2014 hatten die Anhänger des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS) auf ihrem Eroberungsfeldzug in der irakischen Ninive-Ebene einen großen Teil der dort lebenden Christen vertrieben. Diese sind nun in ihre Heimat zurückgekehrt.
Der chaldäisch-katholische Erzbischof von Erbil, Bashar Warda, hat bei einer Pressekonferenz des weltweiten katholischen Hilfswerks „Kirche in Not“ Anfang Juli berichtet: „2014 waren 13.300 christliche Familien in der Ninive-Ebene registriert, von ihnen sind 11.000 im Land geblieben.“ 9.000 seien jetzt in die Ninive-Ebene zurückgekehrt – zehn Jahre nach der Vertreibung durch Truppen des IS, welche die mehrheitlich christlichen Dörfer erobert hatten.
9.000 seien nun in die Ninive-Ebene zurückgekehrt. „Dafür sind wir sehr dankbar.“ In Karakosch (Baghdida), der größten christlichen Stadt im Irak, lebten heute die Hälfte der früheren Einwohner wieder dort. Der syrisch-katholische Erzbischof von Adiabene im Nordirak, Nizar Semaan, der ebenfalls an der Pressekonferenz teilnahm, beziffert ihre Zahl auf „vielleicht 25.000“.
Kaum Hoffnung für geflüchtete Christen
Bei diesen guten Botschaften sei den beiden Kirchenvertretern klar: Viele Christen, die das Land verlassen haben, hätten kaum Hoffnung auf eine Rückkehr, da sie im Libanon, in Jordanien, in der Türkei und in westlichen Ländern eine neue Heimat gefunden hätten.
Junge Christen hätten dort Familien gegründet und kämen nur noch in den Irak, um Verwandte zu besuchen. Andere hätten Angst vor einer neuen Eskalation im Irak, die durch den Konflikt im Heiligen Land und im Libanon geschürt werde. „Die Christen sind sich bewusst, dass sie oft zur Zielscheibe von Fundamentalisten oder zu Kollateralzielen anderer werden“, erklärte Erzbischof Warda.
IS ist mit der Vernichtung der Christen gescheitert
Rückblickend stellte sein Amtsbruder, Erzbischof Semaan, fest: „Worte können nicht beschreiben, was wir in den vergangenen zehn Jahren erlebt haben.“ Er vergleicht die Christen mit Olivenbäumen: Diese könne man abschneiden und verbrennen, aber sie würden weiter Früchte tragen. Der IS habe „alles versucht, die Christen zu vernichten. Aber wir sind geblieben und tun als Kirche alles, um ein Zeichen der Hoffnung zu setzen“, betonte Semaan.
„Wenn die Kirche stark ist, wird die Gemeinde bleiben“
Die verbliebenen Christen seien sehr stark mit der Kirche verbunden, ergänzte Erzbischof Warda. Statt Behörden oder öffentlichen Einrichtungen wären die kirchlichen Vertreter die ersten Ansprechpartner. „Hier im Irak kommen die Familien, egal was sie erleben, in die Kirche.“
Die Gotteshäuser seien mehr als spirituelle Zentren. Für viele Menschen habe die Präsenz ihrer Pfarrer die ausschlaggebende Rolle bei der Entscheidung gespielt, im Irak zu bleiben, so Warda: „Wenn die Kirche stark ist, wird die Gemeinde bleiben. Wenn der Priester geht, wird die Gemeinde gehen.“
„Kirche in Not“ half beim Wiederaufbauprogramm in der Ninive-Ebene
Das Hilfswerk „Kirche in Not“ sei mit den Partnern im Irak stolz auf die geleistete Arbeit in den vergangenen zehn Jahren, betonte die geschäftsführende Präsidentin von „Kirche in Not“ (ACN), Regina Lynch. Sie ergänzt: „‘Kirche in Not‘ war die erste Organisation, die nach der Vertreibung durch den IS den Christen beigestanden ist.
Zuerst haben wir geholfen, die Flüchtlinge im kurdischen Teil des Irak unterzubringen und später die zerstörten Häuser in der Ninive-Ebene wieder aufzubauen.“ Dieses Wiederaufbauprogramm sei eine der größten Hilfsaktionen in der über 75-jährigen Geschichte des Hilfswerks gewesen.
Seit 2014 habe „Kirche in Not“ im Irak über 500 Projekte in einem Gesamtumfang von über 56 Millionen Euro unterstützt. Diese Hilfe werde auch weiterhin fortgesetzt, zum Beispiel im Bereich Ausbildung oder der pastoralen Arbeit in den irakischen Gemeinden.
2014 hatte der IS Mossul erobert und Christen zur Flucht gezwungen
Am 6. August 2014 waren Truppen des IS auf die mehrheitlich von Christen bewohnten Ortschaften der Ninive-Ebene im Nordirak vorgerückt, nachdem sie zuvor bereits die Stadt Mossul erobert hatten. Über Nacht flohen mehr als 100.000 Christen nach Erbil, der Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan.
Nach dem militärischen Sieg über den IS begann 2017 der Wiederaufbau. Auch wenn viele Christen in die Ninive-Ebene zurückgekehrt sind, ist die Zahl der Christen im Irak insgesamt kontinuierlich gesunken. Waren es 2003 1,5 Millionen, sind es heute schätzungsweise nur noch 250.000 – weniger als ein Prozent der irakischen Bevölkerung.
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