Über 4.000 Kilometer legt der Hamburger Ole Steiner jeden Monat mit dem Auto zurück. Deutschlands einziger professioneller Snookertrainer hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht und trainiert Spieler vom Anfänger bis zum Spitzenspieler.

Paff. Die rote Kugel klatscht an den Taschenrand und rollt auf die andere Seite des Tisches. “Snooker halt”, sagt Ole Steiner lächelnd. Im Vergleich zum Pool-Billiard ist der Tisch deutlich größer, die Kugeln viel kleiner und die Taschen noch schmaler, was das Lochen deutlich schwieriger macht.
Mehr als 450 Spieler hat der Hamburger schon an den Sport herangeführt und sich über die Jahre einen Namen in der Snookerbranche gemacht. „Ohne Anleitung ist Snooker so frustrierend, dass man es ein oder zwei Mal probiert und dann sein lässt”, erklärt der 48-Jährige. Ein Problem, denn es gibt kaum Trainer in Deutschland. In den meisten funktionierenden Vereinen sind es erfahrene Spieler, die versuchen, den Anfängern den Einstieg in den Sport zu erleichtern.
Steiner trainiert Spieler aus allen Ecken Deutschlands und ist daher ständig unterwegs. „Es ist nicht ungewöhnlich, dass ich um 22 Uhr ins Auto steige und dann noch 400 bis 500 Kilometer vor mir habe”, erläutert der Snookertrainer. Dabei ist auch ein großes organisatorisches Talent gefragt, um nicht für jedes Training die komplette Strecke anreisen zu müssen. Meist versucht er die Termine in einer großen Rundreise über sieben oder acht Städte zu verbinden. Eine seiner aktuellen Touren führt ihn dabei unter anderem über Rheda-Wiedenbrück bei Gütersloh, Köln und Frankfurt bis nach München und von dort über Ingolstadt und Coburg wieder zurück nach Hamburg. Meist übernachtet er in Hotels oder bei Bekannten.
Alles begann in einem vollen Restaurant
„Mein Lebensmittelpunkt ist ein bisschen schwammig definiert”, sagt Steiner lachend. „Aber in der Summe bin ich am meisten noch in Hamburg.” Dort ist er nicht nur geboren und aufgewachsen, sondern kam auch erstmals mit Snooker in Kontakt. In einem vollen Restaurant wurde Steiner vor über 20 Jahren zufällig an denselben Tisch wie der Organisator einer Spielgemeinschaft gesetzt. Schon zuvor hatte der Hamburger einige Male Snooker im Fernsehen verfolgt und auch schon einmal ausprobiert. Die beiden Männer kamen ins Gespräch und Steiner wurde eingeladen, im Billard-Café Trio vorbeizuschauen. Ein paar Wochen später trat Steiner der Spielgemeinschaft bei und lernte dort die Grundlagen des Spiels vom ehemaligen Deutschen Meister Markus Drude.
Als 1999 die Zusammenarbeit zwischen Drude und der Spielgemeinschaft endete, benötigten sie einen neuen Trainer. „Uns war immer klar, um Leute an Snooker heranzuführen, muss man jemanden haben, der einen die ersten Schritte führt“, erinnert sich der Hamburger der das Training übernahm. Schnell merkte er, dass ihm die Arbeit als Trainer Spaß bereitet und er sich dabei auch selbst weiterentwickelt.
Zwei Jahre später beschloss die Spielgemeinschaft, einen eigenen Verein zu gründen. „Die Konditionen im Billard-Café wurden zu teuer für jemanden, der viel spielen wollte”, erläutert Steiner. „Wir haben uns dann mit dem Ziel gegründet, ein eigenes Vereinsheim zu schaffen.” Die ersten neun Jahre war Steiner Vorsitzender des SC Hamburg und dabei maßgeblich am Aufbau beteiligt. Aus eigener Tasche finanzierten die Gründungsmitglieder vier Snookertische und die Miete für einen Raum. „Das war eine sehr knappe Kalkulation, aber der Wille der Mitglieder war die Versicherung, dass es funktioniert”, berichtet er von den schwierigen Anfängen.
Der Weg zum Snookerclub im Stadtteil Barmbek führt durch eine große Einfahrt vorbei an zahlreichen LKWs vor dem Haus der Hamburger Tafel. Hinter der Hamburger Tafel befindet sich ein Gebäudekomplex. Gemeinsam neben etlichen Unternehmen, die im Gebäude ansässig sind, steht auf einem weißen Schild: 1.OG Snookerclub Hamburg. Aus dem Treppenhaus gelangt man in einen schummrigen Flur, der plötzlich in einen Raum mündet, der große Ähnlichkeiten mit einer Kneipe hat. Rechts befindet sich ein Tresen, daneben ein kleiner Raucherraum. Auf der linken Seite stehen hinter einer durchsichtigen Scheibe mehrere Snookertische.
