Angst gehört zum evolutionären Grundprofil des Menschen. Die Primäremotion schützt uns vor Gefahren und trägt zu unserem Überleben bei. Viele psychische Erkrankungen entstehen hingegen, wenn an sich notwendige Emotionen zu stark ausgeprägt sind. So äußert sich ein krankhaft gesteigertes Bedürfnis nach Anerkennung in einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, nach Ordnung und Struktur in einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung und nach Aufmerksamkeit und Interaktion in einer histrionischen Persönlichkeitsstörung.
Angststörungen sind dabei die häufigste Art psychischer Störungen und weisen in Deutschland nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) eine Prävalenz von 15,3 Prozent (1) auf. Frauen (21,3 Prozent) sind deutlich häufiger betroffen als Männer (9,3 Prozent). Allerdings kann dies unter anderem auf eine geringer ausgeprägte Bereitschaft zurückzuführen sein, sich diese Schwäche selbst im Rahmen einer anonymisierten Umfrage einzugestehen. Im Zuge der gegenwärtigen Epidemie psychischer Erkrankungen in den westlichen Gesellschaften nehmen Angststörungen leider weiterhin zu.
2017 wurde Cannabis als Medizin in Deutschland legalisiert. Ärzte hatten fortan die Möglichkeit, Patienten unter bestimmten Voraussetzungen Arzneimittel auf Basis von Cannabis zu verschreiben. So musste eine schwere Erkrankung vorliegen, bei der andere Behandlungsmethoden keinen Erfolg gezeigt hatten oder diese dem Betroffenen nach ärztlicher Einschätzung nicht zuzumuten sind. Eine andere Bedingung war eine realistische Aussicht auf Besserung. Das in diesem Jahr beschlossene Cannabisgesetz erleichtert die Verschreibung von medizinischem Cannabis und hat neue Möglichkeiten für die Selbsttherapie einer Angsterkrankungen geschaffen.
So kommen Betroffene legal an Cannabis
Zwar ist mit dem neuen Cannabisgesetz die niedrigschwellige Möglichkeit, sich legal Cannabisprodukte in lizenzierten Fachgeschäften zu beschaffen, vorerst vom Tisch. Dennoch dürfen Privatpersonen über eine Mitgliedschaft in einem Cannabis-Social-Club monatlich bis zu 50 Gramm Cannabis erwerben (Heranwachsende bis 30 Gramm). Ebenso ist ihnen der Anbau von bis zu drei Hanfpflanzen gestattet.
Hanfsamen wie z. B. feminisierte Canabissamen lassen sich bequem über den Online-Handel bestellen. Beim Anbau von Hanfpflanzen müssen Züchter sicherstellen, dass Unbefugte (insbesondere Minderjährige) keinen Zutritt zu den Produkten haben. Die CDU/CSU plant allerdings nach einem Wahlsieg auf Bundesebene die Abschaffung der Teillegalisierung von Cannabis in Deutschland.
Das spricht für Cannabis gegen Angst
Mitte der 1980er Jahre entdeckte der Cannabisforscher Raphael Mechoulam das Endocannabinoid-System (ECS). Dabei handelt es sich um das größte Bionetzwerk des Menschen, das auch bei weiteren Säugetieren und anderen Tierarten existiert. Dieses interagiert mit den Cannabinoid-Rezeptoren nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip, wobei die Rezeptoren die Schlüssel und die Liganden die Schlösser darstellen. Der Körper ist zwar zur Ausbildung körpereigenen Cannabinoide (Endocannabinoide) fähig, kann allerdings auch pflanzliche Cannabinoide (Phytocannabinoide) verwerten und seine Cannabinoidspeicher auf diese Weise auffüllen.
Als größtes Kommunikationsnetzwerk des menschlichen Körpers wird das ECS zur Regulierung vielfältiger Körperfunktionen benötigt. Zu den Funktionen, die es ausübt, gehören die folgenden:
Die Funktion des ECS in Bezug auf die Angst- und Stressbewältigung ist ein wichtiger Ansatz einer Therapie von Cannabis gegen Angststörungen. Darüber hinaus kann Cannabis die Bildung von Serotonin positiv beeinflussen. Das Glückshormon, zu dessen Empfindungen Gelassenheit und Zufriedenheit gehören, wandelt sich abends in das Schlafhormon Melatonin um und ist stark mit der Depression assoziiert. Tatsächlich gehören Angststörungen seit der Legalisierung von Cannabis als Medizin zu den offiziellen Krankheiten, bei denen Ärzte Cannabis unter bestimmten Voraussetzungen verschreiben dürfen.
2019 untersuchten Mediziner in einer umfassenden Metastudie, die 31 Studien, in denen Cannabis gegen Angst eingesetzt wurde, auswertete, diesen Zusammenhang. Angemerkt sei, dass nach Ansicht der Forscher lediglich 17 der 31 Studien den strengen wissenschaftlichen Anforderungen genügen und zudem auch Studien mit Tierversuchen bei der Auswertung berücksichtigt wurden.
