Es gibt Fragen, auf die wissen wir nur selten eine gute Antwort und Probleme, die unlösbar erscheinen. In ihrer Artikelreihe widmet sich Carlotta genau diesen Thematiken und versucht, durch interessante Blickwinkel #Klartext zu schaffen.
Mehr als die Hälfte Russlands und fast ein Viertel der Landfläche der Welt liegen auf sogenanntem Permafrost. Klingt uninteressant? Aufgepasst: Hinter dem Wort steckt mehr als nur ein gefrorener Boden. Permafrostböden sind unglaublich wichtig für den Klimawandel und schützen uns möglicherweise vor weiteren Pandemien. Warum? Das findest du in diesem Artikel raus. Fünf Gründe, warum dir der Permafrost nicht egal sein sollte
1. Permafrost und Klimawandel gehen Hand in Hand
Sibirien, Alaska, Kanada – vor allem dort gibt es nach der ESKP (Earth System Knowledge Platform) sogenannte „gefrorene Landschaften.“ Permafrostböden nennen Wissenschaftler jene Böden, die dauerhaft gefroren sind. Doch das Eis taut auf. Warme Sommer, kurze Winter und Waldbrände sind der Grund dafür. Auch hier wirkt der Klimawandel mit voller Wucht auf das nicht mehr so ewige Eis ein. In diesen Gebieten können wir von den Auswirkungen der Erderwärmung nicht mehr im Futur sprechen, da sich die Natur dort bereits verändert und der Wandel des Klimas irreversible Veränderungen auslöst.
2. Leben in den Permafrost-Gebieten: Verheerende Folgen für die Einwohner!
Das Tauen des Permafrosts hat verheerende Folgen für die Bewohner*innen der genannten Gebiete: Die Böden sacken ab. Dadurch reißen Häuser sowie Straßen ein, Öl- und Gaspipelines brechen auseinander. Ganze Gegenden werden unbewohnbar. Einer Studie aus dem Jahr 2018, von Jan Hjort und der Universität Oulu in Finnland zufolge, könnten bis 2050 3,5 Millionen von Schäden an der Infrastruktur durch tauenden Permafrost betroffen sein. Das entspricht in etwa der Einwohnerzahl Berlins. Und auch die indigenen Völker verlieren durch die Schmelze jene Wetterumstände, die sie für ihren Lebensstil benötigen. Beispielsweise sind die Nenzen auf das kalte Wetter und den Permafrost angewiesen. Sie sind Nomaden, wandern täglich weite Strecken mit ihrem wichtigsten Gut: den Rentieren. Dabei müssen sie auch gefrorene Seen überqueren. Das hat eigentlich nie ein Problem dargestellt. Doch durch die steigenden Temperaturen werden die Wege auf dem Eis immer gefährlicher. Was soll man tun, wenn ein generationsüberdauernder Lebensstil nicht mehr möglich ist?
3. Im Permafrost wartet eine Kohlenstoff-Bombe
Der Permafrost ist ein gigantischer Kohlenstoffspeicher. Um genau zu sein, lagern dort doppelt so viele Treibhausgase, wie es sonst momentan in der Atmosphäre gibt. Warum ist das so? Im Laufe der Jahrtausende wurden im Permafrost unterschiedlichste Lebensformen konserviert. Das reicht von Tierkadavern, über Felle bis hin zu Pflanzenresten. Kommen diese durch die Schmelze wieder zum Vorschein, werden sie von Mikroben gefressen. Dabei werden CO2 und Methan freigesetzt. Bei Methan handelt es sich um ein Gas, das 25-mal wirksamer ist, als C02 und damit sehr viel gefährlicher, was das Verändern des Klimas angeht. Eine 2018 veröffentlichte Studie der Fachzeitschrift Nature Climate Change fand heraus, dass durch den tauenden Permafrost sehr viel mehr Methan freigesetzt wird, als erwartet. Das klimaeffektivere Methan trägt also ausschlaggebend zum Treibhauseffekt bei.
Die Schmelze des Permafrosts kann so einen gefährlichen Kreislauf auslösen. Denn die Freisetzung von Kohlenstoffdioxid und Methan tragen maßgeblich zur Erderwärmung bei, was wiederrum das Eis schneller schmelzen lässt. Der Permafrost wird also einerseits durch den Klimawandel verändert. Gleichzeitig wirken sich diese Veränderungen auf das Klimasystem aus.
