Mitten im Alltag trifft eine Frau beim Wasserholen auf Jesus – eine Begegnung, die ihr Leben verändert. Das zeigt: Gott lässt sich manchmal ganz unverhofft treffen. Vor ihm muss nichts gesagt oder erklärt werden. Von Benedikt Bögle.
Die Frau hatte sicherlich mit vielem gerechnet, als sie auf dem Weg zum Brunnen war (Johannesevangelium 4,1-42). Sie geht am Mittag zum Brunnen, um von dort für Wasser für den täglichen Bedarf zu sorgen. Schon das ist eine Aussage: In der Mittagshitze würde man normalerweise kein Wasser holen. Der ohnehin schon anstrengende Weg wird so nur noch mühsamer. Eine Deutung: Die Frau geht bewusst dann zum Brunnen, wenn sie niemandem begegnen muss. Sie war nämlich bereits fünfmal verheiratet und lebt jetzt mit einem Mann zusammen, der nicht ihr Ehemann ist. Das ist grundsätzlich ein Verstoß gegen religiöse Regeln. Als sie einsam auf dem Weg zum Brunnen ist, trifft sie dort auf Jesus. Er weiß um ihre Situation und spricht es ehrlich an – er meidet sie aber nicht, wie es all die anderen tun. Das zeigt, wie Begegnung mit Jesus gelingen kann.
Fastenzeit: Umkehr zu Gott
Aus christlicher Perspektive geht es in der Fastenzeit nicht nur um den reinen Verzicht. „Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider, und kehrt um zum HERRN, eurem Gott“, schreibt etwa der Prophet Joel (Joel 2,13). Nicht der reine Verzicht – etwa auf Alkohol oder Fleisch, Netflix-Serien oder Zigaretten – steht im Mittelpunkt, sondern die Hinwendung zu Gott. Die Fastenzeit will wieder freie Zeit schaffen, in der Menschen ihrem Gott begegnen können. Diese Begegnung kann ganz unterschiedlich aussehen. „Es gibt so viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt“, sagte Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., einmal in einem Interview mit dem Journalisten Peter Seewald. Und das gilt auch für die Begegnung mit Gott – und für die ganze Fastenzeit. Und trotzdem gibt es gerade in der Heiligen Schrift immer wieder Vorbilder, die zeigen, wie einzelne Menschen in Jesus Christus ihrem Gott begegnen konnten.
Begegnung im Alltag
Die Frau, die am Jakobsbrunnen Wasser holt, hatte nicht mit einer besonderen Begegnung gerechnet. Mitten in ihrem Alltag also, bei einer völlig alltäglichen Verrichtung, auf dem Weg zum Wasserholen, findet etwas statt, dass ihr Leben verändern sollte. Sie berichtet schnell allen anderen Einwohnern ihres Dorfes von der Begegnung mit Jesus. Manchmal begegnet man Gott im Alltag. Man muss gar nichts Besonderes tun – es geschieht einfach so. Jesus kann man in Menschen begegnen, die Not leiden – einem Freund, dem es schlecht geht und der ein gutes Wort braucht, einem Bettler auf der Straße, einem Fremden. Es sind manchmal schon kleine Gesten, durch die das Reich Gottes anbricht. Das Gespräch zwischen Jesus und der Frau zeigt zudem, dass sie vor Gott eigentlich gar nichts zu sagen oder zu erklären braucht. Jesus weiß um ihre Situation, er weiß wohl auch um ihre gesellschaftliche Isolation.
Mitten im Leben
Und Jesus bricht diese Isolation auf. Die Frau, mit der niemand zu tun haben möchte, wird zu seiner Gesprächspartnerin. In ihre verfahrene, vertrocknete Situation bringt Jesus neues Leben. Nicht zufällig findet dieses Treffen an einem Brunnen statt, direkt am Wasser, am Puls des Lebens. Gott befindet sich mitten in unserem Leben – und lässt sich genau da finden.
Schreibe einen Kommentar