Sie selbst sind Trägerin des Organspendeausweises. Welche Motive bewogen Sie zu dieser Entscheidung?
Ich habe einen Organspendeausweis, weil ich davon überzeugt bin, dass es ganz wichtig ist, eine Entscheidung zu diesem Thema zu treffen, um in erster Linie die Angehörigen im Fall der Fälle zu entlasten (Anm. d. Red.: Hat sich ein Verstorbener zu Lebzeiten nicht mit dem Thema auseinandergesetzt, muss der nächste Angehörige für oder gegen die Organspende stimmen). Des Weiteren habe ich den Ausweis mit einem „JA“ ausgefüllt, weil ich glaube, dass ich so nach meinem Tod anderen Menschen helfen kann. Das finde ich besonders wichtig, da ich ja auch selber in die Situation kommen könnte, ein Organ zu benötigen, insofern sollte man einen Beitrag zu diesem solidarischen System leisten.
Kann jeder Mensch Organspender werden?
Grundsätzlich ja, Organspenden ist keine Frage des kalendarischen Alters, sondern des biologischen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Spender am Hirntod verstorben sein muss, nicht am „klassischen“ Herztod.
Hatten Sie vor der Entscheidung, Organspenderin zu werden, oder auch noch heute Bedenken?
Ich hatte anfangs Bedenken, da ich nicht hinreichend informiert war mir auch kaum etwas unter dem Thema vorstellen konnte, zumal ich damals zum ersten Mal mit dem Begriff „Hirntod“ in Kontakt kam. Durch Gespräche mit Ärzten und Angehörigen konnte ich mich aber davon versichern, dass das System der Organspende sowie die Diagnose Hirntod sicher sind.
Wie hoch ist die Differenz aus Nachfrage und Angebot bei Organspenden?
Ein allgemeiner Wert lässt sich da nicht beziffern, da dies organspezifisch ist. Jedoch stehen zurzeit 7.000 Menschen auf der Warteliste für eine Niere, deutlich weniger können tatsächlich transplantiert werden. Die Niere ist also das Organ, wo diese Differenz am gravierendsten ist.
Wieso gibt es noch so wenige Organspender?
Meiner Meinung nach hat das viele Ursachen. Unter anderem liegt das daran, dass man nach deutschem Gesetz am Hirntod verstorben sein muss, um Organspender sein zu können. Dies trifft jährlich nur auf ca. 4.000 Menschen zu, da dies einen Tod im Krankenhaus mit anschließender künstlicher Beatmung voraussetzt. Ein anderer Grund liegt wohl darin, dass sich zu wenige Menschen entscheiden, ob sie Organspender werden wollen und auch ihren Angehörigen ihre Entscheidung nicht mitteilen. Außerdem müssen in den Krankenhäusern potentielle Organspender, also möglich Hirntote, erkannt und an die Koordinierungsstelle gemeldet werden.
Viele Menschen haben durch zahlreiche Skandale ihr Vertrauen in die Organspende verloren, jüngst soll das Deutsche Herzzentrum Wartelisten manipuliert haben. Was muss getan werden, um dieses Vertrauen zurückzugewinnen?
Ich halte es für wichtig, darzustellen, dass die angesprochenen Manipulationen im Herzzentrum Berlin in der Vergangenheit liegen, zu einem Zeitpunkt, bevor der Gesetzgeber Maßnahmen zur Sicherheit des Systems eingeführt hat. Die Vorfälle werden aber erst jetzt bekannt, da nun diese Maßnahmen greifen. 2012 hat der Gesetzgeber nach den Manipulationen in Göttingen das „Sechs-Augen-Prinzip“ eingeführt. Das bedeutet, drei Ärzte entscheiden nun, ob eine Person, die ein Organ benötigt hat, auf die Warteliste gesetzt und an Eurotransplant (Anm. d. Red.: Vermittlungsstelle für Organspenden in Teilen Europas) gemeldet wird.
Die nun ans Licht gekommenen Manipulationen waren möglich, weil zu dieser Zeit eine einzelne Person medizinische Daten des Empfängers an Eurotransplant gemeldet hat. Des Weiteren hat der Gesetzgeber dafür gesorgt, dass die damals getätigten Falschangaben einen Straftatbestand darstellen. Außerdem müssen Krankenhäuser Transplantationsbeauftragte bestellen, die die Rolle eines Patientenanwalts haben, welche die Prozesse überwachen. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Maßnahmen bekannt gemacht werden und uns direkten Diskussionen mit den Bürgern stellen, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.
Wie könnte man Menschen generell eher dazu motivieren, einen Organspendeausweis mit sich zu führen?
Ich denke, die Regelung ist gut, dass Versicherungsunternehmen nun die Versicherten alle zwei Jahre anschreiben müssen. Außerdem bedeutet das, dass die Menschen an das Thema erinnert werden, den Organspendeausweis dann in den Händen halten und ihn direkt ausfüllen können. Außerdem müssen wir verdeutlichen, dass die Angehörigen bei dieser Entscheidung nicht belastet werden dürfen. So wahrt man seine Persönlichkeitsrechte, indem man lediglich den Ausweis ausfüllen muss. Die Entscheidung wird nicht registriert und kann jederzeit geändert werden.
Was raten Sie Menschen, die vor der Entscheidung stehen, ob Sie Organspender werden wollen?
Ich empfehle den Menschen, dass sie sich informieren und in der Familie über dieses Thema sprechen sollen. Wichtig ist, dass man weiß, wie der Prozess der Organspende abläuft. Außerdem bieten wir ein Infotelefon an, an dem man alle Fragen zum Thema loswerden kann, um sich eine eigene Meinung bilden zu können. Wichtig ist also die Entscheidung an sich – egal, wie sie am Ende ausfällt.
Was tut die BzgA darüber hinaus, um den Organspendeausweis zu verbreiten?
Knapp 70 Millionen Versicherte mussten ja laut Gesetz angeschrieben werden, für 30 Millionen hat die BzgA einen Ausweis zur Verfügung gestellt. Des Weiteren kann man den Ausweis auch auf der Internetseite der BzgA herunterladen oder an Pass- und Meldeämtern erhalten. Wir sorgen also für eine konkrete Streuung des Angebots.
Wie lassen sich die Organspende und ein würdevoller Tod vereinbaren?
Man muss sich im Klaren sein, dass die Angehörigen eines Organspenders nicht in diesem Sinne beim letzten Atemzug des Patienten dabei sein können. Der Spender wird nach seinem Hirntod künstlich beatmet und geht zur Organentnahme in den OP. Das Transplantationsgesetz sieht jedoch vor, dass ein würdevoller Abschied ermöglicht werden muss, das kann vor oder auch nach der Organentnahme erfolgen. Im Operationssaal wird der Spender ebenso würdevoll versorgt wie jeder andere Patient auch, es wird dasselbe Nahtmaterial verwendet, auch wird er nach dem Eingriff gewaschen. Die Angehörigen können ebenso Abschied nehmen wie Verwandte eines an einem Herzinfarkt verstorbenen Menschen.
Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Wunsch in Bezug auf die Organspende frei. Was würden Sie sich wünschen?
Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Menschen mit dem Thema befassen und sich auf den Weg machen, eine Entscheidung zu treffen. Ich denke, dass Menschen in Deutschland eine hohe Bereitschaft haben, Organe zu spenden. Würden sie ihre Entscheidung nun auch noch auf dem Ausweis dokumentieren, so könnte sehr vielen Menschen auf der Warteliste geholfen werden.
Frau Watzke, vielen Dank für das Gespräch!
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