Nicht nur unter praktizierenden Christen ist es verbreitet, in der Fastenzeit auf etwas zu verzichten – meist auf ein kleines oder größeres Laster, das einem selbst oder der (Um)Welt nicht wirklich gut tut. Auch für mich stand es außer Frage, ob ich fasten würde – über das Was machte ich mir hingegen schon mehr Gedanken: Meine Ernährung würde ich, abgesehen von Unmengen an Süßigkeiten, als überdurchschnittlich gesund bezeichnen, und mein Konsumverhalten ist im Großen und Ganzen durch Maß und Nachhaltigkeit geprägt. Und da das Fasten schließlich nicht in Selbstkasteiung ausarten soll, sah ich keinen Grund, auf diverse „Grundnahrungsmittel“ wie Schokolade, Fleisch oder Alkohol zu verzichten. Stattdessen entschied ich mich dafür, mich des blauen Wunders meiner Generation zu enthalten: Facebook.
Wenn Entspannung in Zeitverschwendung ausartet
Ein Problem kennen wohl viele junge Menschen: Man checkt kurz, ob man eine wichtige Nachricht erhalten hat, dann, was es sonst noch so Neues gibt, oder schaut sich schnell ein paar Fotos von Freunden an… Und dann sind plötzlich zwei oder drei Stunden vergangen und der nächste Termin steht an. Ich persönlich hatte oft zur Entspannung den Computer eingeschaltet, so wie andere (früher) den Fernseher, und oft war die intensive Nutzung des Social Networks dann auch an übermäßigen Konsum von Süßigkeiten gekoppelt. Zum Kochen war es dann aufgrund des Zeitverlusts auch zu spät. Und auf regelmäßige Mahlzeiten zu verzichten ist definitiv nicht zu empfehlen, ganz unabhängig davon, ob gerade Fastenzeit ist oder nicht.
Erstaunlicherweise fiel mir der Verzicht bei Weitem nicht so schwer, wie ich gedacht hatte. Zumindest erwies sich die Befürchtung, dass ich die gewonnene Zeit schlicht und einfach auf anderen Websites verbringen würde, als unbegründet. Im Gegenteil: Ich fuhr meinen PC nur noch alle zwei bis drei Tage hoch – um E-Mails zu checken reicht das allemal, und, tja, einen anderen Anreiz hatte ich nun ja nicht mehr.
Hilfe, wie kommuniziere ich???
Allerdings ist Facebook natürlich kein reines Teufelswerk, sondern hat auch Vorteile: Man kann weltweit mit einer großen Menschenmenge allgemeine Informationen und mit einer kleineren, bis hin zum Individuum, Privatnachrichten austauschen. Tatsächlich bestand die größte Herausforderung in der Fastenzeit für mich darin, mit anderen Leuten zu kommunizieren – viele meiner Freunde tun dies nämlich fast ausschließlich über das soziale Netzwerk. Schließlich hat ja ohnehin jeder eine Internetflatrate. SMS hingegen kosten, vom Telefonieren ganz zu schweigen. Zwar habe ich von allen Leuten, mit denen ich auch in der Realität Zeit verbringe, wenigstens E-Mail-Adresse oder Telefonnummer, allerdings stand ich zwischendurch mindestens einmal vor dem Problem, wie ich sie auf Veranstaltungen hinweisen sollte, vorzugsweise mit bunten Bildern und Anfahrtsskizze.
Nun, irgendwie hat das auch über Mundpropaganda ganz gut funktioniert. Oder vielleicht fühlen sich manche durch persönliche Einladungen gar irgendwie moralisch dazu verpflichtet, sich wenigstens zu melden. Insofern kann ich nur empfehlen, Kontaktdaten (und Geburtstage!) von engen Freunden irgendwo schriftlich festzuhalten – am besten auf einem Blatt Papier oder in einem Notizbuch, dann kann man auch noch darauf zugreifen, wenn das Handy den Geist aufgibt.
Gefühlt hatte ich eigentlich nichts verpasst
Voller guter Vorsätze wollte ich ursprünglich sogar an den Sonntagen, die bekanntlich von der Fastenzeit ausgenommen sind, auf Facebook verzichten, um ausgerechnet diese „heilige“ und freie Zeit nicht vor dem PC zu vergeuden. Nach achtzehn Entzugstagen erlag ich dann aber doch noch der Versuchung, und zwar aus demselben Grund wie in der Zeit vor Aschermittwoch auch meistens: Ich war erschöpft und wollte mich nach vielen Stunden der Konzentration bei mehr oder minder seichter Unterhaltung entspannen. Dank regelmäßiger E-Mails vom Netzwerkbetreiber hatte ich bereits mitbekommen, dass ich haufenweise Benachrichtigungen und wahrscheinlich noch einiges anderes verpasste. Empfunden habe ich das jedoch nicht so.
Ich scrollte ein bisschen herum und las zwei oder drei interessante Artikel, die Bekannte von mir seit dem Vortag gepostet hatten – der Drang, die Posts weiter zurück zu verfolgen, blieb jedoch aus. Meine ungelesenen Nachrichten beantwortete ich auch nicht – muss ja keiner glauben, dass ich wieder rund um die Uhr digital erreichbar bin, nur weil mich an einem Sonntag die Neugierde überkam! Und auch als die vierzig Tage am Ostersonntag endlich vorbei waren, ging es mir angesichts meiner ehemaligen Lieblings-Homepage ähnlich: Das Netzwerk versprüht einfach nicht (mehr) genug Charme, um mich länger als für ein paar Minuten in seinen Bann zu ziehen.
Fazit: Es gibt außer Facebook noch jede Menge anderer Möglichkeiten, mit seinen Freunden zu kommunizieren. Und ich hatte in den letzten Wochen allemal genug Zeit für persönliche Treffen mit nicht-virtuellen Gegenübern. Solche Momente sind in der ach so stressigen Postmoderne wahrscheinlich fast schon Gold wert.
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