Zwei österreichische Ärzte waren mit ihrer Hilfsorganisation ora international nun schon zum dritten Mal in Rumänien und boten dort kostenlos medizinische Behandlung für notleidende Menschen an. Viele von ihnen waren nie in ihrem Leben bei einem Arzt gewesen. Dabei gehört Rumänien doch zur EU.
Als Theresia und Hans Rettenbacher in den Ruhestand gingen, erklärten sie sich gegenüber einem Freund, der bei „ora international“, einer überkonfessionellen Hilfsorganisation, arbeitet, grundsätzlich bereit, medizinische Einsätze zu übernehmen. Vor drei Jahren fuhren sie das erste Mal nach Apata ins rumänische Siebenbürgen, wo sie zwei Wochen lang die dortigen Menschen kostenlos behandelten und Medikamente vergaben.
Das dortige freikirchliche Pastorenehepaar hatte „ora international“ um Hilfe und Unterstützung in der ärztlichen Betreuung gebeten und bereitete den Einsatz vor. Sie sorgten für einen Behandlungsraum, der meist von Familien zur Verfügung gestellt wurde und für die Anwesenheit der Ärzte. Fünf Tage lang blieben die beiden in dem Dorf, die restlichen Tage fuhren sie in entlegenen Dörfer und behandelten auch die dort ansässigen Menschen. Außerdem verteilten sie Medikamente, die sie durch Spenden ihres Heimatortes finanziert hatten. Die Frau des Pastors fungierte als Dolmetscherin, da sie sowohl rumänisch und ungarisch als auch deutsch sprechen kann. Jeden Tag kamen so viele Menschen, dass die beiden Ärzte beinahe an ihre physischen und psychischen Grenzen stießen.
Der erste Arztbesuch des Lebens
Während ihres Einsatzes sahen sie das ganze Elend dieser Region. Die meisten Menschen waren noch nie in ihrem Leben bei einem Arzt, da sie sich Medikamente sowieso nicht leisten konnten und die Ärzte, die wegen Unterbezahlung wie fast jeder in Rumänien Schmiergelder verlangen, nicht bezahlen konnten. Hans und Theresia Rettenbacher sind schockiert: „Dagegen sind die Menschen, die zu Hause in Österreich zu uns kommen, alle gesund“. Die Menschen hier begegneten ihnen mit großer Dankbarkeit für ihre medizinische Arbeit, auch dafür, dass sie nicht vergessen wurden. Die beiden sagten zwar selber, dass ihre Arbeit nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist, dennoch merkten sie immer wieder, wie wichtig ihre Arbeit dort ist.
Denn die Probleme der Region, die immerhin zur Europäischen Union gehört, sind gewaltig. 80 Prozent Arbeitslosigkeit, mangelnde Infrastruktur und tief verwurzelte Korruption sorgen für eine Verelendung. Die Menschen kamen teilweise mit Pferdefuhrwerken zur ärztlichen Behandlung. Die Frauen bekommen sehr früh sehr viele Kinder und altern deshalb schnell. Theresia Rettenbacher hielt mehrmals 30-jährige Frauen für über 60. Die beengten Wohnverhältnisse in fast schon slumartigen Hütten, fehlende Hygiene und Mangelernährung leisten ihr Übriges. Sie bekommen zwar ein wenig Geld vom Staat, aber „das ist zu wenig um zu leben und zu viel um zu sterben“. Hinzu kommt die weit verbreitete Gewalt in den Familien. Bei ihren Untersuchungen stellten die beiden Ärzte fest, dass kaum eine Frau nicht geschlagen wird.
Ethnische Spannungen und christlicher Glauben
Auch die ethnischen Spannungen zwischen Ungarn und Rumänen (hauptsächlich Roma) sind nicht zu übersehen. Siebenbürgen, eigentlich ungarisches Siedlungsgebiet, kam nach dem 1. Weltkrieg zu Rumänien. Der kommunistische Diktator Ceausescou siedelte dort die Roma an. Die Feindschaft zwischen den beiden Ethnien ist tief verwurzelt und nur langsam bessert sich das Verhältnis.
Das Pastorenehepaar bemühte sich dort auch um mehr Bildung und ein christliches Miteinander der verschiedenen Kulturen. So fanden beispielsweise während des Aufenthaltes der Rettenbachers gemeinsame Gottesdienste statt. Die Motivation und Kraft für diesen anstrengenden Einsatz schöpften die beiden ebenfalls aus ihrem christlichen Glauben, sodass sie ihre Zeit dort vor allem als Akt der Nächstenliebe betrachten. Außerdem ließen die Menschen sie dort grenzenlose Dankbarkeit für ihr Kommen spüren, „sodass man immer wieder kommen will“.
Ein besonders prägendes Erlebnis für die beiden war folgendes: Sie wollten ein EKG bei einer älteren Frau machen, ihr Mann war dabei. Als der Mann die Kabel des Messgerätes sah, trug er seine Frau panisch aus dem Untersuchungsraum. Einerseits klingt das lustig, andererseits ist es bezeichnend für diese Region, die von Armut und fehlender Bildung geprägt ist. Dennoch wollen Hans und Theresia Rettenbacher gerne wiederkommen, um den Menschen dort helfend zur Seite zu stehen und ihnen zu zeigen, dass sich jemand mit ihren Problemen befasst.
Ralf
Hallo,
habe den alten Artikel gerade zufällig gelesen. Ich erlaube mir eine kleine Korrektur des geschichtlichen Verständnisses (bin mit einer Rumänin verheiratet und spreche die Sprache): Siebenbürgen – Transsilvanien ist das Synonym dafür – hatte schon weit vor dem ersten Weltkrieg eine rumänische Bevölkerungsmehrheit gehabt (kann man bei wikipedia zu Siebenbürgen nachlesen), so daß der Eindruck des Artikels, es sei Ungarn “weggenommen” worden, falsch ist. Die rund 10% Deutschen und die rund 60% Rumänen waren für den Anschluß an Restrumänien, die ca. 30% Ungarn dagegen.
Nichts für ungut, ansonsten ist der Artikel gut.