Die Mediziner kamen zu dem Ergebnis, dass sich bei den Tierversuchen der deutlichste Rückgang von Angst und Stress gezeigt habe (2), der Therapieerfolg allerdings in Humanstudien ebenfalls signifikant gewesen sei. Eine Wirksamkeit von Cannabis gegen Angst zeigte sich bei verschiedenen Formen der Angststörung, wie der sozialen Angst, angstinduzierten Schlafstörung, Zwangsstörung und Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).
Das spricht gegen Cannabis gegen Angst
Angesichts dieser Befunde und Zusammenhänge kann davon ausgegangen werden, dass Cannabis bei einigen Betroffenen von Angststörungen helfen kann die Symptome zu lindern. In anderen Fällen kann Cannabis aber nicht nur keine oder nur eine geringe Wirkung gegen Angst erzielen, sondern die Angst sogar verschärfen. Dies gilt vor allem bei psychisch labilen Menschen, bei denen Halluzinogene wie Pilze, LSD und THC die Gefahr einer Psychose heraufbeschwören. Da die Ausbildung einer Angststörung von einer gewissen Anfälligkeit für eine Labilität bzw. psychische Instabilität zeugt, ist Vorsicht angebracht.
Ähnlich verhält es sich mit dem Phänomen der intensivierenden Wirkung von Cannabis. Kiffern ist bekannt, dass sich ihre momentane Stimmung durch den Cannabis-Konsum zumeist verstärkt. Doch wenn Konsumenten statt einer fröhlichen Grundstimmung, durch die sie die berühmten „Lach-Flashs“ erleben, gerade in einer negativen Grundstimmung sind, kann auch diese verstärkt werden. Tatsächlich liegen ernsthafte Befunde vor, dass Cannabis eine Angststörung hervorrufen oder verschlimmern könnte.
So haben Forscher in Ontario (USA) die Daten von 12 Millionen Personen ausgewertet und dabei herausgefunden, dass Cannabis-Konsumenten, die wegen Cannabis in einer Notaufnahme behandelt wurden, zu 27,5 Prozent eine Angststörung entwickelten, während das Risiko in der Allgemeinbevölkerung lediglich bei 5,6 Prozent lag (3). In einer weiteren US-Studie zeigte sich, dass der Anteil aller Personen mit Sozialphobie unter denjenigen, die einen als problematisch definierten Cannabiskonsum aufwiesen, bei 29 Prozent (4) lag und damit weitaus höher war als in der Normalbevölkerung, bei der in 4,2 Prozent aller Fälle dieses Krankheitsbild diagnostiziert wurde.
Zwischen Hoffen und Bangen
Cannabis ist als Medizin gegen Angststörung ein zweischneidiges Schwert. Die Gefahr, dass Cannabis eine bestehende Angststörung verschärfen oder sogar eine Psychose mit Zuständen wie Derealisation und Depersonalisation auslösen kann, ist real, sodass wir Betroffenen zu einer gründlichen Abklärung mit dem Facharzt und einer therapeutischen Begleitung während der Cannabis-Therapie raten.
Andererseits hat Cannabis ebenfalls das Potenzial dazu, eine Angststörung zu lindern, da es beruhigend und entspannend wirken kann, ein bewährtes Schlafmittel ist und an der Bildung des Glückshormons Serotonin beteiligt ist. Die Interaktion von Cannabis mit dem ECS, zu dessen Funktionen die Angst- und Stressbewältigung gehört, ist ein weiteres ermutigendes Signal für Betroffene.
Eine Cannabis-Therapie ohne THC minimiert das Risiko
Letztendlich ist Cannabis gegen Angststörungen ein zweischneidiges Schwert und eine Wundertüte, bei der die Wirkung auf unerfahrene Konsumenten schwer zu beurteilen. Eine sicherere Möglichkeit eine Angststörung mit Cannabis zu behandeln, könnte in einer Cannabis-Therapie mit stark CBD-haltigen Blüten liegen. CBD ist neben THC das therapeutisch bedeutendste Cannabinoid der Hanfpflanze und wirkt anders als THC nicht psychoaktiv. Es ist sogar möglich, zu diesem Zweck CBD-Hanfsamen zu bestellen, die keine THC-Cannabinoide ausbilden.
Quellen:
1: https://www.gelbe-liste.de/krankheiten/angststoerungen#:~:text=Angstst%C3%B6rungen%20sind%20die%20in%20der,Prozent%20(f%C3%BCr%20alle%20Angsterkrankungen).
2: https://www.algeacare.com/de-de/cannabis-bei-angststoerungen-und-panikattacken-thc-und-cbd-bei-angst/
3: https://www.doccheck.com/de/detail/articles/46970-angststoerungen-finger-weg-von-cannabis
4: https://www.drugcom.de/newsuebersicht/topthemen/kiffer-mit-angststoerung/
Dieser Beitrag entstand in Kooperation mit einem externen Redakteur.
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