Die aktuellen Demonstrationen unter dem Motto „Black Lives Matter“ haben wieder die Debatte angeregt: Wie rassistisch ist die deutsche Gesellschaft? Ich glaube, dass jede weiße Person sich selbst reflektieren muss. In diesem sehr persönlichem Artikel erzähle ich von konkreten eigenen Denkweisen und Handlungen, die ich erst später als rassistisch erkannt habe.
Schuld lähmt, Verantwortung macht aktiv. So beschreibt es Tupoka Ogette in ihrem an weiße Deutsche gerichtetem Handbuch „Exit Racism“. Unter anderem dank ihrem Buch war ich in der Lage, mich selbst zu hinterfragen und meine eigene Verantwortung als privilegierte weiße Person in der mehrheitlich weißen deutschen Gesellschaft zu erkennen. Ich wurde als weiße Deutsche rassistisch sozialisiert, da Rassismus noch immer tief in der Struktur unseres Gesellschaftssystems verankert ist. „Schwarz“ oder „Person of Color“ (PoC) und „weiß“ sind übrigens politisch korrekte Bezeichnungen, die dazu genutzt werden, zwischen von Rassismus betroffenen und Rassismus ausübenden Personen zu unterscheiden. Auch heute kann es noch sein, dass ich unbeabsichtigt rassistische Dinge tue, denn dies geschieht in den allermeisten Fällen, ohne dass sich Täter*innen der eigenen Schuld bewusst sind. Der in Deutschland verbreitete Glaube, Rassismus geschehe immer vorsätzlich, ist daher unzutreffend.
Im Folgenden möchte ich zwei vergangene Situationen aus meinem persönlichen Leben kritisch beleuchten. Zur Zeit dieser Vorfälle war mir nicht bewusst, dass ich rassistische Denkmuster perpetuiert, also weitergetragen haben. Erst als ich begann, mich mit Rassismusforschung zu beschäftigen, entwickelte ich dieses Bewusstsein.
1. „Voluntourism“ und meine Zeit in Haiti
Nach dem Abitur war ich, junge 17 Jahre alt, gemeinsam mit einer Mit-Abiturientin für drei Monate in der zweitgrößten Stadt Haitis und habe dort in einem Waisenhaus mit zugehöriger Schule gelebt. Die haitianische Schwester der Begründerin des Waisenhauses wohnte in unserer Heimatstadt, wodurch wir auf den Freiwilligendienst aufmerksam wurden. Soweit, so gut. Trotz Reisewarnung des Auswärtigen Amtes konnte ich meine besorgten Eltern davon überzeugen, drei Monate im weit entfernten Haiti zu verbringen, das gemeinsam mit der wirtschaftlich besser gestellten Dominikanischen Republik auf der karibischen Insel Hispaniola liegt.
Vor Ort hatten wir keine zugewiesenen Aufgaben, allerdings wurden wir nach einer Zeit gebeten, den Newsletter für deutsche und französische Spender*innen mitzugestalten, auf Facebook Neuigkeiten und Fotos zu posten und bei der Nachhilfe zu assistieren. Wir halfen dort mit, wo es uns nützlich erschien. Ich hatte im Gegensatz zu anderen Freiwilligen meinen Fotoapparat dabei und schoss regelmäßig Fotos, unter anderem von den Kindern im Waisenhaus. Nach einiger Zeit vor Ort aktualisierte ich mein Profilbild auf Facebook – darauf zu sehen war ich mit einem kleinen haitianischen Jungen, der mir sehr ans Herz gewachsen war. Erst einige Jahre später löschte ich es, denn mir waren drei Narrative bewusst geworden, durch die ich mich selbst unwissentlich rassistisch verhalten hatte.
Waisenhaus-Tourismus
Mein Aufenthalt im Waisenhaus vor fünf Jahren hat den Kindern vor Ort vielleicht mehr geschadet als genützt. Ohne meine eigene Wichtigkeit übertreiben zu wollen, glaube ich, dass es für Kinder, die in einem Umfeld ohne Eltern aufwachsen, tragisch sein kann, regelmäßig mit neuen Bezugspersonen in Kontakt zu kommen, die sie nach einiger Zeit wieder verlassen. Außerdem hat ein großer Teil der Kinder in weltweiten Waisenhäusern (besonders jedoch im globalen Süden, also beispielsweise in Haiti oder südostasiatischen Ländern) noch Eltern. Diese Eltern haben oft viele Kinder und verschiedene Gründe können dazu führen, dass einige davon in Waisenhäusern „landen“ – genug solcher Häuser gibt es ja, oft ins Leben gerufen von Menschen aus dem globalem Norden, die es gut meinen.
