Klar, Baywatch. So stellen wir uns doch alle die netten Jungs und Mädels vom Strand vor, die für unsere Sicherheit sorgen. Aber hinter diesem Klischee steckt weitaus mehr als man beim ersten Gedanken vielleicht annimmt. Unsere Autorin erzählt die Geschichte von Nye und Harry, zwei Rettungsschwimmern aus England.

Ein sonniger Sonntagnachmittag Ende August: Ich sitze zusammen mit Nye und Harry in einer kleinen, hölzernen Hütte, die auf halbem Weg hinunter zum Strand in den Dünen steht. Das Radio spielt im Hintergrund einen Song der „Beach Boys”, wie passend. Die Hütte steht am „Hayle Towans Beach” in Cornwall, im Südwesten Englands. Nye beobachtet den Strandabschnitt mit einem Fernglas, ein paar Kinder toben im kalten Nass . Die beiden sind Lifeguards, Rettungsschwimmer, die der „Royal National Lifeboat Institution” (RNLI) angehören. Das ist eine Organisation, die sich aus Spenden finanziert. Die meisten Lifeguards werden von der jeweiligen Gemeinde vergütet, allerdings gibt es auch Freiwillige. Die Jungs sind beide 21 Jahre alt und bereits seit 3, beziehungsweise 4 Jahren Lifeguard.
„Auch wenn es hier nicht so aussieht, die Strömung ist unberechenbar. Hinzu kommt noch, dass der Fluß „Hayle” hier in den Atlantik mündet. Das unterschätzen viele.”, erzählt Nye, während er weiter seinen Blick auf das Wasser richtet. „Vor zwei Jahren mussten wir einen Jungen retten, der auf Grund einer Asthmaerkrankung nicht mehr geatmet hat. Wir waren zu viert, haben ihn aus dem Wasser gezogen und zwei Rettungssanitäter sind mit dem Helikopter eingeflogen. Im Durchschnitt wurden im Jahr 2013 13 Menschen pro Tag in Großbritannien, Irland, auf der Isle of Man und den Channel Islands gerettet.
Selbstlos, verlässlich, vertrauenswürdig und mutig
Um Lifeguard zu werden, muss man nicht nur ein guter Schwimmer sein, da gehört mehr dazu. Nye erklärt: „ Wir müssen mehrere Fitnesstest und einen Erste-Hilfe-Schein absolvieren sowie über Errettung Bescheid wissen. Dazu gehört zum Beispiel, dass wir 200m in weniger als 3,5 Minuten schwimmen und 200m durch Sand in unter 40 Sekunden zurücklegen können.”
Das Funkgerät, dass um Harrys Hals hängt ,surrt. Ein Kollege, der direkt am Wasser steht, hält stetigen Kontakt mit Nye und Harry. „Außerdem haben wir jede Woche Schwimmtraining und ein verpflichtendes Equipmenttraining am Anfang jeder Saison.” Harry erzählt weiter: „ An unserem jeweiligen Einsatzort bekommen wir noch eine individuelle Einweisung, da die Gegebenheiten und Gefahren an jedem Strand verschieden sind.” An etwa 200 Stränden sind die Lifeguards in der Saison von Mai bis September im Einsatz. Nye setzt das Fernglas ab und schaut Harry mit kritischem Blick an: „Neben den ganzen sportlichen Anforderungen sind Selbstlosigkeit, Verlässlichkeit, Vertrauenswürdigkeit und Mut aber auch wichtige Werte, mit denen wir uns identifizieren.”
Leben retten seit 1824
Die Briten sind die Seefahrernation schlechthin, soviel steht fest. Am Anfang des 19. Jahrhunderts lag die Zahl der Schiffswracks bei ungefähr 1800 pro Jahr. Eindeutig zu viel, dachten sich auch die damaligen Bewohner, denn sie wollten nicht länger hilflos zusehen, wie vor ihren Küsten Seemänner ihr Leben ließen. Daraufhin gründete Sir William Hillary 1824 die „Royal National Lifeboat Institution”. Zunächst kamen Freiwillige mit Segel- oder Ruderbooten den verunglückten Seeleuten zur Hilfe, später wurden diese dann durch Motorboote abgelöst. Erst seit 2001 werden Lifeguards wie Nye und Harry ausgebildet, die für die Sicherheit eines jeden Badegastes sorgen und Unfälle vorbeugen. Nye setzt das Fernglas erneut an die Augen: „Der größte Teil der Arbeit eines guten Lifeguards ist vorbeugend. Wir verhindern Unfälle bevor sie passieren und handeln sofort, denn oft sind Sekunden entscheidend.”
Anderen helfen und Leben retten
Im Radio laufen die Nachrichten für 5 Uhr. In einer Stunde beenden Harry und Nye ihren Dienst für heute. Zum Glück gab es bis jetzt an diesem Tag noch keinen ernsthaften Einsatz. Doch als ich die beiden frage, welche Motivation sie denn haben, antworten sie fast gleichzeitig: „Anderen helfen!” Harry fügt noch hinzu: „Es ist einfach ein tolles Gefühl im Ernstfall Leben zu retten.”
Blauer Himmel, weißer Sand und rauschende Wellen: so soll es sein. Und so ist es auch, aber so richtig genießen kann man den Strandtag doch nur, wenn man weiß, dass man notfalls von Leuten wie Nye und Harry gerettet wird.
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