Frankreich ist nicht gerade als Paradies für die tierproduktfreie Küche bekannt – im Gegenteil. Die gute Nachricht: Auch für Veganer*innen gibt es mehr als Baguette und Salat. Mit etwas Vorbereitung lassen sich leckere Alternativen zu Käse, Cordon Bleu und Ähnlichem finden, nicht zuletzt da das Angebot stetig wächst.
Neugier, gastronomische Experimentierfreude, Respekt für Tiere, Umweltschutz oder eine bessere Gesundheit – auch in Frankreich bewegen diese Gründe immer mehr Menschen zu einem Leben ohne Tierprodukte. Dazu gehören bei der Ernährung ein Verzicht auf Fleisch und Fisch, Milchprodukte, Honig, Gelatine und bei einem veganen Lebensstil außerdem das Ablehnen von Leder, Wolle, Pelz, Bienenwachs und mehr.
Ich selbst lebe seit 2013 vegan, war also längst nicht mehr in der Umgewöhnungsphase, als ich zwischen 2016 und 2019 insgesamt fast zwei Jahre in Frankreich verbrachte. Obwohl der Vegan-Trend in Frankreich noch nicht ganz so viel Aufschwung erlebt hat wie in Deutschland, entdecken Unternehmen und Restaurants eine neue profitable Zielgruppe. Im Folgenden möchte ich von meinen eigenen Erfahrungen sowie Tipps und Tricks berichten, die das vegane Leben in Frankreich vereinfachen können.
Metropolregionen vs. ländliche Regionen
In Metropolregionen wie Paris, Lyon oder Marseille ist es leicht, rein vegane Restaurants und Cafés ausfindig zu machen. Besonders empfiehlt sich dazu die App oder Website „HappyCow“, die alle veganen gastronomischen Adressen der Welt auflistet – dazu gibt man die gewünschte Stadt ein und es sollten alle veganen, vegetarischen oder auch vegan-freundlichen Restaurants angezeigt werden. In Paris gibt es aktuell mehr als 70 rein vegane Lokale. Wer in der Hauptstadt lebt, kann sogar den rein veganen Supermarkt „Un Monde Vegan“ besuchen und findet dort alles, was das Herz begehrt – von Fischstäbchen-Nachahmungen über Sojasahne bis hin zu veganem Snickers und Bounty. Als ich eineinhalb Jahre in Lyon lebte, eröffneten regelmäßig neue rein vegane Lokale, aus der Fast-Food-Sparte sowie der gehobenen Küche, was ich natürlich äußerst begrüßenswert fand.
Kleinere Städte und ländliche Regionen in Frankreich sind bei weitem nicht so vegan-freundlich. Dort wird man zahlreiche Restaurants finden, die sich der traditionellen französischen Kulinarik verschrieben haben und vermutlich für Veganer*innen nur Pommes (pommes frites) oder Salat anbieten können. Sogenannte bouchons sollten vegan lebende Personen in jedem Fall vermeiden. In diesen Restaurants, die es beispielsweise in der Lyoner Altstadt gehäuft gibt, weht einem der Geruch von verarbeitetem Fleisch und Fisch noch mehr um die Nase als anderswo – selbst Vegetarier*innen kommen nicht wirklich auf ihre Kosten.
Nein zu Käse und Wein?!
Ein essenzieller Bestandteil französischer Lebensart ist selbstverständlich Käse (fromage). Den Französinnen und Franzosen ist ihr Käse so wichtig, dass sie sich sehr bemühen, authentische pflanzliche Alternativen zu erschaffen. So gibt es in Paris eine Käsemanufaktur, die statt fromage pflanzlichen fauxmage (ein Neologismus mit faux für „falsch“) herstellt: „Jay&Joy“. Auf Basis von Cashewkernen oder Mandeln reifen diese runden Kreationen mehrere Tage lang heran, sodass es wie bei tierischem Käse zu einer Fermentation kommt. Auch auf Basis von Kokosöl, Soja oder Ähnlichem können Käse-ähnliche Produkte produziert werden. Solche Käse-Alternativen finden sich vor allem im Bioladen.