Mit dem Beginn der Übertragungen von Eurosport wurden mehr Menschen auf Snooker aufmerksam. „Wir hatten hier einen Tag der offenen Tür mit 250 bis 300 Interessierten“, erzählt Steiner. Doch der Reiz des Neuen ebbte schnell ab. Nur etwa 4.000 aktive Snookerspieler nehmen in Deutschland am Spielbetrieb teil. Der SC Hamburg hat mittlerweile knapp über 80 Mitglieder und belegte in der vergangenen Saison in der zweiten Bundesliga den zweiten Platz. Im Juni verpassten die Hamburger in der Relegation knapp den Bundesliga-Aufstieg. Der beste Spieler des Vereins ist Robin Otto, mit dem Steiner eng zusammenarbeitet. Zuletzt vertrat Otto auch die deutsche Nationalmannschaft bei der Team-Europameisterschaft in Albanien und erzielte dort gemeinsam mit dem Hannoveraner Felix Frede einen starken dritten Platz.
Die Arbeit mit Spitzenspielern fordert Steiner auf eine andere Weise als das Heranführen an Snooker. Während beim Anfängertraining fast ausschließlich technische Fähigkeiten im Fokus stehen, geht es bei Spitzenspielern um den Aufbau eines Breaks, die Situationsanalyse, aber auch Themen wie Ernährung. „Man kann auch mit massivem Übergewicht in der Weltspitze landen, aber selbst die Übergewichtigen werden nicht das fettige Mahl direkt vor dem Match essen“, erläutert Steiner.
Schon früh hatte Steiner den Gedanken, sich zu professionalisieren. Doch lange Zeit gab es keine Möglichkeit, vom Weltverband als Trainer anerkannt zu werden, ohne selbst Profispieler gewesen zu sein. „Als sich World Snooker dann für externe Trainer öffnete, habe ich sofort zugegriffen“, sagt er grinsend. 1.000 Pfund investierte der Hamburger, um gleich am allerersten Kurs in Sheffield teilnehmen zu dürfen. Unter den Augen des sechsfachen Weltmeisters Steve Davis musste er seine Fähigkeiten beweisen. „Ich war es schon gewohnt vor Menschen zu sprechen, aber vor Steve Davis fehlte mir im ersten Moment die Stimme“, erinnert sich Steiner. „Dann habe ich einfach einmal tief durchgeatmet und das Lampenfieber war wieder weg.“
Der Umgang mit Drucksituationen ist auch ein wichtiger Aspekt beim Snooker, an dem Steiner beim Training mit seinen Spielern arbeitet. Zwar ist der Hamburger kein Sportpsychologe, aber er beherrscht kleinere psychologische Tricks und kann durch simple Übungen, zum Beispiel im Bereich der Atemtechnik, seinen Spielern dabei helfen, in kritischen Spielsituationen die Ruhe zu bewahren.
Nur ein Jahr nachdem Steiner als World Snooker Coach anerkannt wurde, kündigt er seinen Job bei einer Computerfirma und finanziert sich von da an ausschließlich über seine Arbeit als Trainer. „Es ist ein steter Kampf”, sagt Steiner zur finanziellen Situation. Aber er lohnt sich, um sein Hobby als Beruf ausführen zu können. Sein Blick ist auf einen seiner Schüler gerichtet. Ohne auf den Tisch zu gucken, stößt er. Die weiße Kugel trifft die Rote, welche sich genau in Richtung der Tasche bewegt. Ein leises Klacken verrät ihm, dass er sein Ziel getroffen hat. Mit viel Erfahrung kann Snooker auch ganz einfach sein.
Stichwort Snooker

Snooker ist eine Variante des Billards, welche sich vor allem in Großbritannien großer Beliebtheit erfreut. Dort ist sie sogar nach Fußball die Sportart, welche die besten Einschaltquoten bei Sportübertragungen erzielt. Ein Snookerspiel besteht aus einer festgelegten Anzahl an Frames, die vergleichbar mit den Sätzen im Tennis sind.
Die Kugeln auf dem Tisch haben verschiedene Wertigkeiten. Das Lochen einer der fünfzehn roten Kugeln gibt dabei am wenigsten Punkte – nämlich nur einen. Am wertvollsten ist die schwarze Kugel, für die der Spieler sieben Punkte bekommt.
Bevor eine Kugel mit einer hohen Wertigkeit angespielt werden darf, muss immer erst eine rote Kugel gelocht werden. Solange noch rote Kugeln auf dem Tisch sind, werden die sogenannten farbigen Kugeln nach dem Lochen immer wieder auf ihren Ausgangspunkt, der Spot genannt wird, zurückgelegt. Wenn alle roten Kugeln versenkt wurden, beginnt das Spiel auf die Farben. Dabei müssen die Kugeln der Reihenfolge der Wertigkeit nach, von zwei (gelb) bis sieben (schwarz), gelocht werden.
Um einen Frame zu gewinnen, braucht ein Spieler eine höhere Punktzahl als sein Gegner. Das Ziel des Spiels ist es deshalb, möglichst lange und hohe Serien zu spielen, um selbst so viele Punkte wie möglich zu sammeln und dabei dem Gegner keine Gelegenheit zu geben, selbst Bälle zu lochen. Eine solche Serie wird Break genannt.
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