Kontraste
Ein wenig verschlafen wirkt die Kleinstadt mit etwa 12.000 Einwohnern, als der Bus den Mönchberg hinauffährt, auf dem die ehemalige Tötungsanstalt gelegen ist. Das Gebäude steht auf dem Gelände eines psychiatrischen Klinikzentrums. Ruhig und friedlich scheint der Komplex, Blumen säumen den Weg in Richtung Eingang. Nichts lässt mehr vermuten, dass auf diesem Gelände von 1941-1945 rund 15.000 Menschen ihr Leben ließen, zunächst in der eigens errichteten Gaskammer und danach durch systematische Unterernährung und durch überdosierte Medikamente. Und doch steigt ein mulmiges Gefühl in mir auf. Den gleichen Weg sind wohl auch die Busse hinaufgefahren, deren Insassen noch am gleichen Tag umgebracht werden sollten.
Doch auch beim Betreten des Gebäudes scheinen Gegenwart und Vergangenheit weit auseinander. Sonnenstrahlen beleuchten die hellen Flure, eine Gedenktafel erinnert im Vorraum zum Eingang an die Opfer. Wir werden begrüßt von einem jungen Studenten, einem freien Mitarbeiter der Gedenkstätte, der die Besuchergruppe betreut. Die Gedenkstätte bietet Führungen durch den Komplex an – Aufklärung und Erinnerung. Auch der nüchterne, aber helle Seminarraum, in den man uns nun führt, erinnert kaum an die Angst, die in diesen Gemäuern stecken muss. Der Mitarbeiter klärt uns über den geschichtlichen Hintergrund der Anstalt auf – im Mittelpunkt: Kranke, die aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen und häufig über verschiedene Zwischenstationen in die Tötungsanstalt verschleppt wurden, ihre Angehörigen zurücklassend, die glaubten, dass den Menschen in Heil- und Pflegeanstalten geholfen würde. Fast naiv wirkt dies heute, denn zumindest in dem kleinen Örtchen Hadamar wussten sich die Einwohner sehr wohl hinter vorgehaltener Hand zu berichten, weswegen denn der schwarze Rauch aus dem Schornstein ihre im Garten hängende Wäsche beschmutzte.
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