„White Saviorism“
In Deutschland werden wir aufgrund des kolonialen Erbes rassistisch sozialisiert, nicht zuletzt durch Filme und Bücher. Das führt oft zu automatischen Assoziationen, wenn wir bestimmte Bilder sehen. Eine Schwarze Frau mit drei weißen Kindern? Da denken viele, die Frau könne nicht die Mutter sein, sondern nur das Kindermädchen. Eine weiße Frau mit drei Schwarzen Kindern hingegen? Da wird eher an eine gutmütige wohlhabende Dame gedacht, die arme afrikanische Kinder adoptiert hat. Eine ähnliche Assoziation kann auch das Bild einer weißen Jugendlichen (mir) mit einem Schwarzen Kind (dem haitianischen Jungen) auslösen: Ach wie toll, der kleine Junge bekommt Aufmerksamkeit und Liebe von einer privilegierten weißen Europäerin, die sich für verbesserte Lebensbedingungen in einem armen Teil der Welt einsetzt. Dieses Konzept wird in der Rassismusforschung als „white saviorism“ bezeichnet: eine weiße, wohlhabende Person mit Helfersyndrom glaubt, Schwarzen Menschen „helfen“ zu können. Viele Influencer*innen wurden dafür ebenfalls kritisiert. Mal ganz davon abgesehen, dass wir auch nicht einfach Fotos von weißen Kindern ins Internet stellen, weil wir dann von Datenschutz und Persönlichkeitsrechten sprechen.
Positiver Rassismus
In meinem persönlichen Blog, geschrieben für Familie und Freunde, schrieb ich, die Haitianer*innen hätten allesamt das Tanzen im Blut. Das nennt man positiven Rassismus: Auch Komplimente, die eine gesamte Volksgruppe verallgemeinern, sprechen Menschen die Individualität ab und sind somit rassistisch.
Das würde ich heute anders machen
Auch wenn die Zeit in Haiti eine unglaublich bereichernde Erfahrung war und ich bis heute ein besonderes Interesse am Land und der Kultur habe, glaube ich, dass mir persönlich der Freiwilligendienst weit mehr gebracht hat als dem haitianischen Institut – und ich die Reise möglicherweise nicht hätte unternehmen sollen. In Australien wurde als Freiwilligendienst getarnter „Waisenhaus-Tourismus” („voluntourism“) weltweit im Übrigen 2018 als moderne Sklaverei anerkannt.
Fotos mit Schwarzen, im Globalen Süden lebenden Kindern werde ich nicht mehr veröffentlichen, da ich mich so (ob ich es will oder nicht) mit meiner globalen Machtposition als weiße Person in der Rolle der Retterin darstelle. Des Weiteren werde ich nicht mehr behaupten, einer gesamten Volksgruppe sei etwas „in die Wiege gelegt worden“ oder etwas liege ihnen im Blut. Das ist schließlich eine haltlose und freche Behauptung, die nicht anerkennt, dass hinter jeder Fähigkeit viel Fleiß steckt.
2. Das N-Wort und seine Langform
In meiner Bachelorarbeit Anfang 2020 untersuchte ich den Begriff „Entwicklungsland“ und rief am Ende dazu auf, ihn zur Debatte zu stellen – wie das N-Wort in Kinderbüchern vor einigen Jahren. Dabei schrieb ich aber das N-Wort aus. Als ich die Arbeit bereits abgegeben hatte und es mir auffiel, schämte ich mich.
Heutzutage ist es Konsens, dass man das N-Wort (eine beleidigende Bezeichnung für Schwarze Menschen), das I-Wort (um die Ureinwohner Amerikas zu bezeichnen) und ähnliche Begriffe nicht mehr ausschreibt oder ausspricht, da so die Unterdrückung weitergetragen und normalisiert wird. Einzige Ausnahme: Die Personengruppen selbst dürfen Begriffe benutzen, mit denen Menschen einer dominanten Gruppe sie beleidigen wollen. Wenn also ein afroamerikanischer Rapper sich als „nigga“ bezeichnet, ist das absolut legitim, da er ein von weißen Menschen als Schimpfwort gegen ihn benutztes Wort zur Selbstermächtigung verwendet.
