Bewerbungsphase an den Unis: Dein E-Mail-Fach füllt sich mit den Benachrichtigungen von verschiedenen staatlichen Hochschulen: Zusage, Absage, zweite Chance im Nachrückverfahren. Dann ist da noch der bestandene Aufnahmetest an der Privatuni. Wie soll man sich da für das richtige Studium entscheiden?

In ein bis zwei Monaten beginnt das Wintersemester und als angehende/r Erstsemestler/in steht man vor einer schwierigen Entscheidung: Welche der Zusagen nehme ich an? Entscheide ich mich für ein klassisches Studium an der staatlichen Universität oder doch für die Privatuni? In manchen Fällen ist das private Studium die einzige Möglichkeit: Wenn der Numerus Clausus den Traum vom Studium sonst zerplatzen lassen würde oder die private Hochschule den Traumstudiengang anbietet, nach dem man an staatlichen Hochschulen vergeblich sucht.
Private Hochschulen haben aber oft einen bestimmten Ruf: Sie kämpfen mit dem Klischee, die Lehrstube von arroganten Kindern reicher Eltern zu sein. Nicht zuletzt sind es vor allem die hohen Studiengebühren, die abschreckend wirken. Wofür soll man sich also bei der Studienwahl entscheiden? Und treffen die Klischees zu? Im Folgenden zieht eine Privatstudentin einen Vergleich zwischen privater und öffentlicher Hochschule aus ihrer Perspektive: Hintergrund sind eigene Erfahrungen, der Austausch mit Bekannten, die an öffentlichen und privaten Unis studieren sowie verschiedene Studien.
1. Klischee: An Privatunis ist studieren persönlicher: Die Lerngruppen sind klein und die Beziehung zu den Dozenten enger als an öffentlichen Universitäten.
Das stimmt. Laut studium-ratgeber.de kommen an einer privaten Hochschule rund dreißig Studenten auf einen Dozenten. Ich persönlich sitze nie mit mehr als 25 Studenten in einer Lehrveranstaltung: Niemand muss auf dem Boden sitzen. Der Veranstaltungsname „Vorlesung“ passt daher auch nur bedingt, viel eher ist es ein Austausch zwischen Studenten und Lehrenden, bei dem man selber viel Input geben und Fragen stellen kann. Auch die Beziehung zu meinen Dozenten und Professoren ist durch diese Rahmenbedingungen sehr viel persönlicher. E-Mails werden in der Regel innerhalb weniger Tage beantwortet und persönliche Gespräche sind im Vorfeld oder Nachgang der Veranstaltung möglich. Allerdings gibt es auch Professoren, die wochenlang auf eine Antwort warten lassen. Freunde, die an öffentlichen Hochschulen studieren, erzählen mir, dass sie oft lange auf Rückmeldungen per Mail und Termine warten müssen, aber auch das ist kein Muss: Auch hier gibt es Dozenten, die schnell antworten und sich sogar mal für ein Gespräch zwei Stunden lang in einem Café Zeit nehmen.
2. Klischee: Die technische Ausstattung und die Einrichtung privater Hochschulen ist moderner als die von öffentlichen Hochschulen.
Stimmt meinen Erfahrungen nach zum größten Teil: Die Räume meiner Hochschule sind alle mit modernem Mobiliar, mit Computern (mindestens einen am „Pult“), Beamern und Klimaanlage ausgestattet und die Uni bietet einladende Erholungsbereiche. Private Hochschulen, die ich von Bekannten kenne, sehen ähnlich aus. Im Vergleich dazu wirken viele öffentliche Hochschulen abschreckend, aber auch das muss man individuell pro Uni bewerten; so hat die Universität zu Köln z.B. einige renovierte, sehr moderne Lehrbereiche und auch die Westfälische Hochschule in Gelsenkirchen kann da mithalten. Natürlich lässt es sich in einer einladenden Umgebung gut lernen, aber seien wir ehrlich: Das ist nicht das Wichtigste – die Schule in unansehnlichen Räumlichkeiten haben wir auch alle hinter uns gebracht. Entgegen der Annahme ist die Technik zumindest an meiner Hochschule nicht immer intakt: Manchmal fallen Dienste wie der Drucker aus und Computerprogramme, die man oft braucht, sind nicht in allen Räumen verfügbar. Das Personal bemüht sich aber immer, diese Probleme schnell zu beheben. Generell muss ich an dieser Stelle erwähnen, dass der Service den Studenten gegenüber an meiner Hochschule sehr zuvorkommend ist.
