Wenn die Abgeordneten sich gegen eine klare Orientierung entscheiden, dürften bald nach dem 06. November Menschen in Deutschland legal und straffrei eingeschläfert werden, wenn sie sich für lebensunwert halten. Und das alles nur eingeschränkt durch die Auflage, dass die “Hilfe” zur Selbsttötung nicht kommerziell sein darf. Wenn sich nicht in letzter Minute was ändert, wird die Schlagzeile dieses Artikels also sehr bald bittere Realität! Ein Kommentar.
Am 06. November legen die Abgeordneten im Deutschen Bundestag fest, ob sie sich bei der Neuregelung des § 217 StGB für oder gegen den assistierten Suizid, auch Tötungsbeihilfe genannt, entscheiden. Dann dürften Ärzte und Angehörige straffrei das Einschläferungsmittel aufs Nachtkästchen stellen. Eine gefährliche Alternative zu den Antidepressiva, die die meisten suizidwilligen Personen unter anderem bräuchten. Wer dann das Gift nicht mehr selbst einnehmen kann, wird klagen und wenig später wird den Ärzten erlaubt werden, aktiv und sicher mittels Spritze für den schnellen und frühzeitigen Tod zu sorgen. Wer den assistierten Suizid erlaubt, bekommt stets die aktive Sterbehilfe, die Euthanasie.
Wie ist die Situation in Berlin?
Drei von vier Gesetzentwürfe wollen die Beihilfe zur Selbsttötung erlauben. Nur der Gesetzentwurf von Patrick Sensburg, Thomas Dörflinger und Hubert Hüppe (alle CDU) fordert, dass es strafbar ist, wenn man einem Dritten ein Tötungsmittel anbietet oder besorgt. Diese Strafbarkeit würde für alle gelten: Für Sterbehilfevereine, geschäftsmäßige Sterbehelfer (die man besser Tötungshelfer nennen sollte), Ärzte und Angehörige. Momentan gilt der Gesetzentwurf von Michael Brand (CSU), Kerstin Griese (SPD) und Michael Frieser (CSU) als mehrheitsfähig und als „Weg der Mitte“, doch diese Bezeichnung trügt. Denn der Entwurf von Brand/Griese/Frieser will die Beihilfe zum Suizid lediglich für Sterbehilfevereine oder für geschäftsmäßige Sterbehelfer verbieten. Jedoch wäre der assistierte Suizid den Ärzten und Angehörigen im „Einzelfall“ erlaubt. Ohne Nennung von Gründen. Die Entwürfe von Peter Hintze (CDU) und Renate Künast (Grüne) wollen ebenfalls eine grundsätzliche Freigabe der Tötungsbeihilfe.

Die Frage, wie denn künftig ein Arzt oder Verwandter den schnellen, schmerzfreien Tod organisieren soll, wird dabei totgeschwiegen. Momentan ist in Deutschland das Einschläferungsmittel Pentobarbital, das bei der Selbsttötung bei Exit in der Schweiz verwendet wird, nur zum Einschläfern von Tieren erlaubt. Wenn also ab 6.11.2015 die Tötungsbeihilfe erlaubt sein wird, muss in der Folge dann ganz klar auch das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) geändert werden. Der Gesetzentwurf von Sensburg/Dörflinge/Hüppe hätte aktuell keine Chance. Das verwundert. Denn das Verbot der aktiven Sterbehilfe und Tötungsassistenz gilt in Europa in sehr vielen Ländern. Im September hatten die Abgeordneten in Großbritannien einen fast identischen Verbotsantrag der Tötungsbeihilfe beschlossen. In Österreich wurde das Verbot bereits 2014 erneut bestätigt. Immerhin sind 200 Angeordnete in Berlin noch unentschlossen und etliche Parlamentarier hinterfragen angeblich immer mehr, ob denn nicht doch das grundsätzliche Verbot der Tötungsbeihilfe zu befürworten wäre. Denn die Argumente für ein Verbot überzeugen!
Warum kann nur ein Verbot des assistierten Suizids richtig sein?
