Am Palmsonntag beginnt für Christen die Karwoche, in der sie das Leiden und Sterben Jesu feiern. Gleichzeitig richtet sich der Blick aber schon auf Ostern, wie unser Autor Benedikt Bögle darlegt.

Das Christentum hat in Deutschland, ganz Europa und in vielen Regionen der Welt auch kulturelle Spuren hinterlassen. Bildende Kunst wie Literatur sind von den Ideen des Christentums über Jahrhunderte hinweg geprägt worden. Aber auch die Musik weist viele Referenzen zum Glauben an Jesus Christus auf: Was wäre eine Advents- und Weihnachtszeit ohne das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach – nicht nur für eingefleischte Protestanten, sondern für Musikliebhaber jeglicher religiöser Prägung? In den Tagen der Fastenzeit kommen immer wieder Vertonungen der Passionsberichte zur Aufführung. Christen haben nicht nur die Musik geprägt, sondern immer auch gerne gesungen.
Paulus und das älteste Kirchenlied
Am Palmsonntag hören die Besucher katholischer Gottesdienste in der zweiten Lesung (Philipperbrief 2,6-11) das vermutlich älteste Kirchenlied der Geschichte: den sogenannten „Philipperhymnus“. Es handelt sich um einen poetisch gestalteten Text, den der Apostel Paulus in seinem Brief an die Gemeinde im griechischen Philippi niederschreibt, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit aber nicht selbst gedichtet, sondern seinerseits schon von anderen übernommen hat.
Jesus: Gott und Mensch
In diesem Lied heißt es: „Jesus Christus war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich.“ Das ist eigentlich die Botschaft, die an Weihnachten gefeiert wird: Jesus Christus, das ewige Wort Gottes, wird Mensch. In diesem Prozess entledigt er sich vieler göttlicher Attribute. Der Unsterbliche wird sterblich, er leidet – kurz: Er wird in allem wie alle anderen Menschen. Diese Botschaft des Christentums musste sich von Anfang an paradox anhören. Die Kirche aber ist sich sicher: Jesu war kein gewöhnlicher, wenngleich von Gott auserwählter Mensch. Er war auch nicht Gott, der sich nur in einem menschlichen Körper „verkleidete“. Wahrer Gott war er, aber auch wahrer Mensch.
Tod aus Gehorsam
Das Lied geht aber noch weiter: „Er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.“ Dieser Satz fasst in vermeintlicher Nüchternheit die letzte Konsequenz der Menschwerdung Christi zusammen. Jesus ging den Weg des menschlichen Lebens bis an sein Ende, bis zum Letzten. Am Ende seines Lebens steht der gewaltsame Tod am Kreuz. Diesen Tod nimmt er freiwillig – „gehorsam“ – auf sich. Jesus teilt das Schicksal unzähliger Menschen aller Zeiten, die, obwohl unschuldig, leiden mussten. Auch heute noch werden Opfer gefoltert und gequält, entwürdigt und ermordet. Diesen Weg geht Jesus mit. Er erniedrigt sich.
Ostern scheint schon durch
Damit aber ist noch nicht Schluss: „Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen“. Das weist schon so ein bisschen auf die Auferstehung hin. Mit dem Palmsonntag treten die Christen in die „heilige Woche“ ein, in der sie das Leiden, Sterben, aber auch Auferstehen Jesu Christi feiern. Am Palmsonntag liegt der Schwerpunkt auf dem Leiden. Der Blick richtet sich aber schon in Richtung Ostern. Das Kirchenlied aus dem Philipperbrief zeigt, wo das alles endet: in der Auferstehung Jesu.
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