Das würde ich heute anders machen
In meiner Bachelorverteidigung habe ich bewusst „N-Wort“ gesagt und würde dies in Zukunft auch in der schriftlichen Version so schreiben. Dann weiß jede*r, was gemeint ist, und sieht, dass ich mich kritisch davon distanziere. Dass man nicht mehr „N…kuss“ zur Süßigkeit mit Schokoladenguss sagt, sollte inzwischen den meisten Deutschen bekannt sein – Schaumkuss oder Schokokuss sind diskriminierungsfreie Alternativen.
Eigene rassistische Denkweisen analysieren
Ich möchte alle weißen Leser*innen dazu einladen, sich selbst zu hinterfragen und, trotz schlechten Gewissens und dem Wunsch nach Verdrängung, an Situationen zurückzudenken, in denen sie selbst Rassismus reproduziert haben. Es ist nicht unverzeihlich, als weiße Person Fehler zu begehen und aus Mangel an besserem Wissen Diskriminierung aus der eigenen Sozialisierung zu reproduzieren. Ich persönlich finde es allerdings schwer verzeihlich, es nie zu bemerken und es in Zukunft weiterhin so zu machen.
Auf der Reise zum eigenen Rassismus können Bücher von Menschen eine große Hilfe darstellen, die selbst von Rassismus betroffen sind. Neben „Exit Racism“ von Tupoka Ogette empfehle ich besonders die fantastischen Bücher „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ von Alice Hasters sowie „Deutschland Schwarz Weiß“ von Noah Sow. Die beiden letzteren gibt es auch als kostenfreie Hörbücher auf Spotify. Wer mehr über kritische Reiseberichterstattung auch in persönlichen Blogs wissen möchte, sollte die Broschüre „Mit kolonialen Grüßen“ des Vereins Glokal e.V. lesen, die online im PDF-Format verfügbar ist.
Auch hier (es gibt aktuell auf vielen von wohlhabenden Menschen gemachten Seiten solche Artikel): Nein, das ist kein Rassimus!
Das ist Arroganz gegenüber armen Menschen. Das ist die gleiche Unfähigkeit zu verstehen wie arme Menschen in Deutschland leben und die dann auch aus manchen wohlwollenden Kreisen als zu behütenden und von der wohlhabenden Kaste zu führenden Menschen herabgewürdigt werden. Und wenn es ganz besonders gut läuft, finden sich dann noch ein abfälliger Artikel in der Taz daüber, dass solche Leute nur Helene Fische und Mario Barth auf Großbildschirmgeräten schauen und deshalb verachtenswert sind. Das ist dann aber die selbe Schiene die politische Nazis gegenüber Menschen fahren, die sie für Untermenschen halten.
Aber was hier beschrieben wird ist kein Rassismus. Das ist das Zeichen des “Übermenschen”, der sich für das ehre Wesen hält das die Welt retten kann und nun verkündet “keine Fotos von Schwarzen” mehr ins Internet zu stellen. Was der gleiche Mechanismus ist wie wenn Frau Merkel dem weinenden syrischen Kind über den Kopf streichelt.
Nein, das ist kein Rassismus. Ihr seit wohlhabend, ihr habt die Chance auf Bildung, ihr werdet versorgt und keiner aus der Familie muss sterben weil er oder sie hungert oder an es medizinischer Versorgung mangelt. Und Schuld an der ungleichen Situation sind eure Arbeitgeber oder der “Gönner” der Stiftungen, die die Milliarden scheffeln, Steuern sparen und sich dann mit armen Kindern fotografieren lassen, um ihre Gutmütigkeit darzustellen (oder vielleicht auch nur um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen).
Rassimus ist nur der Begriff dafür was sich Reiche ausdenken, um armen Menschen gegenseitig aufeinander zu hetzen, in Kriege zu schicken und deren Länder auszubeuten. Den Begriff haben sich Generäle, Könige und Fürsten ausgedacht. Aber nicht die Menschen, die um ihr überleben kämpfen.
Und er wird jetzt genau für diesen Zweck wiederverwendet. Nicht um zu zeigen, dass arme Menschen in den USA erschossen werden – arme Menschen jeder Hautfarbe – sondern es wir selektiert. Es gibt gute erschossene und andere die egal sind.
