Künstliche Intelligenz erleichtert den Alltag – das weiß jeder, der mithilfe der beliebten Chat-GPT-App schon einmal lange Texte zusammengefasst oder nach dem Weg gefragt hat. Aber auch komplexe Aufgaben wie die Programmierung von Computercodes oder das Verfassen wissenschaftlicher Aufsätze lassen sich inzwischen scheinbar mühelos mit dem Einsatz von KI-Tools bewältigen.
Die stetig wachsenden Anwendungsmöglichkeiten zeigen dabei nicht nur Auswirkungen auf unseren Alltag, sondern auch die Arbeitswelt. Während sich in zahlreichen Branchen Prozesse automatisieren und Arbeitsaufgaben effizienter erledigen lassen, könnten mit dem rasanten Aufstieg Künstlicher Intelligenz in den Industrienationen andere Berufsbilder schon bald endgültig der Vergangenheit angehören.
Arbeitslos durch KI: Diese Berufe könnten betroffen sein
“In hohem Maße betroffen sind den Autoren der Studie zufolge unter anderem Mathematiker, Steuerberater, Autoren und Schriftsteller, aber auch Web-Designer, Buchhalter und Wirtschaftsprüfer sowie Journalisten und Verwaltungsassistenten.”
Welche Berufe ein besonders hohes Automatisierungspotential aufweisen, hat das US-amerikanische Unternehmen ,,Open AI”, das die bekannte Chat-GPT-App entwickelt hat, jetzt im Rahmen einer neuen Studie aufgeklärt. Forscher der University of Pennsylvania ließen hierfür Einschätzungen von über eintausend Berufsbildern durch Arbeitsmarktexperten sowie die GPT-4-Technologie selbst vornehmen.
Den Studienergebnissen zufolge gelangten menschliche und maschinelle Urteile dabei mit überraschender Einstimmigkeit zu dem Schluss, dass bis zu 80 Prozent der Arbeitsplätze in den USA ein Automatisierungspotential von mindestens zehn Prozent der Arbeitsaufgaben durch Technologien der Künstlichen Intelligenz aufweisen. 19 Prozent der Erwerbstätigen könnten demnach sogar mit einer Automatisierung von bis zu 50 Prozent ihrer Arbeitsaufgaben konfrontiert sein, die zu einem sinkenden Bedarf an Arbeitskräften sowie Entlassungen führen kann.
In hohem Maße betroffen sind den Autoren der Studie zufolge unter anderem Mathematiker, Steuerberater, Autoren und Schriftsteller, aber auch Web-Designer, Buchhalter und Wirtschaftsprüfer sowie Journalisten und Verwaltungsassistenten. Ebenso könnten Aufgaben im Bereich der Marktforschung und Übersetzung, Quantitativer Finanzanalyse, Programmierung und Public Relations nach Erkenntnissen der Forschergruppe durch einen großflächigen Einsatz neuer KI-Technologien in Zukunft weitgehend maschinell bearbeitet werden.
Während Skills wie kritisches Denken und wissenschaftliches Arbeiten durch KI schwer abzubilden seien, weisen Arbeitsaufgaben, die vor allem auf kreativ-sprachlichen Kompetenzen oder Programmierung beruhen, den Studienautoren zufolge ein höheres Automatisierungspotential auf.
Auch Akademikerkreise sind betroffen
Besonders brisant an der Entwicklung: Je komplexer ein Berufsbild gestaltet ist, desto höher fällt auch die von den Forschern berichtete Wahrscheinlichkeit aus, dass Künstliche Intelligenz in Zukunft wesentliche Aspekte der Arbeitstätigkeit übernehmen könnte. Vielerorts heißt es nun, dass mit Künstlicher Intelligenz die Automatisierung endgültig Akademikerkreise erreicht und diese in ähnlicher Weise betreffen werde, wie die Technologisierung der letzten Jahrzehnte ungelernte Arbeitnehmer mit teils massivem Stellenabbau in der Industrie konfrontiert hat. Führt uns die Künstliche Intelligenz in eine dehumanisierte Zukunft?