Wenn der junge Hans seiner Oma Gerda (Namen frei erfunden), die nach dem Ableben Ihres Ehemannes vor einigen Jahren und durch die berufliche Selbstständigkeit ihrer Kinder sehr alleine und daher nicht mehr lebensfroh ist, vorschlägt, dass er ihr ein Mittel besorgen könne, durch das sie ruhig einschlafe und dann bei Opa sei, dann ist das ab dem 6.11.2015 für wer weiß wie lange nicht nur legal, sondern staatlich ausdrücklich genehmigt. Denn die Oma wollte das ja so. Solange Oma Gerda das Mittel selbst zu sich nimmt und der junge Hans oder ihr Arzt es ihr nicht einflöst, ist diese Methode der Sterbehilfe übrigens aktuell bereits legal, was bisher jedoch über 90% der Bürger für illegal hielten. Dies könnte sich mit dramatischen Folgen bald ändern.
Desinformationen verunsichern viele
Manche Antworten von Abgeordneten aus dem Bundestag auf persönliche Anfragen und Mails von besorgten Bürgern verwundern. „Was wollen Sie denn, wir verbieten doch die geschäftsmäßigen Sterbehelfer und schützen doch so die Bürger“ heißt es dann sinngemäß. Ein anderes Mal wird dann gesagt, dass ein Verbot der Tötungsbeihilfe die Ärzte behindern würde, Schwerkranken höhere Dosierungen von Morphinen geben zu dürfen. Der führende Suizidforscher Prof. Armin Schmidtke hat deswegen gemeinsam mit anderen Engagierten Informationskarten an alle Abgeordneten senden lassen (Foto oben). Erst wenn man sich einige „sideeffects“ des vermeintlich guten Brand-Entwurfes genau ansieht, wird klar, wie gefährlich dieser ist. Das gleiche trifft auch im Grundsatz zu auf die Entwürfe von Peter Hintze und Renate Künast:
• Angehörige wie der junge Hans würden straffrei zum Assistenten einer Selbsttötung.
• Wenn Oma Gerda tot im Bett liegt, weiß niemand, ob sie freiwillig und wissentlich ihr tödliches Mittel getrunken hat.
• Wenn einer auf der Brücke oder dem Hausdach stünde und man würde sagen „spring doch“, bliebe man straffrei, solange man nur kein beruflicher Sterbehelfer ist. Wir bekämen nach und nach eine „Normalisierung“ des Suizids.
• Polizisten, Ärzte und Feuerwehrmänner, die sich als Lebensretter verstehen, dürften in jenen Fällen, in denen sich jemand „selbstbestimmt“ töten will, rechtlich betrachtet nicht eingreifen und kämen in Konflikt mit ihrem Berufsethos.
• Die Suizidforschung weiß, dass über 90 Prozent der Menschen, die sich selbst töten wollen, in einer depressiven und sehr verzweifelten Situation sind. Sie brauchen echte Hilfe anstatt ein Tötungsmittel.
Weiterer Überblick einiger Kurzfakten zum Wachrütteln:
• Der Begriff „Sterbehilfe“ ist unscharf. Viele meinen, dass sie dadurch schmerzstillende Mittel bekommen oder in ein Hospiz gehen könnten. Das ist die passive Sterbehilfe. Die ist von dem neuen § 217 StGB nicht betroffen.
• Ein Suizid ist immer ein Drama, eine Verzweiflungstat. Zwischen 6 und 23 Leute sind von einem Suizid unmittelbar mitbetroffen und leiden dadurch. Ein Suizidwilliger (der meist vorwiegend depressiv ist) kann nach einer – übrigens in den allermeisten Fällen erfolgreichen – Therapie seinen eigenen Suizidwunsch häufig selbst gar nicht mehr nachvollziehen.
• Rund 3.000 tödliche Verkehrsunfälle in Deutschland. Starke Unfallprävention in Deutschland.
• Dreimal so viele Suizide in Deutschland (10.000/Jahr). Zu wenig Suizidprävention.
• Viele Bürger wollen Sterbehilfe aus Angst vor Schmerzen und Einsamkeit erlauben lassen, würden diese selbst aber nie beanspruchen. Wenn sie dann wirklich schwer krank sind, bevorzugen sie echte Hilfe statt ein Tötungsmittel.
• Wenn sich künftig jemand im Familienkreis selbst tötet und Beihilfe legal ist, liegt es nahe, dass sich Familienmitglieder gegenseitig verdächtigen, ob nicht jemand den Erblasser zum Selbstmord getrieben haben könnte. Eine Spaltung in der Familie.