3. Klischee: Die Lehre an öffentlichen Universitäten ist hochwertiger, während den Kunden … ähm den Studenten von Privatunis alles hinterhergeworfen wird.
Das ist schwer zu sagen. Alle privaten Hochschulen werden nach dem gleichen Verfahren akkreditiert wie ihre staatlichen Pendants und müssen somit einem bestimmten Niveau entsprechen. Deshalb ist es immer wichtig, bei der Studienwahl darauf zu achten, dass der Studiengang über die entsprechende Akkreditierung verfügt – nur dann ist er staatlich anerkannt. Trotzdem gibt es private Hochschulen, die den Ruf einer minderwertigen Lehre haben und solche, denen ein hervorragendes Niveau nachgesagt wird. Im Vergleich zu meinen Bekannten von öffentlichen Hochschulen kann ich aber keine großen Unterschiede feststellen, außer, dass sie oft vom Umfang her mehr lernen müssen. Aber: Quantität ist nicht gleich Qualität. Diese Unterschiede haben auch mit dem Studiengang zu tun: Jeder weiß, für ein Medizinstudium muss man mehr lernen als für BWL oder soziale Arbeit. Aber: An meiner Hochschule kenne ich niemanden, der bisher dreimal durch eine Prüfung gefallen und somit exmatrikuliert worden wäre – ob es daran liegt, dass wir für unser Studium zahlen? Möglich, aber reine Spekulation.
4. Klischee: Mit dem Abschluss an einer öffentlichen Uni hat man bessere Berufschancen.
Das lässt sich so nicht belegen – allgemein sind die Studienabschlüsse gleichwertig, da beide eine staatliche Anerkennung genießen. Vielmehr hängen die Berufsaussichten stark vom einzelnen Arbeitgeber ab und worauf dieser Wert legt. In der Regel finden Absolventen von privaten Hochschulen aber schneller Jobs als die von öffentlichen. Ein Grund dafür ist, dass private Einrichtungen oft gute Kontakte zu Unternehmen und Organisationen unterhalten. Insbesondere in der Privatwirtschaft gilt der Besuch einer privaten Hochschule deshalb als erfolgsversprechend. Das deckt sich zum Großteil mit meinen Beobachtungen: Die Absolventen meiner Hochschule, die ich kenne, haben fast alle relativ schnell nach ihrem Abschluss einen Arbeitsplatz gefunden. Während des Studiums selbst kommt es nicht selten vor, dass Dozenten uns Studenten Praktikumsplätze oder kleinere Jobs vermitteln und so zugleich wertvolle Kontakte sind und solche schaffen.
