Lencke Steiner hat es nicht in den Bundestag geschafft. 10,2 Prozent der Erststimmen für die FDP in Bremen haben ihr nicht zum Umzug nach Berlin gereicht. Doch wer nun denkt, sie sei geknickt oder traurig, sieht sich getäuscht, denn 2019 wird in Bremen wieder gewählt. Das jetzige Ergebnis? Für sie ein klares Statement des Wählers gegen Rot-Grün.

Frau Steiner, nach der Bundestagswahl waren Sie erstmal ein paar Tage im Urlaub und bereisten dabei viele Orte und Städte. Wie schwer fiel es Ihnen abzuschalten?
Gar nicht schwer. Ich bin ein Mensch, der immer auf 100 Prozent agiert und dabei versucht, alles zu schaffen, alles gut zu machen. Abschalten und entspannen integriere ich in meinen Alltag, das mache ich nicht nur im Urlaub. Im Urlaub möchte ich vor allem neue Dinge und Orte entdecken, mit meinem Mann einfach eine tolle Zeit verbringen. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich gar nichts mache oder mein Smartphone in die Ecke lege.
Dann versuche ich es anders: Wie sehr ärgert es Sie, dass Sie trotz des Aufschwungs Ihrer Partei nicht mit einem Sitz im Bundestag belohnt wurden?
Gerade aufgrund des insgesamt guten Wahlergebnisses – auch für Bremen – ärgert mich auch das gar nicht. Ich habe elf Prozent der Erststimmen erhalten. Die Bremer FDP 10,2 Prozent. Für Bremen ist das ein wirklich gutes Ergebnis. In zwei Jahren wird in Bremen wieder gewählt und somit ist dieses Ergebnis Motivation genug, weiter dranzubleiben, weiter Wahlkampf zu machen. Außerdem habe ich als Fraktionsvorsitzende der Bremer FDP derzeit genug Möglichkeiten, die Partei zu unterstützen.

Koalitionsverhandlungen: Die Obergrenze ist rechtlich nicht realisierbar. Wir brauchen ein ordentliches Einwanderungsgesetz!“
Als Kandidatin besuchten Sie einmal die ZDF-Sendung „Volksvertreter“, standen also auch vorher schon in der Öffentlichkeit. Ist es da nicht umso verwunderlicher, dass Sie nichts vom Kuchen abbekommen haben?“
Nein, denn zu einer Bundestagswahl gehören nunmal auch die einzelnen Bundesländer. In Bremen können wir mit dem Ergebnis wirklich hoch zufrieden sein, weshalb ich Ihnen auch nicht zustimmen kann. Der Partei und mir war es wichtig, dass die FDP wieder in den Bundestag einzieht. Das haben wir geschafft.
Als Mitglied des Bundesvorstands der FDP: Wie beobachten Sie die derzeitigen Entwicklungen auch im Hinblick auf eine mögliche Jamaika-Koalition?
Ich kann das derzeit nicht beurteilen, wichtig ist aber, dass es einen Vertrag gibt, den alle mittragen können und in dem sich jeder wiederfindet. Das wird sicher nicht einfach. Richtig ist aber auch, dass es derzeit eigentlich nicht viele weitere Optionen gibt, weshalb man schon versuchen wird eine Lösung zu finden.
Ein Punkt, der sicherlich Dissenz offenlegt, ist die Obergrenze. Hierzu hat die Union nun eine klare Position bezogen. Die FDP hat sich immer gegen ein solches Limit ausgesprochen, gilt das auch weiterhin?
Ich glaube, dass ein Koalitionsvertrag immer aus Kompromissen besteht und da hat irgendwann jeder eine Kröte zu schlucken. Für uns war immer klar, dass eine Obergrenze rein rechtlich keinen Sinn ergibt, weil in unserem Grundgesetz das Recht auf Asyl festgelegt ist. Darum kann eine richtige Obergrenze keine Lösung sein. Was wir brauchen ist ein Einwanderungsgesetz.
