Das Evangelium des vierten Fastensonntags berichtet, wozu Jesus in die Welt gekommen ist: Er will retten. Gleichzeitig geht es aber auch um das Gericht. Etwas verwirrend, aber doch tröstend, meint unser Autor Benedikt Bögle.
„Laetare“ ist der Titel des vierten Fastensonntags, das heißt übersetzt „Freut Euch“. Der Eröffnungsvers dieses Sonntags lautet: „Freue dich, Stadt Jerusalem!“ Daher der Name. In der kirchlichen Tradition wird dieser Sonntag als eine kleine Aufhellung der Fastenzeit verstanden. Normalerweise trägt der Priester in der Fastenzeit ein violettes Messgewand. Am vierten Fastensonntag tragen Priester an vielen Orten ein rosa Gewand – ein aufgehelltes Violett. Es wird hell. Das erinnert daran, dass die Fastenzeit nicht einfach für sich genommen besteht. Es geht darum, sich auf Ostern, das große Fest der Freude, vorzubereiten. An diesem Sonntag soll ein wenig dieser Freude schon durchscheinen, der Blick wird bereits auf die Auferstehung an Ostern gelenkt.
Ein Gespräch in der Nacht
In gewisser Weise geht es darum auch schon im Evangelium (Johannes 3,14-21). Eine sehr rätselhafte Perikope. Nikodemus, ein führender Mann aus der priesterlichen Elite Jerusalems, kommt zu Jesus. Mitten in der Nacht. Er ist gekommen, um zu erfahren, wer dieser Jesus ist. Nach dem Tod Jesu wird eben dieser Nikodemus Duftöle zum Grab bringen. Das legt den Schluss nahe, dass er zum Glauben an Jesus gekommen ist. Mitten in der Nacht sucht er Jesus auf. Das Gespräch läuft, wie beim Evangelisten Johannes üblich: Jesus und Nikodemus reden zwar miteinander, aber auch aneinander vorbei. Sie sprechen über das Reich Gottes, über die Herkunft des Menschen, über den Heiligen Geist. Und dann spricht Jesus plötzlich von der „Erhöhung des Menschensohnes“: „Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden“ (Johannes 3,14).
Heilmittel: Kupferschlange
Damit spielt er auf eine Begebenheit aus dem Alten Testament an. Das Volk Israel befindet sich auf seiner Wanderung durch die Wüste. Gott hatte es aus der Sklaverei in Ägypten befreit, aber sein Volk ist unzufrieden: 40 Jahre lang müssen sie durch die Wüste wandern, um in das ihnen versprochene Land zu gelangen. Der Weg ist beschwerlich, viel zu essen und zu trinken gibt es natürlich auch nicht. Das Volk beschwert sich und jammert. Gott reagiert – und schickt Feuerschlangen, die die Israeliten beißen und bei vielen zum Tod führen. Mose betet für das Volk und Gott befiehlt: „Mach dir eine Feuerschlange und häng sie an einer Stange auf! Jeder, der gebissen wird, wird am Leben bleiben, wenn er sie ansieht“ (Numeri 21,8). Mose tut, wie geheißen, er bildet aus Kupfer eine Schlange und hängt sie auf.
Das bezieht Jesus jetzt auf den Menschensohn, also auf sich. Wie die Schlange muss er erhöht werden – er spricht vom Kreuz. Die Konsequenz: „Jeder, der an ihn glaubt, hat in ihm das ewige Leben“ (Johannes 3,15). Durch das Aufhängen der Schlange wurde Israel geheilt. Durch die Kreuzigung heilt Jesus die Menschheit, nicht nur von einzelnen Krankheiten oder Schlangenbissen. Er heilt die Welt so sehr, dass sie das ewige Leben hat. Wer sich an Jesus wendet, wird ganz heil. Und das erklärt Jesus weiter: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Johannes 3,16). Er begründet das nicht. Wieso sollte Gott die Welt lieben? Wieso sollte er die Welt gar so sehr lieben, dass er sein Leben hingibt?
Jesus kam, um zu retten
Jesus legt sogar noch einen drauf. „Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“ (Johannes 3,17) Es wäre sehr verständlich, wollte Gott seinen Sohn nur zum Zwecke des Gerichts schicken. Das haben die Menschen doch verdient, die sich immer und immer wieder gegen seine Gebote richten und damit nicht der Liebe entsprechend handeln. Aber das ist nicht die Logik Gottes. Er kommt nicht, um zu richten, sondern um zu retten. Gleichzeitig spricht Jesus aber dann doch vom Gericht. Er sagt, diejenigen, die an ihn glauben, würden nicht gerichtet. Die aber, die nicht an ihn glauben, seien bereits gerichtet. Was heißt das? Ist es schon zu spät? Wer nicht zum Glauben an Jesus kommt, hat bereits versagt? Was ist dann mit denen, die Jesus gar nicht kennengelernt haben und so auch gar nicht an ihn glauben können – sind auch sie bereits gerichtet, ausweglos verdammt?
Das scheint der Evangelist Johannes nicht implizieren zu wollen – wieso sollte er denn dann zuvor davon berichten, dass Jesus zur Rettung, nicht zum Gericht gekommen sei? Manchmal, scheint es, muss man im Glauben Spannungen aushalten. Die Reden Jesu sind nicht immer so eindeutig, wie wir uns das vielleicht wünschen würden. Man will natürlich ein ganz klares Wort Gottes hören. Wer aber diese Rede Jesu zu Nikodemus hört und liest, kann nicht umhin, eine positive Stimmung wahrzunehmen. Alle Aussagen Jesu stehen unter dem Vorzeichen, dass er nicht zum Richten gekommen ist. Er will retten.
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