• Der Satz „ich will nicht mehr leben“ bedeutet immer: „Ich will SO nicht mehr leben“, was zeigt, dass wir mehr Geld in leidvermindernde Palliativmedizin und Hospize sowie in einen menschlichen Umgang mit sterbenskranken Patienten investieren sollten! Es ist durchaus zeitintensiv und anstrengend, mit-zu-leiden. Doch was ist die Alternative?
• Was ist mit der Selbstbestimmung? Die Befürworter der Sterbehilfe sprechen gerne von Selbstbestimmung. Aus der Suizidforschung wissen wir, dass die meisten, auch schwerkranke Menschen mit Suizidwunsch, Depressionen haben und damit eben nicht selbstbestimmt handeln. Wer Pflege braucht und intensive Versorgung, hat ein reduziert selbstbestimmtes Leben und eher die Sorge, für andere eine Belastung zu sein.
Die Fälle, in denen etwa ein vom Kopf weg gelähmter Patient oder ein final krebskranker Mensch sich den schnellen, frühzeitigen Tod wünscht, gibt es. Doch ist es „kaltherzig“, diesen Menschen nicht den Todescocktail zu reichen und stattdessen die Suche nach Alternativen zum Selbstmord nicht aufzugeben? Sollten wir alle hier nicht helfen und mit-leiden und alles tun, damit – wie im Kinofilm „Ziemlich beste Freunde“ – auch dieser Mitmensch trotz allen Einschränkungen Lebensfreude hat? Hospizmitarbeiter berichten, dass nach Schmerzlinderung und guter Versorgung der Suizidwunsch abnimmt und die kostbaren Stunden mit den Verwandten und Freunden gerne noch gelebt und erlebt werden.
• Die Angst, eine Belastung zu sein
Von der Legalisierung der privaten und ärztlichen Suizidbeihilfe wären immer alle und vor allem die schwächeren Bürger betroffen! Warum? Weil sich nach und nach der ältere oder nicht mehr richtig leistungsfähige Mensch fragen würde, ob er oder sie nicht der Familie oder dem Staat auf der Tasche liegen und vielleicht lieber einen sozialverträglichen Abgang machen sollte. Es käme also zu einem enormen sozialen Druck. In den Niederlanden lassen sich über 50 % der Suizidwilligen deshalb euthanasieren, weil sie Angst haben, eine zu große Belastung für ihre Liebsten zu sein. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird von heute 2,2 Millionen auf etwa 8 Millionen im Jahr 2030 ansteigen. Was ist dann, wenn wir uns dann alle an den assistierten Suizid gewöhnt haben?
Warum wir ein klares NEIN zum assistierten Suizid brauchen
• Die Gefahr des Missbrauchs gerade im privaten Umfeld ist besonders groß. Das kann auch kein noch so eng gefasstes Gesetz verhindern.
• Der Rechtfertigungsdruck auf alte und schwache Menschen, weshalb sie noch weiterleben wollen, würde enorm steigen.
• Die meisten europäischen Länder haben das Verbot der Beihilfe zur Selbsttötung. Erst im September haben die Abgeordneten in Großbritannien mit 330:118 Stimmen für ein klares Verbot der Suizidbeihilfe abgestimmt. David Cameron, der Premierminister sagte, er wolle die schwachen Bürger schützen und nicht die Türe zur Euthanasie öffnen. Vorbildhaft!
• An den Beneluxstaaten sehen wir, wohin der Weg gehen wird: Die Zahl der euthanasierten Menschen steigt jährlich beachtlich. Viele Menschen werden dort ohne ihre Einwilligung getötet. Die Hemmschwelle bei den Ärzten sinkt. Der Suizidwunsch bei den Menschen steigt.
• Das klare NEIN zum assistierten Suizid, zur Beihilfe einer Selbsttötung eines Dritten, lässt sich in dem lateinischen Appell zusammenfassen, den jede einzelne Leserin und jeder einzelne Leser und vor allem jedes Mitglied des Bundestages ernst nehmen sollte: Respice finem! Beachte die Folgen!
Jetzt noch aktiv werden
Es ist noch etwas Zeit bis zum 6.11.2015. Jeder kann Emails oder Briefe schreiben. Seine Freunde informieren. Es gibt gute Seiten im Internet und viele Informationen.
– Telefonnummern und Kontaktdaten findet man online und einige direkte Kontakte zu wichtigen Abgeordneten am Artikelende.
