Wer kennt es nicht: Die beiden Erzfeinde Gryffindor und Slytherin kämpfen im Quidditch um wichtige Punkte für ihre Häuser und schenken sich nichts. Aber was in den Harry-Potter-Romanen von J.K.Rowling so spannend klingt, ist ganz real – Quidditch erweist sich immer größer werdender Beliebtheit und wächst auch in Deutschland immer mehr. Wir haben mit Juliane Schillinger vom Deutschen Quidditchbund über die magische Sportart gesprochen.

Mit Quidditch kann wohl fast jeder etwas anfangen – aber wie wird es im realen Leben gespielt?
Quidditch im echten Leben funktioniert ganz ähnlich der Version im Harry-Potter-Universum, aber natürlich ohne fliegende Besen und Bälle. Ein Team hat sieben Spieler: drei Chaser (Jäger), die mit dem Quaffel Punkte erziehen, einen Keeper (Hüter) als Torwart, zwei Beater (Treiber), die andere Spieler mit Klatschern abwerfen und kurzzeitig aus dem Spiel nehmen, und einen Seeker (Sucher), der auf die Jagd nach dem Schnatz geht. Jedes Tor mit dem Quaffel durch einen der drei Torringe gibt 10 Punkte, der Schnatz ist 30 Punkte wert und beendet das Spiel.

Anders als im Roman ist der Schnatz natürlich kein kleiner fliegender Ball, sondern ein Tennisball in einer Socke, befestigt am Hosenbund eines neutralen Spielers. Und der rennt dann von den Suchern weg. Als zusätzliches Handicap muss jeder Spieler einen Besen zwischen den Beinen halten. Dabei handelt es sich allerdings nicht um handelsübliche Besen und Filmreplika, sondern um spezielle Sportbesen aus PVC und Aluminium ohne Borsten, oder (günstiger) handelsübliche PVC-Rohre aus dem Baumarkt. Wie in J. K. Rowlings Kreation ist Quidditch ein Sport, der in gemischten Teams gespielt wird. Zu diesem Zweck gibt es im Quidditch die „Gender Rule“, die besagt, dass pro Team zu jedem Zeitpunkt maximal vier Personen des gleichen Geschlechts auf dem Feld stehen dürfen.
Ein Alleinstellungsmerkmal ist außerdem der Vollkontakt-Charakter des Sports. Besonders im Quaffelspiel zwischen Chasern und Keepern kann es auf dem Feld ganz schön zur Sache gehen. Quidditch ist damit weltweit der einzige Vollkontakt-Sport, der bis hin zum internationalen Wettbewerb in gemischten Teams gespielt wird.
Wo hat das Quidditch, wie ihr es spielt, seinen Ursprung?
Die Quidditchregeln, nach denen wir und zahlreiche andere Länder weltweit spielen, haben ihren Ursprung 2005 in den USA. In Middlebury im Bundesstaat Vermont kam damals eine kleine Gruppe Studenten zusammen und suchte, zunächst als Spaßaktion in Ermangelung anderer Wochenendbeschäftigungen, nach Möglichkeiten, Quidditch ins echte Leben umzusetzen.
Seitdem wurden die Regeln mit jedem Jahr weiter angepasst und detaillierter ausgearbeitet – in der Saison 2016/17 wurde die zehnte Version des Regelwerks veröffentlicht. Zu Beginn wurde beispielsweise getreu der Romanvorlage noch mit Umhängen gespielt. Diese stellten sich aber schnell als Sicherheitsrisiko heraus; Vollkontakt und Umhänge um den Hals vertragen sich nicht gerade gut. So hat sich der Sport seit 2005 auch immer weiter professionalisiert und Abschied von Elementen genommen, die zwar im Hinblick auf die Harry-Potter-Herkunft nett sind, sportlich aber wenig Sinn ergeben.
Wie kam das Quidditch nach Deutschland und wie hat es sich hier entwickelt?
In Deutschland wird Quidditch seit Ende 2012 gespielt, ordentlich in Fahrt kam der Sport aber erst 2014. Damals gründeten zur gleichen Zeit mehrere Rückkehrer aus Auslandssemestern Teams in Berlin, Darmstadt, Frankfurt, Freiburg und Passau. Von dort ging es stetig aufwärts. Das bislang größte Wachstum von etwa zehn auf knapp 30 Teams kam rund um die Quidditch-Weltmeisterschaft 2016, die in Frankfurt ausgetragen wurde.
Seit Mitte 2014 wird Quidditch in Deutschland durch den Deutschen Quidditchbund koordiniert, der zum Beispiel die jährliche Meisterschaft organisiert und für die einheitliche Anwendung der Regeln sorgt. Mit der Saison 2016/17 findet in Deutschland auch erstmals ein Ligabetrieb statt, an dem 23 Teams deutschlandweit teilnehmen.