Wenngleich entsprechende Zukunftsszenarien grassieren, darf ihre tatsächliche Realisierung aus gleich mehreren Gründen bezweifelt werden. Denn wo ein Vergleich zur industriellen Automatisierung bemüht wird, ist auf der anderen Seite nicht zu übersehen, dass diese bislang zwar zu Arbeitsplatzverlusten, aber auch zur Schaffung neuartiger Stellen und Tätigkeitsfelder geführt hat, die für die Entwicklung, das Monitoring und die Instandhaltung neuer Technologien, aber auch anknüpfende Branchen und Folgedienstleistungen benötigt werden.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) aus Nürnberg hat bereits im Jahr 2019 gegenüber dem Online-Wirtschaftsmagazin ,,Oiger” eine solche Umschichtung bestätigt und resümiert, dass Automatisierungen in Folge technischen Fortschritts in Deutschland seit den 1970er-Jahren in der Gesamtrechnung sogar zu einem Angebotszuwachs an Arbeitsplätzen geführt haben.
Wie schnell entwickelt sich KI tatsächlich?
Ferner darf in der Debatte um Künstliche Intelligenz und den Arbeitsmarkt nicht der Fehler begangen werden, technologische Machbarkeit mit faktischer Umsetzbarkeit unter Bedingungen der Realwirtschaft gleichzusetzen. Regulierungen von KI-Technologien durch transnationale und nationale Akteure sind besonders in ethisch sowie gesellschaftlich sensiblen Bereichen der Medizin und Rechtssprechung zu erwarten und teils auch schon realisiert, wie der jüngst beschlossene ,,EU AI Act” vom 13. Juni 2024 demonstriert.
Hierbei legt die EU insbesondere Entwicklern von KI-Anwendungen umfassende Pflichten der Transparenz in Bezug auf die Offenlegung von Trainingsdaten, die technische Dokumentation der Entwicklung und die Einhaltung von Urheberrechtsaspekten auf. Grundlegend ist auch die vorgenommene Einteilung von KI-Systemen anhand ihres Risikopotentials, wobei besonders risikobehaftete Typen der Künstlichen Intelligenz, die unter anderem sogenanntes ,,Social Scoring” ermöglichen, EU-weit gänzlich verboten werden.
Einen weiteren Unsicherheitsfaktor bilden die erschreckenden Differenzen, mit denen Hypothesen zur Entwicklungsgeschwindigkeit und tatsächlichen Potenzialen Künstlicher Intelligenz vorgebracht werden. Nach Phasen anfänglicher Euphorie befinden sich Aktienkurse des KI-Computing-Anbieters ,,NVidia” seit März aufgrund enttäuschter Hoffnungen der Investoren in einer andauernden Korrekturphase sinkender Bewertungen.
Analysen des Finanznachrichtendienstes Bloomberg, die sich auf Unternehmen des S&P 500, Nasdaq 100 und Stoxx Europe 600 beziehen, zeigen einen Rückgang von Nennungen KI-bezogener Schlagworte in Unternehmenspräsentationen um mehr als fünfzig Prozent im Vergleich zum ersten Jahresquartal. Begründet wird dies unter anderem mit mangelnden ,,Use Cases”, also konkreten Anwendungsmöglichkeiten der KI in Unternehmen, und einer geringen Reife der Technologie, die aufwändige Kontroll- sowie Korrekturmechanismen benötigt.
Was Arbeitnehmer jetzt wissen müssen
Und dennoch: Unsicherheiten und regulatorische Hindernisse, die mit der KI-Anwendung verbunden sind, dürfen Berufstätige nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Arbeitswelt sich im Umbruch befindet. Durch die KI-gestützte Automatisierung sind zukünftig branchenübergreifende Arbeitsplatzeinsparungen zu erwarten, die zu sinkender Nachfrage nach bestimmten Skills, Qualifizierungen und Tätigkeitsbildern führen können.
In Phasen eines Überangebots müssen Arbeitnehmende durch Zusatzqualifikationen punkten oder sich in Bezug auf spezifische, neue Tätigkeitsfelder weiterbilden, die aus der fortschreitenden Entwicklung und Anwendung Künstlicher Intelligenz resultieren. Der Arbeitsmarkt der Zukunft wird Berufstätigen also stärker als zuvor Eigenverantwortung abverlangen. Im Gegenzug verspricht das KI-Zeitalter ungeahnte technologische Möglichkeiten, deren verantwortungsbewusste Nutzung nicht nur in der Arbeitswelt, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene von erfolgskritischer Bedeutung sein wird.
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