Anfeindungen im Netz: „Vielleicht habe ich einfach zu viel männliche DNA“
Sowohl 2015 als auch 2017 wurden Sie immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, dass sie vor allem auch mit Ihrem Aussehen und weniger mit Inhalten Wahlkampf machen würden. Wie geht man damit um?
Ich finde diese Frage immer ein bisschen witzig, denn interessanterweise wird sie immer nur einer Frau gestellt. Warum nicht auch David McAllister oder anderen womöglich gutaussehenden, männlichen Politikern? Nun zu mir: Zu Beginn meiner politischen Karriere, wurde ich als „Marketing-Gag“ bezeichnet, weil ich aus der Sendung „Höhle der Löwen“ kam. Ich glaube, dass ich dies vor allem mit meinem politischen Handeln ganz gut widerlegen konnte. Darauf bin ich auch ein wenig Stolz.
Sie sagten es eben selbst, warum wird diese Frage immer nur den Frauen gestellt. Wie steht es denn dann um unsere Gleichstellung?
Ich glaube, prinzipiell gut, denn natürlich hört und liest man primär die negativen Beispiele. Allerdings kann ich als solches Beispiel nicht dienen, da ich nur sehr wenig „Hatespeech“ bekomme. Vielleicht habe ich aber auch gelernt damit ganz gut umzugehen. In der Verpackungsindustrie arbeiten vorwiegend Männer, das heißt, ich habe häufig mit ihnen Verträge besprochen und geschlossen. Womöglich habe ich nun zu viel männliche DNA. Dennoch ist es ein wichtiges Thema, zu dem ich gerne Tipps gebe.
Welche wären das?
Zum Beispiel, dass man damit ganz offensiv umgeht. So lösche ich keine Kommentare, sondern beantworte sie eher oder warte darauf wie die anderen Nutzer reagieren. Des Weiteren, schaue ich mir auch gerne die Profile der Nutzer an. Erblicke ich ein vernünftiges Profil, gehe ich auch gerne auf die Kritik ein, weil diese Menschen ihre Kritik auch begründen können. Man muss immer differenzieren, zwischen einem Mensch, der dich sinnlos beleidigt und einem, der wirklich konstruktive Kritik kundtut.
„Ich denke immer strategisch und zielorientiert“
Wagen wir noch einmal den Blick voraus. 2019 wird in Bremen gewählt. Inwieweit kann das jetzige Wahlergebnis ein Fingerzeig sein?
Dieses Wahlergebnis hat eindeutig gezeigt, dass die Wählerschaft in Bremen mit derzeitigen Regierung unzufrieden ist. Dementsprechend gilt es natürlich auch aufgrund unseres Resultats weiter zu werben, weiter Wahlkampf zu machen. Ich glaube schon, dass wir selbstbewusst in Richtung 2019 blicken können.
Was machen Sie, wenn es 2019 nicht erneut für die Bremer Bürgerschaft reicht?
Ach wissen Sie, ich bin ein Mensch, der sowohl strategisch als auch zielorientiert denkt. So gehe ich heute davon aus, dass wir 2019 ein super Ergebnis erreichen werden und dies sogar verbessern. Eine Theorie, die davon ausgeht, dass wir 2019 aus der Bremer Bürgerschaft fliegen, existiert bei mir nicht.
Als Sie vor zwei Jahren in die Politik gingen, wollten Sie etwas verändern. Mit welchem Argument würden Sie heute versuchen einen jungen Menschen zu einem Engagement in der Politik zu bewegen?
Vor allem muss man den Leuten klarmachen, dass das, was wir heute tun, massive Konsequenzen für unsere Zukunft hat und dass es da nicht weiterhilft, tatenlos auf der Couch zu sitzen und zuzusehen. Wer wirklich etwas bewegen möchte, muss sich aktiv einbringen und engagieren. Das betrifft natürlich auch und primär die junge Generation.
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