„Wie, du willst freiwillig in den Ferien arbeiten? Bist du verrückt? Und dann auch noch mit Leuten, die Du gar nicht kennst!” Das war die Reaktion vieler meiner Freunde, als ich Ihnen von meinem Plan für die ersten zwei Ferienwochen erzählt habe. Trotzdem machte ich mich am ersten Samstag in den Ferien mit dem Zug auf in Richtung Flensburg. Ich hatte mich für ein Workcamp der „Internaionalen Jugendgemeinschaftsdienste” (ijgd) angemeldet und eigentlich wusste ich zu diesem Zeitpunkt nur, dass ich mit 13 anderen Jugendlichen zwei Wochen zusammen wohnen und eine Fernsehsendung produzieren würde.
Das erste Kennenlernen
Das Taxi, das ich vom Bahnhof genommen hatte, setzte mich an der “exxe”, einem Jugendzentrum, ab. „Igrendwie sieht hier alles etwas verlassen aus”, dachte ich mir, als ich vorsichtig durch eines der Fenster lukte. Ich hievte meine Reisetasche die Treppe zur Eingangstür hinunter, ging durch das Wohnzimmer, von der Terrasse hörte ich Stimmen. „Hey, welcome! What’s your name?”, begrüßte mich Ellie.
Ellie aus der Türkei, Marvin und Lisa aus Deutschland und Emma aus Italien saßen auf blauen Gartenstühlen. Wir unterhielten uns auf Englisch und tauschten uns über unsere Anreise, unsere Lieblingsmusik und über die beste Pasta aus. Im Laufe des Tages kamen auch alle anderen Teilnehmer an: Pauline aus Frankreich, Alberto, Elena und Pietro aus Italien, Sophia aus Taiwan, Dajung aus Südkorea, Marlon aus den Niederlanden und Ole und Ruben aus Deutschland.
Unterschiede vereinen
Wir waren 14 unterschiedliche Jugendliche aus unterschiedlichen Kulturen , die unterschiedliche Sprachen sprachen, unterschiedliche Gewohnheiten und Ansichten bezüglich Malzeiten, Pünktlichkeit und Sauberkeit hatten . Zunächst stellten wir unheimliche viele Unterschiede fest, aber wir konnten auch schnell viele Gemeinsamkeiten ausmachen. Sophia aus Taiwan und Marlon aus den Niederlanden unterhielten sich stundenlang über ihre Leidenschaft zu Heavy Metal und „Risiko” wurde zu dem Gesellschaftsspiel schlechthin. Für eine klare Aufgabenverteilung wurde für jeden Tag ein „Cooking-Team” und ein „Cleaning-Team” eingeteilt, das mal mehr und mal weniger gut funktionierte, aber irgendwie hatten wir immer etwas zu essen und irgendwie waren die Teller später auch wieder sauber.
Gemeinsam viel erreichen
Heute war unser erster Arbeitstag. „ Also, das heißt spätestens um acht Uhr aufstehen, denn um viertel vor neun wollen wir uns gemeinsam auf den Weg machen”, dachte ich mir am Vorabend, als ich meinen Wecker gestellt habe. Heute Morgen musste ich dann feststellen, dass dieser Gedanke wohl typisch deutsch ist. Während unter anderem Lisa und ich pünktlich um halb zehn im „Offenen Kanal Flensburg” eintrafen, kamen die Italiener ohne ein Anzeichen von schlechtem Gewissen um zehn vor zehn an.
Uli und Till, unsere beiden Ansprechpartne im „Offenen Kanal”, skizzierten an einem Flipchart grob den Plan für die nächsten zwei Wochen. Heute war ein erstes Vertrautwerden mit der Technik vorgesehen, für die erste Woche das Drehen und Schneiden eines Testfilms und in der zweiten Woche das Produzieren eines größeren Films.
Kreativität, Drehen, Schneiden und Präsentieren
Für das Produzieren des längeren Films konnten wir uns selber in Gruppen einteilen. Eine Gruppe drehte einen Film über Stereotype, eine andere über Medien und den „Offenen Kanal Flensburg” und eine dritte Gruppe über „Happiness”. Wir mussten uns selber ein Storyboard überlegen und diskutierten über die Drehplätze und Dialoge des Films. Manchmal hatten wir überhaupt keine Motivation mehr und manchmal sprudelten wir nur so vor Ideen. Beim Schneiden diskutierten wir über die passende Musik, lachten endlos über verpatzte Szenen und stellten am Ende drei richtig gute, individuelle Filme fertig. Am letzten Donnerstag drehte sich dann alles nur noch um unseren Live-Broadcast: Ein Moderatorenteam und Kamerafrauen- und männer musste gefunden werden, ein Line-Up wurde erstellt , jemand musste sich um den Sound-Mix kümmern und schließlich jemand um den Schnitt. Auch hier galt die Devise: „Irgendwie kriegen wir das schon hin!”
Live on air
Und ja, wir bekamen es hin. Freitags um 16:00 Uhr gingen wir pünktlich auf Sendung und Freunde und Familie schauten uns per Livestream vom Sofa aus zu, wie wir unsere einstündige Sendung präsentierten. Neben unseren selbstgemachten Filmen waren Interviews mit Uli und Till, aber auch mit Helge, dem Leiter der „exxe” Teil des Programms.
Auf Facebook erstellten wir ein Veranstaltung, sodass uns unsere Zuschauer Fragen oder Anregungen schreiben konnten, die dann noch während der Sendung beantwortet wurden. So bekamen wir binnen der ersten fünf Minuten aus Deutschland und Taiwan die Nachricht, dass das Mikrofon des Moderators zu leise eingestellt war.
Im Unterschied vereint
Die zwei Wochen vergingen wie im Flug und waren in jeder Hinsicht eine Bereicherung. Aus 14 völlig fremden Jugendlichen sind Freunde geworden, die gemeinsam eine Fernsehsendung produziert haben. Gemeinsam haben wir uns über unsere Kulturen und Sprachen ausgetauscht und das ein oder andere Wort koreanisch oder italienisch gelernt. Gemeinsam haben wir Vorurteile überwunden und Brücken gebaut, die diese zwei Wochen überdauern werden. Gemeinsam waren wir stark, denn Stärke wächst am ehesten aus Vielfalt.
Schreibe einen Kommentar