Keine Sorge, auch den guten französischen Wein gibt es in der rein veganen Variante. Handelsüblicher Wein wird schließlich mit tierischer Gelatine geklärt, ohne dass die Hersteller es deklarieren müssen. Ich weiß zwar, dass nicht alle Veganer*innen die vegan-Frage bei Alkohol so eng sehen, doch wer ausschließlich veganen Alkohol trinken möchte, sollte auf der Website „Barnivore“ kontrollieren, ob die jeweilige Alkoholmarke oder das jeweilige Getränk rein pflanzlich ist. Die meisten Biere sind im Übrigen vegan, sodass man dabei auf der sicheren Seite ist. Bei traditionellem Wein aus Trauben oder bei Apfelwein ist dies leider anders.
Im Supermarkt: Zutaten checken!
Während meiner drei Studiensemester in Lyon wusste ich nach einiger Zeit, in welche Supermärkte ich gehen musste, um vegane Schokolade, Kekse, Margarine, Milch, Pesto und mehr zu finden. Zu Margarine wird bei vielen Marken beispielsweise Butterreinfett zugesetzt. Je größer der Supermarkt, desto höher die Erfolgschancen: Ein riesiger hypermarché ist also praktischer als ein normaler supermarché. Was mich in Frankreich begeistert hat, ist die riesige Auswahl an gekühlten veganen Nachtischen von Pudding über Joghurt hin zu mousse au chocolat. Überwiegend werden sie auf Sojabasis hergestellt; es empfiehlt sich also, das Soja-Sortiment im Kühlregal ausfindig zu machen. Inzwischen gibt es immer mehr Eissorten sowie Croissants und Schokobrötchen ohne tierische Bestandteile, wenn auch nicht frisch gebacken.
Nicht alle Produkte sind in Frankreich als vegan ausgezeichnet, daher lohnt sich ein Blick auf die Zutatenliste. Ein paar wichtige Vokabeln lauten: lait (Milch), œuf (Ei), gélatine (Gelatine), cire d’abeille (Bienenwachs), miel (Honig), carmine (roter Farbstoff aus Läuseweibchen) und natürlich viande (Fleisch) sowie poisson (Fisch). Im Übrigen unterscheidet die französische Sprache zwischen végan/vegan für den Lebensstil und végétalien für die Ernährung (engl. plant-based).
Datteln und Hummus, die Retter in der Not
Unter Veganer*innen gibt einen Dattel-Kult, den die Mehrheitsgesellschaft in diesem Ausmaß wohl kaum teilt. Ich selbst esse die getrockneten schwarzen Köstlichkeiten äußerst gern als Alternative zu Süßigkeiten, füge sie zum Müsli hinzu oder nehme sie mit, wenn ich eingeladen bin oder einen Tagesausflug mache. Ein Tipp, den wohl die meisten Veganer*innen kennen, lautet: Immer ein paar Datteln mitnehmen, falls man nicht sicher ist, etwas Veganes zu essen zu finden. Beispielsweise kann dies für Wanderungen, Geburtstagseinladungen und Reisen gelten. Datteln haben einen sehr hohen Kaloriengehalt, sättigen und zergehen nahezu auf der Zunge. In Frankreich bin ich regelmäßig zu „orientalischen“ Lebensmittelgeschäften gegangen, um mich damit einzudecken.
Für die regelmäßig stattfindenden Apéros, also Abende mit Getränken, Baguette und anderen Snacks, bereitete ich in Frankreich meist Hummus zu. Gemüse-Aufstriche (tartinades oder pâtes à tartiner), die sich auch als Dips verwenden lassen und die wir aus Deutschland kennen, gibt es hauptsächlich in Bioläden – in kleiner Auswahl zu hohen Preisen. Die bessere Alternative ist also Hummus. Dazu mischt man Kichererbsen, ein bis zwei Löffel Sesampaste (Tahin), Zitronensaft und Gewürze, entweder in einem Standmixer oder mit einer Gabel (weniger empfehlenswert). Und schon hat man eine Menge Dip für Baguette!
