Wir alle sind kreative Wesen. Nur leider wird uns das KREATIV SEIN schon sehr früh genommen. Wir bekommen immer öfter vorgezeigt, was wir „kreativ“ umzusetzen haben, anstatt unsere eigenen Ideen entstehen zu lassen. Da bleibt sehr wenig Spielraum, um unsere Fantasie voll und ganz zu entfachen. Ein Appell für künstlerische Individualität.
Ich kann mich noch gut an einen Moment im Kindergarten erinnern. Ich wollte gerade spielen, da kam eine Betreuerin und sagte zu mir, ich solle jetzt lieber etwas Schönes für meine Mutter zu Muttertag malen. Doch ich wollte gerade weder aufhören zu spielen, noch das malen, was sie mir vorgegeben hat. Dann sollte ich mich auch noch für genau eine Farbe entscheiden. Ich durfte nicht zwei, drei oder so viele benutzen wie mir gefielen, nein, es sollte bei einer Farbe bleiben. Penibel wurde ich darauf taktiert, mich für eine von ihnen zu entscheiden. Als ich das nicht tat, nahm sie einfach die von ihr gewählte Farbe und platschte meine Hand rein, machte einen Abdruck auf ein Blatt Papier und sagte dann: “Schau, sieht doch toll aus oder“?
Nein, das wusste ich schon als damals 5-Jährige: mir gefiel es nicht. Lieber hätte ich etwas ganz anderes gemacht.
Kreativität ist in uns allen. Wir werden nur dazu gebracht, es zu verlernen.
So geht es viel zu oft. Wir bekommen vorgezeigt, was schön ist und wie etwas auszusehen hat. Es kommt ja sogar bereits so weit, das man sich schon unwohl fühlt, wenn man beim Spiel Scharade etwas zeichnet, das „nicht schön“ ist. Auch wenn es bei diesem Spiel nun wirklich partout nicht auf künstlerische Meisterleistungen hinauslaufen soll. Der alltäglichen Kunst wird leider viel zu wenig Beachtung geschenkt. Es gibt gewisse große Namen, die erwähnt werden. Aber alle anderen scheinen nicht spruchreif und bleiben hinter den Großen zurück.
Aber wer definiert denn wirklich schön? Du selbst? Oder hast du Angst, was die anderen sagen? Sind wir mittlerweile so verunsichert, von all den äußeren Vorgaben, dass wir unserer Definition von „schön“ nicht mehr trauen? Ich weiß nicht, wieso wir uns ständig vergleichen. Aber ich weiß, dass es uns besser täte, wenn wir uns davon befreien.
Wir werden definiert und gemessen an anderen, aber eigentlich messen wir uns doch selbst. Wieso lassen wir es zu, uns in solche Schubladen stecken zu lassen? Jeder von uns hat seine Berechtigung, das zu machen, was er möchte, ohne sich messen zu müssen. Das gehört genauso zum Leben wie trinken. Ohne Kreativität schaut doch alles etwas langweilig aus.
Was wenn ich Dir sage, dass alles Kunst ist, unabhängig, ob es jetzt genau den Vorgaben entspricht?
Ist der Mensch mit Kunst konfrontiert, so ist er im Grunde mit sich selbst konfrontiert. Vielleicht können deswegen viele Menschen nichts mit Kunst anfangen. Ist Kunst wirklich nur, das Foto realistisch abzumalen oder die 1:1 Darstellung von Dingen abzupausen? Oder darf Kunst tiefer gehen?
Kreativität, seine Fantasie spielen lassen, das ist zweifellos Kunst. Du musst sie Dir nur erlauben. Dazu tut es unendlich gut, sich einfach einmal frei zu machen. Von meinen persönlichen Erfahrungen als Künstlerin her kann ich Euch sagen: bei manchen Bildern kam es mir wirklich so vor, als würde ich mich komplett nackt machen, mein Innerstes rausmalen, rauslassen. Und ja, es war am Anfang eine sehr große Überwindung. Und natürlich auch ein Prozess. Ein wichtiger Prozess, der mir in meinem Leben immer wieder unterkommt.
Je öfter man sich aber seiner Fantasie hingibt, umso freier wird man. Wenn man es nicht versucht, wird man nie wissen, wie es sich anfühlen kann, seine tiefsten Gefühle, Emotionen, Gedanken und was auch noch alles einfach rauszulassen. Loslassen. Es gehört dazu, sich mit sich selbst zu beschäftigen, auf sich selbst einzulassen, sich mit sich selbst zu konfrontieren. Genau das, was den meisten, wenn auch unbewusst, am meisten Angst macht. Am Anfang mag man vielleicht etwas zurückhaltend und unbeholfen sein, aber je öfter Du Dich auf Dich selbst einlässt, umso besser lernst Du Dich kennen. Der Mensch, mit dem Du im Leben am meisten zu kämpfen haben wirst, wirst immer Du selbst bleiben.
Wieso nutzen wir nicht einfach die Kunst dazu, um uns vor uns selbst zu retten?
Kreativität, Kunst, Fantasie ist so viel mehr als Malen. Es ist das Schreiben, sich bewegen, reden, zeichnen, malen, dichten, musizieren, lachen frei werden, sich trauen, erlauben. Es ist: Du selbst zu sein. Wir leben in einer Welt, in der jeder individuell sein will, und dennoch schief angeschaut wird, wenn man mal etwas nicht nach dem allgemeinen, weit verbreiteten „Plan“ macht. Hören wir auf damit. Trauen wir uns Individualität. Trauen wir uns, unser Leben selbst zu gestalten und das zu tun, wonach wir uns eigentlich sehnen.
Geht raus, seit laut, oder auch nicht, malt bunt oder schwarz/weiß, seid groß, bewegt Euch zur Musik, macht Musik, oder singt, lacht, versetzt Berge mit Eurem Lachen. Lasst die Fantasie wieder in Euer Leben. Wir alle sind Kunst, vergesst das bitte nicht. Genau so retten wir die Kunst, und vor allem: so rettet die Kunst auch uns.
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