Am Karfreitag scheint das Christentum aufzuhören: Jesus Christus stirbt am Kreuz. Wieso Christen diesen Tod „feiern“, erklärt Benedikt Bögle.
Wer am Karfreitag einen katholischen Gottesdienst besucht, könnte verwirrt sein: Alles ist anders. Während Katholiken normalerweise wenigstens am Sonntag und den großen Festen Eucharistie feiern, sind Karfreitag und Karsamstag die einzigen beiden Tage im Jahr, an dem sie nicht gefeiert werden darf. Während Gottesdienste meist morgens, am Vormittag oder Abend stattfinden, versammeln sich Christen am Karfreitag um 15 Uhr, der Stunde, zu der Jesus am Kreuz starb. Am Beginn des Gottesdienstes wirft sich der Priester auf den Boden: Ein Zeichen der Hingabe an Jesus.
Der Sohn Gottes stirbt
Während des Gottesdienstes wird der Bericht über die Passion Jesu nach dem Evangelisten Johannes (Johannes 18,1-19,42) verkündet. Es folgen ungewohnt lange Fürbitten. Danach wird ein großes Kreuz, das mit Stoff verhüllt ist, enthüllt: Sichtbar hängt Jesus tot an diesem Kreuz, die Gläubigen verehren es. An diesem Tag ist wirklich alles anders und das hängt mit dem Inhalt seines Festes zusammen. Jesus Christus stirbt am Kreuz. Der Mann, von dem Christen glauben, er sei der Sohn Gottes, muss sterben wie alle anderen Menschen auch. Das tut er unter unfassbaren Qualen.
Qualen am Kreuz
Die Kreuzigung ist eine der grausamsten Hinrichtungsmethoden. Es kann Stunden, sogar Tage dauern, bis das Opfer stirbt. Bei Jesus dauerte es nicht so lange. Das lag vermutlich an der vorausgehenden Auspeitschung, die im alten Rom selbst schon zur Hinrichtung ausarten könnte. Der Gekreuzigte erstickt ganz langsam. Durch die Position am Kreuz kann er sich immer noch hochrichten, doch noch Luft bekommen, bis die Muskulatur nachlässt. Irgendwann darf das Opfer sterben.
Glaube ans Kreuz: Eine Dummheit?
Kann man denn an einen Gott glauben, der so etwas zulässt? Der zuschaut, wie sein eigener Sohn am Kreuz leidet und stirbt? Kann man an einen so schwachen Gott glauben, der aus freien Stücken am Kreuz hängt? Diese Frage ist nicht neu, sondern sorgte schon in den ersten Jahren des Christentums zu Spott und Unverständnis. Der Apostel Paulus schreibt: „Wir dagegen verkünden Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit“ (1. Korintherbrief 1,23-24).
Konsequent Mensch sein
Christen glauben, dass Jesus freiwillig das Kreuz auf seine Schultern nahm, um die Menschen zu erlösen. Es geht nicht darum, einem gierigen Gott ein möglichst blutiges Menschenopfer darzubringen. Es geht im Kern um grenzenlose Liebe: Jesus Christus ist das „Wort Gottes“. Um der Menschen willen wird er Mensch. Diese Menschwerdung geht er konsequent bis zum Ende: Zum Menschsein gehört eben auch das sinnlose Leid, die verachtende Gewalt. Aus diesem Grund können Christen den Tod ihres Meisters auch „feiern“: In der Schwachheit Gottes liegt seine Stärke.
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