Veganer Urlaub an der Atlantikküste
Für Urlaub in Frankreich (s. Titelbild) kann ich jeder Person das traumhafte „Vegan Surf Camp“ im südfranzösischen Moliets-et-Maa ans Herz legen. Es ist Teil des großen Campingplatzes „La Cigale“ in fußläufiger Entfernung zum Atlantischen Ozean. Dort habe ich im Sommer 2019 vier Wochen als Freiwillige verbracht, sodass ich kostenlos im Zelt übernachten, an mehreren Yogakursen pro Tag teilnehmen, jederzeit surfen gehen und mich am riesigen veganen Buffet bedienen durfte. Im Gegenzug müssen Freiwillige an ein paar Stunden pro Tag Gemüse schneiden, den Abwasch machen, die Rezeption oder Bar betreuen und hin und wieder putzen – dabei ist man aber meist mit anderen Freiwilligen gemeinsam eingeteilt, hört laut Musik und plaudert nett. Dafür kostenlos Urlaub zu machen lohnt sich also allemal, schließlich ist jeder Tag lang genug zum Beachvolleyballspielen, Entspannen, Yogamachen und Surfen (lernen). Ich habe mich mit allen Mit-Freiwilligen sehr gut verstanden und einige sind zu guten Freund*innen geworden. Selbst unter den Gästen des Camps, die meist nur eine Woche bleiben und nicht selten allein anreisen, bilden sich sehr schnell Freundschaften.
Frisch und vorgekocht
Besonders wer in Frankreich lebt, sollte frische Lebensmittel auf einem der zahlreichen Wochenmärkte einkaufen – günstiger geht es kaum. In Lyon ging ich nahezu jeden Samstag auf den Wochenmarkt, um mich für ungefähr 15 Euro mit allerlei Salaten, Gemüsesorten und Obst für ein bis zwei Wochen einzudecken. Dort empfiehlt es sich, eigene Stoffbeutel und -taschen mitzubringen, da man sonst an jedem Stand eine Plastiktüte gereicht bekommt. Aus Bio-Landwirtschaft stammen die meisten Lebensmittel dort allerdings nicht. Dafür bieten Bioläden wie „La Vie Claire“, „Biocoop“ oder „Naturalia“ eine immense Auswahl an veganen Lebensmitteln an. Bioläden sind immer eine gute Adresse für verschiedene Tofu-Sorten, pflanzliche Milch und ähnlichen Alternativprodukten sowie gesunde Lebensmittel wie Nüssen und Samen. Für Tofu sollen auch Asialäden eine gute Alternative darstellen; Ich selbst habe ihn dort allerdings nie gekauft.
Für meine Tage in der Uni in Lyon habe ich mir stets eine Brotdose mit selbst gekochtem Mittagessen mitgenommen. Im Resto‘U (Restaurant universitaire), der Mensa, gibt es vermutlich auch eine kleine Auswahl an veganen Salaten; auf Hauptgerichte kann man nicht hoffen. Ich persönlich habe dort in Lyon nur ein einziges Mal gegessen. Vorkochen spart schließlich viel Geld und alle meine deutschen Kommiliton*innen haben ebenfalls zuhause vorgekocht.
„Gleichgesinnte“ finden
Wer einen längeren Aufenthalt in der sogenannten „Grande nation“ plant, hat vielleicht Interesse daran, ein paar andere Veganer*innen zu treffen, und sei es nur für nette Picknicks. Viele meiner französischen Freund*innen in Lyon lernte ich durch Organisationen, Veranstaltungen oder Vereine mit Tierschutz- oder Veganismus-Bezug kennen. Dafür lohnt es sich, nach Facebook-Gruppen Ausschau zu halten, die es für viele Städte gibt – beispielsweise „Vegan Lyon“, wo man um Rat fragen kann, Event-Ankündigungen sieht und von Neueröffnungen oder neuen Produkten erfährt. So habe ich an veganen Picknicks und Apéros teilgenommen, Straßen-Aktivismus für mich entdeckt, mich im Verein für Tierschutz-Aufklärungsarbeit an meiner Uni engagiert und stand Menschen hinter Info-Ständen der Association Végétarienne de France Rede und Antwort. Nicht nur kann man so Kontakte knüpfen, sondern auch nach regionalen Tipps fragen. Wer viel Spaß an Aktivismus hat, kann sich unter anderem bei den Vereinen „L214“ oder „269 Life“ engagieren.
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