Und wenn wohlbehütete Menschen ihre moralischen Zeigefinger erheben, über Menschen für die sie eigentlich nur unverständnis haben, zeugt das nicht für eine positive Entwicklung. Alles was im Augenblick passiert ist nichts positives. Statt Wörter oder Phrasen zu streichen, braucht es soziale Projekte und einen klaren Auftrag das die Gesellschaft Menschen bilden möchte und nicht zu Arbeitszwecken (stickwort digitale Bildung) sondern zu verantwortungsvollen und selbstständigen Wesen die eine Rolle in der Gesellschaft spielen (schaut hin, wo kommen arme Menschen zu Wort? Ausser in RTL II/VOX als Showobjekte und genau das sind sie auch in vielen Hilfsorganisationen Objekte)
Nicht “Rassismus” ist ein Problem, sondern soziale Ungerechtigkeit. Aber ich befürchte das ist den wohlbehütenden und gutsituierten nicht bewußt und läßt sich auch nicht vermitteln. Denen macht dieser Konflikt nichts aus, sie müssen auf keine Privilegien verzichten. Im Zweifel gibt es Privatschulen, -Unis oder Krankenkassen und für den Einkauf im Bioladen reicht es alle mal.
Mich ärgern diese Artikel. Ich bin als junger Mensch von Nazis auf der Strasse gejagt worden, weil ich anders aussah oder aussehen wollte. Gegen gewalt muss etwas getan werden, aber doch nicht in dem versucht die Gedanken zu ändern. Mit jedem Menschen kann man reden, auch wenn er das fucking N Wort aussspricht schafft man es immer, in einem Umfeld auf Augenhöhe, das auch so jemand sich mit anderen Kulturen austauschen kann. Der Mensch ist neugierig und möchte Anerkennung von anderen – jeder!
Aber aus einer Position der Überlegenheit zu oktroyieren und zu erziehen hat keine positive Wirkung und ruft Widerstand hervor. Nicht umsonst bin ich mit 16 Punker geworden, ich wollte nicht das was die Erwachsenen mir aufzwingen wollte, ich wollte meinen Weg selbst finden. Und haben die geholfen, die mit uns in gleicher Sprache gesprochen haben und nicht die, die uns was erzählen wollten.
There is an absence of belonging in the western culture and to ascertain to this, different life-style choices determine the direction of being. If you chose to be punk at 16, it was your decision. And you yourself see it in a derogratory sense, which means you regret your lifestyle choices, first my brother, you need to realize this and change this attitude.
But when you question the purpose of education of the society, to not be for work purposes but for being responsible and independent beings, you’re right ! But this blame is not on racism, it’s on the capitalistic structure itself, that defines the aspiration of existence that way, so you be more careful in inter-twining two[racism+capitalism] of them together.
But I like your idea to challenge and change and through this political dialogue, we are able to exchange opinions on platform like this, which brings us to common understanding.
Nice article, nice comments !
Hallo und danke für Ihren Kommentar. Zunächst will ich Ihnen recht geben: Ja, ich bin wohl, was Sie „wohlbehütet“ nennen. Meine Eltern waren Arbeiterkinder vom Land und sind Akademiker geworden, sodass ich selbst in der Stadt aufgewachsen bin und Bildung für mich selbstverständlich war. Das ist nun einmal mein sozialer Hintergrund. Ihre Medienkritik hat mich zum Nachdenken angeregt – tatsächlich werden Menschen in Sendungen von RTL und Co. zu Showobjekten stilisiert und alle Empfänger*innen von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) als „Assis“ inszeniert. Das muss mehr hinterfragt werden, besonders von Menschen wie mir (auch wenn es hier nicht um Klassismus gehen soll, sondern um Rassismus). Ich lerne immer noch dazu, und das war auch die Intention dieses Artikels: Meine eigene Reflexion darzulegen und meine aktuellen Gedankengänge zum Thema Rassismus zu teilen. Es ist schade, dass Sie finden, ich wolle mich als „Übermensch“ darstellen. Andere Artikel, die Sie als vergleichbar mit meinem erwähnen, habe ich leider nicht gelesen.
Auf einige Ihrer Punkte möchte ich noch einmal genauer eingehen.