– Man kann auch jeden Abgeordneten kurz anrufen und die Inhalte der Anrufe werden den Abgeordneten von ihren Sekretärinnen und Sekretären verlässlich mitgeteilt!
– Man kann einen Appell an den Abgeordneten des Wahlkreises und/oder an wichtige Politiker in Berlin mit einem Appell für den Gesetzentwurf der Sensburg-Dörflinger-Gruppe schicken!
Nur ein grundsätzliches Verbot der Tötungsbeihilfe durch Vereine, Ärzte und Angehörige lässt unsere Gesellschaft auch künftig richtig miteinander leben. Die Engländer sagen: Care Not Killing! Wir sagen: Helfen statt töten! Nur der Gesetzentwurf von Sensburg/Dörflinger ist richtig!
Johannes Singhammer
Vizepräsident des Deutschen Bundestages
Deutscher Bundestag
Platz der Republik 1
11011 Berlin
E-Mail: johannes.singhammer@bundestag.de
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
Die Dienstnummer des jeweiligen Abgeordneten ist aus Datenschutzgründen hier nicht veröffentlicht, ist aber für uns Bürger leicht via Google zugänglich.
Und was denkst Du? Welcher Gesetzentwurf ist richtig? Schreib uns Deine Meinung in die Kommentare!
Das Institut für Gesellschaftswissenschaften Walberberg hat uns dabei geholfen, diesen Artikel zu finanzieren. Werft gerne einen Blick auf ihre Homepage: http://institut-walberberg.de/
Was für ein hetzerischer Unsinn. Der assistierte Suizid ist seit 1871 (!) in Deutschland legal, ohne dass es zu den lächerlichen Dammbruchszenarien der Kritiker gekommen wäre. Ärzte wie Uwe Christian Arnold betätigen sich seit Jahren in Deutschland als Sterbehelfer, ohne belangt zu werden. Demgegenüber wären mindestens drei der vier Gesetzesentwürfe eine Verschärfung der aktuellen Situation und eine Einschränkung der persönlichen Freiheit. Christliche Paternalisten könnten sich also im Grunde freuen, dass ihre Propaganda für den Zwang zum Weiterleiden so erfolgreich ist.
Auf lange Sicht hat der Paternalismus trotzdem keine Chance. Wer heute am Ende seiner Lebenserwartung steht, ist noch in sehr konservativen Zeiten sozialisiert worden. Aber in den nächsten Jahrzehnten werden Menschen ins Sterbealter kommen, die ihr ganzes Leben selbstbestimmt verbracht haben, und denen der christliche Aberglaube vollkommen gleichgültig ist. Diese Menschen werden sich von der Politik nicht vorschreiben lassen, wie sie zu sterben haben.
Herr Friedrich, es grenzt an Zeitverschwendung, Ihnen zu antworten, aber man muß Ihre Oberflächlichkeit entlarven. Sie wissen leider nicht, wovon Sie reden. Mir fällt nur ein: “mainstream-bla-bla”, aber Gott-sei-Dank sind Sie nicht der Adressat obiger Botschaften. “Christlicher Aberglaube” – klingt wie “weißer Schimmel”, daher selbsterklärend und jeglicher Versuch zu antworten, eben doch Zeitverschwendung. Für Sie kann man nur beten – der liebe Gott, den Sie ja nicht kennen wollen, wird Ihnen am Ende sicher auch ein Licht der Erläuchtung schenken. – Noch ein Satz zur Abstimmung: Wollen Sie, daß die aktive Beihilfe zum Sterben, ja töten, eine Art Selbstbedienungsoption sein soll? Was passiert, wenn das Rentensystem und die Krankenversicherung kollabieren. Vielleicht werden Ihre Eltern dann eines Tages von Ihren Nachbarn gefragt, ob es nicht Zeit wäre, abzutreten – so ‘ne Art “treten Sie doch dem Club der “freien Abgänger e.V.” bei. Abartig, diese Vorstellung. Aber genau dieser Klientel reden Sie das Wort und merken es offensichtlich nicht. Kranke, behinderte, schwache und alte Menschen verdienen unseren Schutz und keine – im Kern der Realität – egoistische Ellbogengesellschaft. Also, denken Sie nach, vielleicht kommt Ihnen das Licht schon früher. Ich wünsche es Ihnen.