Wie viele Aktive gibt es etwa?
In etwa 35 Teams deutschlandweit zählen wir im Moment etwa 600 Aktive. Mannschaften können pro Spiel bzw. Turnier 21 Spieler im Kader listen, einige Teams sind allerdings bereits über diese Zahl hinaus gewachsen. Nordrhein-Westfalen ist einer der Hotspots des Quidditch in Deutschland. Das Bundesland beherbergt unter anderem den deutschen Meister 2016, die Rheinos Bonn, und war Vorreiter im Ligabetrieb. In NRW spielen aktuell zehn Mannschaften.
Wie erfolgreich ist die deutsche Nationalmannschaft?
Die deutsche Nationalmannschaft nimmt seit der Europameisterschaft 2015 am internationalen Wettbewerb teil. Dort war im Viertelfinale gegen den späteren Meister Frankreich Endstation. Bei der Weltmeisterschaft 2016 im eigenen Land wurden die Top 10 ganz knapp verfehlt, Deutschland landete auf Platz 11.
Im internationalen Vergleich hat sich Deutschland in den letzten zwei Jahren stetig verbessert und rangiert momentan auf einer Ebene mit Ländern wie Norwegen und Belgien, die den Topnationen den Quidditch (USA, Kanada, Australien, England, Frankreich) nur noch wenig nachstehen. Bei der Europameisterschaft in diesem Jahr wurde der fünfte Platz erreicht.
Inwiefern wird Quidditch von Sponsoren unterstützt?
Als sehr junge Nischensportart ist es natürlich schwierig, an die großen Sponsoren zu kommen. Dennoch erhält Quidditch viel Unterstützung, besonders auf lokaler Ebene. Einige Teams und Turniere werden bereits auf die eine oder andere Art von regionalen Unternehmen unterstützt.
Der Deutsche Quidditchbund gibt hierbei gerne Hilfestellung und kümmert sich selbst um Partnerschaften im Rahmen von Turnieren und der Nationalmannschaft. In der vergangenen Saison wurde die Nationalmannschaft beispielsweise sehr großzügig von Elbenwald unterstützt, für die Spielzeiten 2016/17 und 2017/18 konnten wir owayo als offiziellen Ausrüster gewinnen. Besonders attraktiv für Sponsoren ist das große Wachstumspotenzial, das Quidditch in Deutschland im Laufe des vergangenen Jahrs unter Beweis gestellt hat, und der innovative Charakter des Sports, der neben dynamischem Wettbewerb auch die soziale Verantwortung im Hinblick auf Gender-Integration in den Vordergrund stellt.
Was wird gemacht, um die Sportart bekannter zu machen?
Trotz des schnellen Wachstums in Deutschland, das die Entwicklung in allen anderen europäischen Ländern in den Schatten stellt, gibt es für uns noch viel zu tun. Grob geschätzt die Hälfte der Teams in Deutschland ist an der heimischen Universität im Hochschulsport eingetragen. Auf längere Sicht hoffen wir, in diesem Zusammenhang stärker mit dem Allgemeinen Hochschulsportverband zusammen arbeiten zu können.
Generell arbeiten Verband und Mannschaften überall in Deutschland zusammen, um Quidditch vorzustellen wo immer möglich. Eine wichtige Rolle spielen hierbei zum Beispiel Workshops für Sportvereine und die Präsenz bei Straßen- und Sportfesten. Auch die mediale Wirkung von Turnieren wird hierfür genutzt, Beiträge in überregionalen Zeitungen und im Fernsehen helfen ganz allgemein, Quidditch bekannter zu machen.
Für Interessenten, die ein eigenes Team gründen möchten, stellt der Deutsche Quidditchbund umfangreiche Ressourcen und Hilfestellung zur Verfügung, beispielsweise durch die Verleihung von Ausrüstung und die Vernetzung mit Ansprechpartnern und nahegelegenen anderen Teams.
Was wünscht ihr euch für die Zukunft der Sportart?
Für uns stehen zweierlei Ziele im Vordergrund: Einerseits möchten wir den deutschen Quidditch natürlich weiter wachsen sehen und erfolgreich im internationalen Wettbewerb mitmischen. Wir sind dafür bereits auf einem guten Weg und konnten im Laufe des vergangenen Jahres sehen, wie sich die steigende Konkurrenz durch neue Teams in eine höhere Leistung der verschiedenen Mannschaften umsetzt.
Andererseits ist es uns ein wichtiges Anliegen, Quidditch in der deutschen Sportlandschaft zu etablieren. Vielerorts stoßen wir bereits auf Aufgeschlossenheit und Neugier, bis zur wirklichen Akzeptanz des „Harry-Potter-Sports“ ist es aber noch ein langer Weg. Hieran arbeiten wir auch verstärkt mit unseren Kollegen in anderen Dachverbänden weltweit und in der International Quidditch Association.
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