Immer höher, immer schneller, immer mehr. Wachstum ist das wirtschaftspolitische Mantra nahezu aller Staaten. Doch mit der Wirtschaft wächst auch die Umweltverschmutzung. Ginge es also auch anders? Kann es eine Wirtschaft geben, die nicht mehr wächst?
Die Geschichte vom Wirtschaftswachstum erzählt man sich nun schon seit Jahrhunderten. Und sie scheint eine Erfolgsgeschichte zu sein. Dieses Land selbst hat sie geschrieben. Als die deutsche Wirtschaft nach dem Krieg am Boden lag, ist es innerhalb weniger Jahre gelungen, Deutschland wieder auf die Beine zu bringen. Zweistellige Wachstumsraten waren keine Seltenheit. Der Hunger verschwand, Fernseher kehrten ins Wohnzimmer, Autos auf den Straßen ein. Das deutsche Wirtschaftswunder zeigt, dass Wachstum Wohlstand bringt. Man sollte hoffen, dass das Wachstum niemals aufhört.
1972 hat der Club Of Rome in seiner mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bedachten Studie „Die Grenzen des Wachstums“ mit mehreren Simulationen postuliert, dass innerhalb von 100 Jahren eine absolute Wachstumsgrenze erreicht würde. Die Autoren gingen davon aus, dass durch das exponentielle Wachstum immer mehr Rohstoffe benötigt würden, wodurch die Umwelt irreparabel beschädigt würde. Sobald diese Grenze erreicht sei, müsse man sich auf einen raschen und massiven Rückgang von Bevölkerung und Industrie einstellen.
Wir konnten schon oft sehen, welche Auswirkungen eine Wirtschaftskrise hat. 1929 gab es eine Weltwirtschaftskrise, in den 1970er Jahren mehrere Ölkrisen. Den meisten ist wohl die Finanzkrise ab 2007 in Erinnerung geblieben. In Krisenzeiten werden Arbeitsplätze abgebaut, Steuereinnahmen gehen zurück, ein Nährboden für soziale Spannungen entsteht. Der Weg aus der Krise war bisher Wachstum. Beispielsweise organisiert der Staat Konjunkturprogramme (zuletzt die Abwrackprämie), die durch finanzielle Anreize künstlich eine Nachfrage erzeugen. Aber was passiert, wenn das Wachstum aus mehreren Jahrhunderten dazu geführt hat, dass es kein Öl, kein Coltan, keine Regenwälder und keine Polkappen mehr gibt?
Es geht auch anders
Aber soweit muss es nicht kommen. Das sagen zumindest die Anhänger der Postwachstumstheorie. Sie plädieren für eine Wirtschaftsordnung, die nicht auf immer weiter steigendes Wachstum fixiert ist, sondern die versucht, Ökonomie und Ökologie in Einklang zu bringen. Ihrer Meinung nach führt die aktuelle Wirtschaftsordnung zwar zu Innovationen, gleichzeitig aber auch zu höherer Risikobereitschaft, Monopolisierung, Qualitätsabnahme, Lohnsenkungen und Ausbeutung. Deswegen sind sie der Meinung, dass Wirtschaftswachstum nicht notwendig ist. Statt einer quantitativen, plädieren sie für eine qualitative Ausrichtung der Marktwirtschaft.
Dazu gehört beispielsweise, dass eine Firma ein Produkt so herstellt, dass es so lange wie möglich hält und es nicht absichtlich minderwertig produziert, damit die Kunden nach einiger Zeit gezwungen sind, sich ein neues zu kaufen. Außerdem fordern die Anhänger eine Relokalisierung der Wirtschaft eine gerechtere Verteilung und mehr Demokratie. Sie wollen eine Wirtschaft der Suffizienz, also des möglichst geringen Rohstoff- und Energieverbrauchs.
Mut zur Veränderung
Außerdem müsste man grundlegende Überzeugungen neu überdenken. Warum sollte jemand 40 Stunden in der Woche arbeiten, während sein Nachbar gar nicht arbeitet? Die beiden könnten sich die Arbeit auch teilen und jeweils 20 Stunden arbeiten. In der freien Zeit würden sie sich mit Dingen beschäftigen, die ihnen mehr Freude bereiten. Warum sollte nicht jeder ein Grundeinkommen vom Staat erhalten? Dann verliert auch eine Arbeitszeitverkürzung ihren Schrecken.
Natürlich kostet das Geld. Und wenn es kein Wachstum mehr gibt, müsste der Staat es sich an anderer Stelle besorgen – und zwar dort, wo es genug davon gibt. Eine Vermögensabgabe führt aber wahrscheinlich zu heftigen Protesten seitens derer, die ihr Geld abgeben sollen, soziale Spannungen könnten aufkommen. Da ist es einfacher, weiter zu wachsen, damit das Geld irgendwie reinkommt – Regenwälder aber gehen weder demonstrieren, noch wählen.
Es gibt also Theorien, die eine Wirtschaft ohne Wachstum für möglich halten. Es ist natürlich nicht vorhersehbar, ob sie in der Realität wirklich funktionieren könnten, ein Scheitern ist genauso denkbar. Aber es braucht in jedem Fall Mut, die Grundüberzeugungen der letzten Jahrhunderte über Bord zu werfen. Der Club Of Rome hat diesem Wirtschaftssystem 1972 noch 100 Jahre gegeben. Unabhängig davon, ob das System dann wirklich kollabiert – eines steht fest: Das Öl, die Edelmetalle, die Regenwälder und das Polareis wird es so nicht mehr lange geben.
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