Etliche Schülerinnen und Schüler eint derzeit eine Frage: Das Abi steht vor der Tür, aber wie soll es weitergehen? „Irgendwie lassen uns die Schulen bei der Berufsvorbereitung im Regen stehen“, meinte kürzlich eine Freundin zu mir. Und ich kann ihr da nur zustimmen. Ein Erfahrungsbericht von Isabel Roos.

Viele Schulen werben mit ausführlicher Berufs- und Studienvorbereitung; aber wie sieht die Realität aus? Detailliert kann ich natürlich nur von meiner eigenen Schule berichten, aber aus Gesprächen mit Abiturienten anderer Schulen stellte sich heraus, dass die Angebote dort ebenfalls enttäuschend sind. Zu uns kommen z.B. circa alle zwei Monate zwei Damen von der Arbeitsagentur für eine Berufs- und Studienberatung. Eine runde Sache – denkt man zu Beginn. Meist scheitert es schon daran, überhaupt einen Termin zu bekommen. Denn die beiden sind für fünf Stunden im Haus; jede Beratung geht 30 Minuten; was zehn Gespräche pro Berater macht; insgesamt gibt es also 20 mögliche Termine für uns Schüler. Auch das klingt noch relativ akzeptabel. Allerdings nur solange, bis man erfährt, dass diese Beratung nicht ausschließlich für den Abiturjahrgang mit 146 Schülern ist, sondern auch für die Jahrgangsstufen zehn, elf und zwölf – ein Angebot für fast 600 Schüler.
Orientierung schwer gemacht
Natürlich benötigt nicht jeder eine Beratung. Allerdings ist das Interesse dennoch so groß, dass es tatsächlich an ein Wunder grenzt, sich noch in die Liste eintragen zu können und einen Termin zu bekommen. Ich hatte kürzlich Glück und habe einen Termin bekommen. Gut vorbereitet, hoch motiviert und fünf Minuten zu früh kam ich dann zum angegebenen Raum. Eigentlich hatte ich keine sonderlich hohen Erwartungen an die Beratung, da ich in der Vergangenheit ausschließlich negative Erfahrungen mit solchen Beratungen gemacht hatte. So wurde mir in der zehnten Klasse beispielsweise nach einem „Potentialcheck“ eine Vorauswahl an Berufen vorgelegt: Ich sollte doch eine Karriere als Clown oder Bestatter einschlagen. Mal abgesehen von der doch eher ungewöhnlichen Kombination dieser Berufe fand ich eine solche Beratung auch eher ineffektiv. Berufsfelder zu empfehlen und dann bei Zustimmung konkretere Vorschläge zu äußern, wäre deutlich hilfreicher gewesen.
Wie auch immer: Die Beratung war diesmal überraschenderweise sehr aufschlussreich. Die Beraterin zeigte mir neue Seiten meines Wunschstudiums auf, an die ich bislang nicht mal gedacht hatte und versprach, mir Informationsmaterial zu bestimmten Schulen und Universitäten zukommen zu lassen. Das tat sie auch – allerdings erst nach acht Wochen und zweimaligem Nachfragen. Und ich bin kein Einzelfall. Es ist verständlich, dass es mal länger dauert, aber eine gewisse Zuverlässigkeit wäre dennoch sehr förderlich – es geht schließlich um nichts weniger als um die eigene Zukunft. Nach der Beratung hörte ich mich in der Stufe um und habe größtenteils ein negatives Feedback bekommen. „Für andere bestimmt hilfreich, bei mir haben die aber total versagt“, „Hat gar nichts gebracht“, „Nur effektiv, wenn man wirklich bereits weiß, was man will und nur Details erfahren möchte“. Das waren die Meinungen, die mir entgegenschlugen.
Das Ministerium steht in der Verantwortung
Auf Nachfragen bei unserem Koordinationslehrer (derjenige, der die Beratungen arrangiert und sich um Angebote kümmern soll) ob man nicht eventuell versuchen könnte, wenigstens mehr Infomaterial in die Schulen zu bekommen, da die Beratungen so negativ aufgefasst wurden, erhielt ich nur die Antwort, dass „die Beratungen nicht das einzige“ seien, was zur Vorbereitung getan würde. Da hat er (teilweise) Recht. In den meisten Städten gibt es eine Hochschulwoche (oder wie in Münster: den Hochschultag): Also einen Tag, an dem Schülerinnen und Schüler der Oberstufe in die Universitäten gehen können und sich Vorlesungen zu bestimmten Themen anhören dürfen oder an Workshops teilnehmen können. Auch in diesem Jahr gab es diesen Tag wieder, allerdings galt der an meiner Schule nur für die Jahrgangsstufen elf und zwölf. Mein Jahrgang durfte nicht teilnehmen. Eine Beurlaubung für Einzelne wurde auf Anweisung des Ministeriums und der Schulleitung nicht gestattet.
Erst kürzlich habe ich einen Mitschüler gefragt, was er denn von den Angeboten unserer Schule halte. Er musste nicht einmal lange drüber nachdenken: „Ich halte diese grundsätzlich für unzureichend. Das ist aber kein Vorwurf an die Schulen, sondern eher an das Ministerium. Die machen ja den Lehrplan. Vielleicht sollten wir ab der elften Klasse statt gewisser Pflichtfächer Berufsvorbereitungskurse bekommen“. Mit dieser Einstellung spricht er sicherlich manchem Schüler aus der Seele – nicht zuletzt auch der Twitternutzerin „Nainablabla“, die vor wenigen Wochen mit ihrem Tweet zur Kritik am Schulsystem großes Aufsehen erregte. Meines Erachtens ist eine verstärkte Vorbereitung der Oberstufenschüler auf die Zukunft und Bereitstellung von Infomaterial dringend erforderlich.
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