weil das Johannesevangelium dies nicht erwähnt, spricht die zweite Lesung des Gründonnerstags (1. Korintherbrief 11,23-26) davon. Auch hier gibt Jesus sich ganz hin. Er zeigt, was seine Liebe tut, wie weit diese Liebe geht – sie hat keine Grenzen, nicht einmal der Tod am Kreuz kann die Liebe Gottes besiegen.
Befreiung aus der Sklaverei
Für die drei Evangelisten Markus, Matthäus und Lukas ist dieses Abschiedsessen Jesu zugleich der Abend des Pesachfestes. Juden feiern an diesem Tag bis heute die Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten: Gott selbst, so der Glaube, hat sein Volk von den Unterdrückern befreit. Davon erzählt die erste Lesung des Gründonnerstags (Exodus 12,1-8.11-14) In dieser Nacht gibt Jesus sich auch den Menschen hin. Wieder handelt Gott, wieder befreit Gott, wieder führt er aus der Sklaverei.
Durch seinen Tod befreit Jesus von Sünde und von der letzten Macht des Todes. Damit ist der Gründonnerstag das große Fest der Liebe Gottes. Egal, ob bei den synoptischen Evangelien, die vom Brechen des Brotes und Teilen des Kelches sprechen oder bei Johannes mit der Fußwaschung: Beides sind Zeichen unglaublicher Liebe. Wenn Gott sich zum Sklaven macht und Füße wäscht, wenn Gott sich freiwillig dem Tod übergibt – wo sollte diese Liebe dann eine Grenze haben?
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