Endlich haben jüdische Studierende eine eigene Interessenvertretung: Die „Jüdische Studierendenunion Deutschland“ (JSUD) wurde Ende 2016 gegründet und hat einiges vor. Wir haben mit der Präsidentin Dalia Grinfeld gesprochen.

Seit ihrer Wahl durch die Vollversammlung der JSUD ist die 23-jährige Dalia Grinfeld Präsidentin und somit auch eines von fünf Vorstandsmitgliedern der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands. Sie selbst ist aktiv in jüdischen Gemeinschaften in Deutschland: Sie besuchte einen jüdischen Kindergarten, eine jüdische Grundschule und anschließend ein jüdisches Gymnasium. Schon früh begann sie, sich umfangreich zu engagieren. Zunächst als Klassen- und Schulsprecherin, später auch während ihres Studiums. Sie revitalisierte als Präsidentin den Bund jüdischer Studenten Baden (BJSB) und blieb auch so immer aktiv.
Doch neben diesem religiösen, kulturellen und sozialen Engagement durch jüdische Initiativen auf der regionalen Ebene, vermisste die schon immer politisch aktive Dalia Grinfeld einen überregionalen Zusammenschluss, der jungen jüdischen Menschen auch eine politische Stimme gab. Das musste sich dringend ändern. Mehrere Monate arbeitete sie zusammen mit mit dem Gründungsvorstand und vielen anderen Vertretern jüdischer Initiativen, besonders dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der ZWS.
Als es nach intensiver Vorbereitung Ende 2016 dann erstmalig zur Wahl der Vorstandschaft kam, kandidierten 16 engagierte junge jüdische Menschen für die insgesamt fünf Plätze. Nach einem intensiven Wahlkampf hieß eine der gewählten Kandidatinnen: Dalia Grinfeld.
Was die JSUD macht
Alle jüdischen jungen Erwachsenen zwischen 18 und 35 Jahren haben fortan in der JSUD eine politische Vertretung auf allen Ebenen. Die JSUD vertritt die Interessen jüdischer Jugendlicher nach innen in die jüdischen Gemeinden sowie nach außen und bringt sich aktiv in den politischen Diskurs mit ein. Die JSUD, die zwar keine Partei, aber eben dennoch politisch ist, beschäftigt sich nicht nur mit den wichtigen und grundsätzlichen Themen wie Religionsfreiheit, Menschen- und Bürgerrechten, Antisemitismus, Israelfeindlichkeit, Antizionismus etc.
Zur Aktivität der JSUD gehören nicht nur Beteiligungen an Demonstrationen und Kundgebungen, so z.B. beim Besuch des Palästinenserführers Mahmud Abbas in Berlin, dem Weltfrauentag oder dem internationalen Tag der Roma – auch in den sozialen Medien bezieht die Organisation klar Stellung, wenn sie die offene Gesellschaft angegriffen sieht. So sind verschiedene Twitterkampagnen genauso selbstverständlich wie Stellungnahmen auf Facebook. Auf einen viralen Beitrag der AfD, die angebliche Solidarität mit jüdischen Menschen in Deutschland vorgibt, reagierte die JSUD mit einer klaren Antwort (Siehe Grafik).
Auch zu politischen Forderungen einiger Parteien, z.B. nach einem Beschneidungsverbot oder dem Verbot des Schächtens, positioniert sich die JSUD: „Eines der ersten Verbote der NSDAP 1933 war das Verbot des rituellen Schlachtens von Tieren. Das Essen von koscherem Fleisch würde so in Deutschland wieder unmöglich gemacht werden. Dagegen wehren wir uns – laut und stark! Parteien, die so etwas fordern, stehen auch sicher nicht an unserer Seite!“, so die Vorsitzende Grinfeld.
Besonders wichtig ist es der Jugendorganisation aber, nicht als israelische Botschafter in Deutschland verstanden zu werden. Oberstes Ziel ist es stets, die Interessen der jüdischen jungen Erwachsenen in Deutschland zu vertreten, auch politisch.
Einsatz für eine multikulturelle Gesellschaft
Die JSUD fühlt sich allgemein dazu verpflichtet, zu einem verständnisvollen, aufgeklärten, multikulturellem und offenem Umfeld beizutragen. „Wir stellen uns gegen jede Form von Radikalität, ganz gleich ob es der radikale Islam ist oder ob es Rechtspopulisten sind, die sich als Lösung darstellen, selbst aber Teil des Problems sind. Meine Mutter kommt aus der Sowjetunion, mein Vater aus Argentinien. Wir alle sind tief multikulturell geprägt. Wenn die AfD in ihrem Wahlprogramm behauptet, Multikulturalismus sei als `ernste Bedrohung für den sozialen Frieden´ zu betrachten, kämpfen wir dagegen öffentlich an. Das Gegenteil ist nämlich der Fall: Die verschiedenen Kulturen bereichern eine offene Gesellschaft“, sagt Grinfeld. Doch nicht nur nach außen repräsentiert die JSUD jüdische Jugendliche: Auch innerhalb der jüdischen Gemeinden will sie gerade den jungen Erwachsenen eine stärkere Stimme geben und sich in den Gemeinden in den Diskurs einbringen. „Wir lernen von der älteren Generation, bringen aber auch unsere eigenen Ideen und Bedürfnisse mit ein.“
Die dritte Ebene des Engagements der JSUD ist die regionale Ebene. Die Arbeit jüdischer studentischer Initiativen in den verschiedensten Regionen Deutschlands soll auf unterschiedlichste Weise unterstützt und gefördert werden. Zum einen sollen die Initiativen in der Vereinigung immer einen Ansprechpartner haben, der mit Rat und Tat zur Seite steht, wenn Hilfe benötigt wird. Zum anderen sollen für die Leiter von regionalen Studierendenverbänden intensive Professionalisierungsmöglichkeiten in Form von Workshops und Seminaren angeboten werden. Darüber hinaus ist die Etablierung von systematischen Plattformen zum Austausch dieser in Planung. Ebenso wird die Arbeit an Hochschulen und mit den verschiedenen Hochschulgruppen intensiviert und gefördert.
Trotz ihren bereits vielfältigen Aktivitäten befindet sich die frisch gegründete JSUD noch im Aufbau. Strukturen sollen so verbessert werden, sodass möglichst viele Leute sich aktiv einbringen können. Immerhin leben in Deutschland rund 25.000 jüdische Studierende und junge Erwachsene. Finanziert wird die JSUD zum einen zum größten Teil durch Unterstützung vom Zentralrat der Juden in Deutschland, Stiftungen und Privatpersonen sowie auch durch verschiedene projektbezogene Finanzmittel.
Dalia Grinfeld hat für die JSUD einige Ziele, die sie erreichen möchte und für die sie die nächsten zwei Jahren eintreten wird: Die JSUD soll sich als anerkannter Diskussionspartner etablieren und so das jüdische Leben in allen Bereichen so gut es geht repräsentieren, unterstützen und fördern. Vor allem sollen jüdische junge Menschen dazu motiviert werden, aktiv zu werden und sich selbst einzubringen. Klar ist schon jetzt: Die Vorarbeit hat sich gelohnt. Die JSUD leistet einen wichtigen Beitrag zum politischen, kulturellen und interreligiösen Dialog in Deutschland.
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