„Rassimus ist nur der Begriff dafür was sich Reiche ausdenken“ – Bei Rassismus geht es nicht um arm und reich, es geht nicht um Kapitalismus, Kommunismus oder Anarchie, sondern darum, dass Menschen einzig aufgrund ihres Äußeren beleidigt, benachteiligt, anders beäugt, anders behandelt, ausgeschlossen, belächelt, nicht ernst genommen, nicht wahrgenommen, beschimpft, beleidigt oder gewaltsam angegriffen werden. Es geht auch darum, dass Andersheit wahrgenommen wird, die nicht auf inneren Werten beruht, sondern auf Vorurteilen. Wie viel Geld jemand hat, spielt bei einer Diskriminierung basierend auf dem Aussehen dann erst einmal keine Rolle große Rolle, da das nur sehr begrenzt Teil des Phänotyps ist.
„Statt Wörter oder Phrasen zu streichen, braucht es soziale Projekte und einen klaren Auftrag das die Gesellschaft Menschen bilden möchte“ – Natürlich braucht es auch soziale Projekte, da gebe ich Ihnen Recht! Aber: Worte formen unsere Wirklichkeit. Würden wir also fröhlich weiter das N-Wort für Schwarze Menschen benutzen, das eigentlich klar beleidigend ist, hieße das, Schwarze Menschen seien weniger wert. Dass Sprache sich verändert, hat einen guten Grund: Politische Debatten führen dazu, dass gewisse Begriffe als beleidigend oder nicht mehr zeitgemäß wahrgenommen werden und auch dazu, dass Geschichte kritisch gesehen wird. Zwei Beispiele: In der Schule habe ich gelernt, Hitler hätte die Macht „ergriffen“, dabei wurde er in einer Demokratie gewählt. Außerdem habe ich gelernt, Kolumbus habe einen Kontinent „entdeckt“, dabei war sein Unterfangen eine gewaltsame Eroberung! Das sagt viel über die Macht der Sprache aus.
„Gegen gewalt muss etwas getan werden, aber doch nicht in dem versucht die Gedanken zu ändern.“ – Gewalt beginnt nicht erst beim Handeln, sondern schon davor: beim Denken. Wenn eine weiße Person glaubt, Schwarze Menschen seien minderwertig, wird es ihr leichtfallen, diese Person zu verletzen und Gewalt an ihr auszuüben.
„Nicht umsonst bin ich mit 16 Punker geworden, ich wollte nicht das was die Erwachsenen mir aufzwingen wollte“ – Jede Generation rebelliert gegen ihre Eltern, in unterschiedlicher Art und Weise. Das war bei Ihnen, indem Sie Punker geworden sind, was sicher eine mutige Entscheidung war. Ich selbst habe mit 15 aufgehört, Tierprodukte aller Art zu essen und somit die kulinarischen Traditionen infrage stellt, die eine Familie zusammenhält. Natürlich ist das nicht eins zu eins übertragbar, aber es ist auch Rebellion gegen tradierte Werte. Außerdem gibt es in meiner Generation (in Teilen) ein immer größeres Aufgebehren gegen den Rassismus und die eurozentrische Geschichtsschreibung, die in Deutschland leider noch immer als „nicht so schlimm“ wahrgenommen werden und so mal mehr, mal weniger subtil zutage treten.
„Aber was hier beschrieben wird ist kein Rassismus. Das ist das Zeichen des „Übermenschen“, der sich für das ehre Wesen hält das die Welt retten kann […]“ – Rassismus ist nicht nur das, dass man in Deutschland lange als einzig und allein rassistisch wahrgenommen hat – der stereotypische (Neo)nazi, der eine Geflüchteten-Unterkunft anzündet. Nein, Rassismus sind AUCH Mikroagressionen wie „Darf ich mal in deinen Afro fassen?“, „Woher kommst du denn WIRKLICH?“. Rassismus ist die strukturelle Benachteiligung mancher People of Color bei der Wohnungs- oder Jobsuche. Rassismus ist auch, an Narrativen mitzuwirken, die die vermeintliche Andersheit von People of Color herausstellt, wie der von mir beschriebene „White Saviorism“. Rassismus ist auch, Menschen Dinge zu unterstellen, nur weil sie eine andere Herkunft haben. Somit bin ich der Meinung, dass ich mich selbst auch unter diesen Gesichtspunkten hinterfragen muss, da ich das Privileg habe, in Deutschland weiß zu sein, wodurch ich zur Mehrheit gehöre und nicht um Anerkennung kämpfen muss.
Und ja, als Mitglied der oberen Mittelschicht muss ich vielleicht auch klassistische Einstellungen (den sozialen Hintergrund betreffend) hinterfragen. Diesbezüglich haben Sie mir interessante Denkanregungen gegeben.