Nazmi kam 2015 aus Syrien nach Deutschland. Er lernte nun andere Kulturen, Traditionen und Sitten in unserem christlich geprägten Land kennen. Nazmi erzählte unserer Autorin, Jasmin, wie er diese besondere und traditionsreiche Weihnachtszeit in Deutschland erlebt hat.
Ein Fest wie Weihnachten im Islam
Das Zuckerfest ist der erste Tag nach Ramadan, wo wir ungefähr 29 Tage gefastet haben. Das Fest richtet sich an ein festes Datum nach dem Mondkalender. Damit verschiebt es sich jedes Jahr ungefähr um zehn bis fünfzehn Tage. Es dauert drei Tage lang an. Am ersten Tag beten wir zunächst gemeinsam in der Moschee. Danach gehen wir zum Friedhof, um „Verwandte zu besuchen“ und deren Gräber zu pflegen. Zum Schluss beten wir für sie. Dann geht jeder mit seiner Familie bis zum Mittag nach Hause und später werden Verwandte, Bekannte und/oder Freunde besucht. Am nächsten Tag laden sich die Leute gegenseitig ein. Der dritte Tag ist dann zum Ausruhen gedacht.
Vier bis fünf Wochen nach dem Zuckerfest ist auch nochmal ein Fest. Dieses heißt „Eid ul-Adha“. Auch das Fest feiern wir vier Tage lang. Im Mittelpunkt steht dabei die Opferung eines Schafs oder eines Rinds. Im Nahen Osten, so zum Beispiel in Syrien, ist das ein Opferfest, an dem wir ein Tier opfern und einen Teil davon bekommen arme Menschen. Der Rest wird an die Nachbarn und Verwandten verteilt – und auch die eigene Familie isst selbst davon. Meistens wird ein Schaf geschlachtet, aber manche tun sich auch zusammen und kaufen ein Rind, was vorher unter allen aufgeteilt wird. Es geht hauptsächlich darum, sich zusammenzufinden und gemeinsam Zeit zu verbringen.
Das Zuckerfest – kein Feiertag in Deutschland
In Deutschland feiern wir auch das „Zuckerfest“. Nur ist es manchmal schwierig, sich mit Verwandten zu treffen, weil alle in anderen Städten wohnen. Dies ist vor allem auch deshalb problematisch, weil es ja zum Teil auch mitten in der Woche stattfindet und alle am nächsten Tag wieder arbeiten müssen. Es ist ja kein offizieller Feiertag in Deutschland und so können wir nicht einfach einen Tag lang frei machen.
Deshalb feiern wir zu Hause mit der engsten Familie und rufen dann bei allen Verwandten an, wenn das Fest nicht auf ein Wochenende fällt. Nachfeiern, ist bei uns keine Tradition. Entweder feiert man an dem Tag selbst oder gar nicht. Auch Geburtstage feiern wir nicht nach, was in Deutschland ja ganz üblich ist. Wir sind damit so aufgewachsen, dass es an dem Geburtstag sein muss und nicht Tage später. Alles andere macht für uns keinen Sinn.
Weihnachten in Syrien
Mein Vater kannte eine christliche Familie. Daher wussten wir, dass sie auch so ein ähnliches Fest wie unser Zuckerfest haben, an dem sich die Familien treffen und sich Geschenke schenken. Aber ich habe immer gedacht, dass das Silvester wäre und Weihnachten schon eine Woche vorher stattfinden würde. Weihnachten haben wir nie gefeiert, weil Muslime das in der Regel nicht tun.
Jedes bis jedes zweite Jahr waren wir zu Besuch bei einer christlichen Familie. Wir haben oft Süßigkeiten bekommen, wenn ich mich recht erinnere, denn ich war damals erst vier oder sechs Jahre alt. Ich fand es spannend, auf Menschen mit einer anderen Religion zu treffen, ihr Fest kennenzulernen und zu feiern, weil in Syrien sind fast alle Muslime.
Das erste Weihnachten in Deutschland
2015 bin ich in Suhl (in Thüringen an.d.R.) angekommen und da wusste ich gar nichts von Weihnachten. Ich dachte immer, Silvester werde allgemein gefeiert und mit Weihnachten konnte ich nicht viel anfangen. Erst als ich dann 2016 in Altenburg wohnte, habe ich das kennengelernt. Da war ich das erste Mal auf dem Weihnachtsmarkt mit meiner „Deutsch-als-Zweitsprache-Klasse“ aus der Schule. Auf dem Weihnachtsmarkt habe ich dann zum ersten Mal Kinderpunsch getrunken und Crêpes gegessen. Der Kinderpunsch war ein bisschen zu süß, aber es hat geschmeckt. Es war wie ein sehr fruchtiger Tee mit Gewürzen.
Ich fand das total interessant, dass es in der westlichen Welt auch so ein Fest gibt, was man mit der ganzen Familie feiert, bei dem man zusammen isst und sich gegenseitig beschenkt – und sich sogar die Mühe macht, dass die Weihnachtszeit einfach fast über einen ganzen Monat andauert. Danach bin ich mit meinen Freunden jedes Jahr auf einen Weihnachtsmarkt gegangen. Ein besonderes Highlight war, dass ich mit meinem Musikkurs sogar einmal auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt war, wo wir zusammen gesungen haben. Viel zusammen zu machen, das finde ich einfach das Schönste an Weihnachten. Ungefähr 2017 habe ich im Rahmen des katholischen Religionsunterrichts beim Krippenspiel als Wirt mitgespielt. Das war eine tolle Erfahrung! Auch wenn ich nur ein paar Sätze gesagt habe, war es etwas ganz Besonderes.
Mein Weihnachten als Muslim
Wir feiern nur Silvester und kein Weihnachten, auch in Deutschland nicht. Vor zwei Jahren haben wir von Bekannten einen Weihnachtsbaum geschenkt bekommen. Den haben wird dann auch geschmückt. Ansonsten machen wir Weihnachten als Familie nichts. Wir kaufen keine Geschenke und feiern auch nichts zu Hause. Vielleicht werde ich dieses Jahr an Weihnachten von jemanden eingeladen. Dann nehme ich diese Einladung natürlich auch gerne an.
Ich fand es anfangs schade, dass wir das Fest nicht feiern, weil Geschenke bekommen, ist schon schön. Das war aber nur der erste Gedanke. Im Islam ist es ja auch so, dass man an jede Religion glauben sollte, wenn man die jeweiligen Feste feiert. In Syrien habe ich mir darüber überhaupt keine Gedanken gemacht, weil ich davon nichts gewusst habe und es auch nur wenige Christen gab.
Dieses Jahr habe ich von meiner Firma einen Adventskalender geschenkt bekommen. Das machen wir bis jetzt ordentlich mit, jeden Tag nur ein Türchen öffnen… auch, wenn wir es nicht gewöhnt sind. Bis wir da reinkommen, wird es wohl noch ein bisschen dauern. Irgendwann werde ich sicher auch Weihnachten feiern, Geschenke kaufen und mir einen Monat lang Sorgen machen. Mich interessiert schließlich, was die Menschen in anderen Religionen tun und was ihnen wichtig ist.
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