5. Klischee: An Privatunis studieren nur arrogante Schnösel, an staatlichen Hochschulen lernen Normalos.
Jein. Viele schreckt diese Vorstellung bei der Abwägung zwischen privatem und öffentlichem Studium ab – auch bei mir war das so. Es stimmt, dass es auf privaten Hochschulen viele Studenten gibt, die regelrecht im Geld schwimmen und von Papi alles bezahlt bekommen, was das Herz begehrt. Das liegt in der Natur eines teuren Studiums und verwundert nicht weiter. Aber nicht alle, die zur Kategorie „wohlhabend“ gehören, lassen das raushängen. Es gibt auch viele „Normalos“, die sich das Studium beispielsweise durch einen Studienkredit finanzieren und sogar Leute, die sich in der Zeit vor staatlichen Förderungen nicht einmal ein Studium an der öffentlichen Universität hätten leisten können. Was mir aufgefallen ist: Obwohl öffentliche Hochschulen als anonym und unpersönlich gelten, hat man hier mehr Möglichkeiten, gute Freunde zu finden. Das liegt an der großen Auswahl. Die ist wegen der kleinen Anzahl an Studierenden an privaten Hochschulen natürlich deutlich geringer. Bei den meisten meiner Kommilitonen und auch bei mir liegen die engen Freundeskreise außerhalb der Unibekanntschaften. Trotzdem – oder gerade wegen der kleinen Studiengruppen – gehen wir aber gelegentlich gemeinsam feiern oder ein Bierchen trinken.
6. Klischee: Die Studiengebühren privater Unis können sich nur Personen mit viel Geld leisten.
Das ist das wohl größte Klischee, dass die privaten Hochschulen dauerhaft begleitet und der Grund, warum viele junge Menschen ein solches Studium von vorneherein ausschließen. Es stimmt: Ein privates Studium ist teuer, im Schnitt kostet es 520 Euro pro Monat. Mittlerweile gibt es aber viele Finanzierungsmodelle, sodass auch jemand, der nicht zu den Reichen unserer Gesellschaft gehört, es sich leisten kann. Und das ist nicht nur so daher gesagt, sondern andernfalls könnte auch ich nicht privat studieren. BAföG, der KFW-Studienkredit, Teilstipendien – einige der gängigen Finanzierungsmöglichkeiten. Im Gegensatz zu einem weitverbreiteten Irrglauben bekommt man nämlich auch als Student einer Privatuni BAföG gewährt. Vielen bleibt die Angst, später bereits verschuldet ins Berufsleben zu starten. Das ist gut nachvollziehbar und definitiv ein Risiko. Es gibt aber auch viele andere Dinge, für die man sich als junger Mensch verschulden kann, wie für ein Auto oder ein Haus. Eine Investition in die eigene Bildung ist da sicher nicht die schlechteste Art, Schulden zu machen. Finanzierungsmöglichkeiten wie BAföG und der KFW-Kredit sehen Möglichkeiten vor, bei denen die Rückzahlung erst dann beginnt, wenn man fest im Beruf steht oder diese notfalls gestundet werden kann.
Aber ein Restrisiko bei einer Finanzierung von außen bleibt immer. Ich zum Beispiel finanziere mein Studium mit BAföG, einem kleinen Kredit bei der KFW und einem Teilstipendium meiner Hochschule. Bisher klappt das gut. Aber dass ich keinen Druck verspüre, einen vernünftig bezahlten Job zu finden, wäre eine Lüge. Man sollte sich daher definitiv gut überlegen, ob ein privates Studium einem das finanzielle Risiko wert ist, oder ob die öffentliche Uni doch bieten kann, wonach man sucht.
Privatstudium nie bereut
Wenn ihr euch überlegt, ob ihr an eine private oder doch lieber an eine öffentliche Universität gehen möchtet, können folgende Schritte helfen: Informiert euch, an welchen Hochschulen alles man den Studiengang eurer Wahl studieren kann, recherchiert (z.B. im Internet) nach Bewertungen eurer bevorzugten Hochschule und ihrem Ruf (CHE-Ranking), besucht die Uni im Vorfeld und sprecht mit Studenten vor Ort über ihre Erfahrungen und Eindrücke. Der letzte Punkt ist oft am entscheidendsten. Ich persönlich habe es nie bereut, dass ich mich damals für ein Privatstudium entschieden habe. Im Rückblick hätte mir die öffentliche Hochschule nach Vergleichswerten mit Bekannten zu urteilen, die ähnliche Studiengänge besucht haben, fast das Gleiche geboten. Abgesehen von wichtigen Kontakten – und die können in einer vernetzten Welt manchmal entscheidend sein.
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