4. Zukunft des Permafrosts als Kippschalter für den Klimawandel
Das Freiwerden der Treibhausgase in Permafrost-Gebieten wird von Wissenschaftlern als „Kippschalter für den Klimawandel“ bezeichnet. Ist der Kreislauf von Erderwärmung, Auftauen und Freisetzung einmal im Gange, galt dieser als nur schwer wieder aufhaltbar. Die Folgen des tauenden Permafrosts betreffen also nicht nur die Nenzen oder die Infrastruktur dieser Gebiete. Es betrifft uns alle, da der Klimawandel keine Ausnahmen macht, keine Wiedergutmachungsversuche annehmen wird. Nicht grundlos benannte die UN 2019 das Auftauen des Permafrosts als eine der fünf unterschätzten Umweltgefahren. Der Erhalt des ewigen Eises sollte uns alle besorgen und dazu anhalten, für eine weitaus effektivere Klimapolitik einzustehen.
5. Bakterien und Viren im Eis kommen frei
Das schmelzende Eis stellt nicht nur ein ernst zu nehmendes Risiko für den Klimawandel dar, sondern könnte uns auch vor ein weiteres altbekanntes Problem stellen: Krankheiten, Pandemien, Lockdown. In der Tiefe des Permafrosts liegen historische Viren und Bakterien, die als ausgestorben gelten. Doch durch die Erderwärmung könnten diese wieder freigelegt werden. Das zeigt bereits ein Fall aus dem Jahr 2016. Eine Hitzewelle ging vor knapp fünf Jahren durch Sibirien, wodurch der Permafrost zu schmelzen begann. Die Folge: Ein an Milzbrand gestorbenes und bis dahin im Permafrost konserviertes Rentier wurde freigelegt. Es folgte der erste Ausbruch von Milzbrand in Sibirien seit 75 Jahren. Ein 12-jähriger Junge starb sowie circa 2.300 Rentiere.
Dass Menschen sich mit Milzbrand infizieren, ist jedoch selten. Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich der Junge durch das Essen vom Fleisch eines erkrankten Rentiers infizierte. Die Horrorgeschichte kann also ausgebremst werden, auch durch die Erkenntnis, dass nicht alle im Eis wartenden Erreger eine Gefahr für uns Menschen darstellen. Insbesondere Viren sterben schnell, wenn sie nicht mehr vom Eis konserviert werden. Eine größere Sorge bereiten Wissenschaftlern Bakterien. Wenn alte Bakterien auf neue treffen und mit diesen ihr Erbgut tauschen, könnten gefährliche Erreger entstehen.
Was alles in der „Tiefkühltruhe Permafrost“ auf sich warten lässt, können Forscher noch nicht genau sagen, doch der Klimawandel legt mehr und mehr Verborgenes aus dem Eis frei. Aber eins ist klar: Auf eine weitere Pandemie kann bestimmt jeder verzichten.
Und jetzt?
Eine Auseinandersetzung mit den langfristigen Folgen des Klimawandels ist unangenehm, aber wichtig. Veränderungen beginnen bei uns selbst. Jeder sollte das eigene Konsumverhalten reflektieren und hin zu einem nachhaltigeren ökologischen Fußabdruck verbessern. Das kann man tun, indem man weniger Fleisch isst, nachhaltig einkauft und Bahn oder Fahrrad fährt. Du kannst auch versuchen, in einen Dialog mit Freund*innen und Verwandten zu treten, um diese für einen nachhaltigeren Lifestyle zu überzeugen. Doch auch die Politik und ihre Entscheidungen sind elementar für eine klimagerechte Zukunft. Für die nächste Bundestagswahl macht es also Sinn, einen genaueren Blick auf das Parteiprogramm deiner favorisierten Partei zu werfen und deine Stimme klimagerecht einzusetzen.
Weitere Quellen:
https://www.greenpeace.de/themen/klimawandel/folgen-des-klimawandels/klimazeitbombe-permafrost
https://www.eskp.de/grundlagen/klimawandel/fragen-und-antworten-zum-permafrost-935726/#c4977
https://www.nature.com/articles/s41558-018-0095-z
https://www.heise.de/tp/features/Schlummernde-Pandemien-im-schmelzenden-Permafrost-5072048.html
https://www.nature.com/articles/480032a
https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2016-08/russland-sibirien-anthrax-rentiere-kind-milzbrand
RKI – Infektionskrankheiten A-Z – Anthrax (Milzbrand, Bacillus anthracis)
https://www.nature.com/articles/nclimate2807
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