Vor über einem Jahr habe ich bei einem Journalismus-Projekt den Chefredakteur einer regionalen Online-Zeitung kennengelernt. Damals sagte er mir, dass ich ihm meine Texte gerne für Feedback schicken könne – egal ob schulisch oder journalistisch. Ein Angebot, das ich dankend annahm. Und häufig nutzte. Nun fragte er mich also im letzten Absatz einer der vielen Feedback-Mails, was ich von einem Praktikum in der Redaktion halten würde. Ich war aus dem Häuschen! Acht tolle Wochen beginnen. Acht Wochen, in denen ich Einblicke in den Alltag eines Journalisten erhasche. Acht Wochen voller Themensuche, Recherche und Kaffeepausen.
Die Nacht vor dem ersten Tag: Vorgestern Abiball, morgen Praktikum. Ich bin aufgeregt, denn es ist mein erstes Praktikum dieser Art. Und dann gleich noch acht Wochen lang! Zum Glück kenne ich den Chefredakteur schon. Er ist nett. Die anderen Mitarbeiter sicher auch, denke ich mir. Trotzdem kann ich nicht schlafen.
Woche eins: Der erste Tag fängt mit einem Knaller an: Ich darf den Chefredakteur zu einer Pressekonferenz mit Peer Steinbrück begleiten. RTL, ntv, ZDF, diverse Radiosender – alle sind da. Ich komme mir unglaublich klein vor. Den Rest der Woche bearbeite ich Pressemitteilungen, mache Straßenumfragen, gehe alleine auf kleinere Fototermine.
Woche zwei: Eine Volontärin ist im Urlaub, ich soll ihre Kolumnen übernehmen. Das bedeutet zwei zusätzliche Artikel. Ich freue mich, weil ich gerne schreibe. Und weil mir das zugetraut wird. Gleichzeitig drängt sich mir die Frage auf, ob ich den Aufgaben schon gewachsen bin. Wie soll eine Praktikantin in der zweiten Woche an die Qualität der Artikel einer Volontärin anknüpfen? Die Zweifel nagen immer wieder an mir. Ich gebe mein Bestes.
Woche drei: Offensichtlich gefällt, wie ich schreibe. Die Kolumnen-Artikel werden ohne Veränderungen online gestellt. Nicht so gut läuft meine erste große Pressekonferenz: Ich bin viel zu spät dran weil die Straßenbahnen ausfallen, verlaufe mich im fremden Stadtteil. Als ich ankomme, bedankt sich der Bürgermeister für die Aufmerksamkeit, steigt vom Podest, das Publikum applaudiert. Mist! „Es gibt leider keine offizielle Pressemitteilung“, erklärt man mir auf Nachfrage. Doppelmist! Ich tue, was wohl jeder Journalist in dieser Situation tun würde: Ich gehe zum Bürgermeister, sage irgendwas über die tolle Rede, stelle ihm Fragen, die ich mir soeben aus den Fingern gesogen habe. Er bemerkt nichts, glaube ich.
Woche vier: Pressemitteilungen, Straßenumfragen, Telefoninterviews, Fototermine, Pressekonferenzen, Meetings – so langsam lebe ich mich ein. Zur Presse sind alle nett. Mir werden Blöcke, Häppchen, Stifte, Kinofreikarten, Gästelistenplätze für ein Konzert und eine Drei-Tages-Zugangsberechtigung für ein großes Musikfestival zugesteckt. Haben die Leute Angst vor der Presse? Setzen sie auf Bestechlichkeit?
Zwei Dinge machen sich im Privatleben bemerkbar: Ich lese viel schneller, ich schätze das Wochenende mehr.
Woche fünf: Das erste Halbjahr war sehr erfolgreich. Wir gehören jetzt zum reichweitenstärksten Nachrichtenportal der Region. Redaktion und Marketingabteilung gehen zur Feier des Tages zusammen bowlen. Alle Praktikanten sind eingeladen, obwohl wir das ja nur in sehr geringem Maß mitbewirkt haben. Ich freue mich über die Einladung. Alle sind nett.
Woche sechs: Das Sommerloch lässt grüßen: Kaum Pressemeldungen, kaum Termine. Jetzt sind eigene Ideen gefordert. In dieser Zeit lerne ich, dass hinter allem – und damit meine ich hinter wirklich allem – eine Geschichte steckt. Ich schreibe über die Bundestagswahl, Studentenwohnungen, herrenlose Fahrräder und Hundekottüten.
Woche sieben: Es ist glühend heiß. Ich interviewe Menschen mit sommerlichen Berufen: Bademeister, eine Kellnerin im Biergarten, ein Eisverkäufer. Der Eismann schenkt mir ein Pistazieneis. Ich frage mich, ob er nett sein will oder Mitleid hat. Vielleicht beides.
Woche acht: Die Zeit ist wie im Flug vergangen. Ich interviewe eine Rockband. Ganz allein. Am Anfang hätte ich mich dafür nicht im Stande gehalten. Neben journalistischen Kenntnissen habe ich im Praktikum gelernt, mir selbst mehr zuzutrauen. Es half mir, ab und zu ins kalte Wasser geworfen worden zu sein. Eines Abends nach Feierabend sagt meine Mutter zu mir: „Du siehst erwachsener aus.“ Und so fühle ich mich auch.
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