Am Gründonnerstag feiert die Kirche das letzte Abendmahl Jesu. Seine Zeichen und Worte sind eine Zusammenfassung des ganzen Wirkens Jesu, meint Benedikt Bögle.

Ein Abendessen. Die Erwartungen an dieses Essen könnten unterschiedlicher wohl nicht sein. Die Jünger sehen vermutlich einem mehr oder weniger normalen Pessachmahl entgegen: An diesem Fest feiern die Juden den großartigen Auszug des Volkes Israel aus Ägypten. Sie feiern, dass ihr Gott an der Seite seines geliebten Volkes steht, ihr Leid sieht und handelt. Ein großartiges Fest. Jesus aber sieht mehr. Denn er weiß, was in den kommenden Stunden auf ihn zukommen wird: Er wird von einem seiner Jünger verraten werden, gefoltert, zum Tod verurteilt und ans Kreuz geschlagen. Dort wird er sterben, und das weiß er ganz genau.
„Mein Leib, mein Blut“
Das Abendessen ist der letzte Augenblick seines Lebens, den er ohne Schmerzen wird erleben können. Das Ende steht bevor. Und Jesus macht sein Testament. Das tut er auf verschiedene Art und Weise. Die drei sogenannten „synoptischen Evangelien“ nach Markus, Matthäus und Lukas schreiben, dass er Brot und Wein in die Hand nimmt – wie das beim jüdischen Mahl, an Pessach zumal, üblich ist – und dann sagt: „Das ist mein Leib, das ist mein Blut.“ In diesem Augenblick entsteht, was die Kirche bis heute in jeder Messfeier vergegenwärtig: Jesus ist in Brot und Wein ganz gegenwärtig.
Jesus übernimmt den Sklavendienst
Der Evangelist Johannes berichtet im Evangelium des Gründonnerstags (Johannes 13,1-15) eine andere Handlung: Jesus übernimmt einen eigentlich für Sklaven vorgesehenen Dienst und wäscht seinen Jüngern die Füße. Damit zeigt er, was sein ganzes Wesen ausmacht: Obwohl er Herr ist, macht er sich zum Diener. Obwohl er der Erste unter Allen ist, macht er sich selbst zum Letzten und Untersten. Die Jünger verstehen dieses Zeichen zumindest für den Augenblick noch nicht. Es ist ja auch kaum zu verstehen, dieses große Paradoxon: Gott und Mensch, Herr und Knecht.
Jesu Testament aber besteht auch aus Worten. Ein Satz brennt sich ein: „Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen.“ Kurz später wird er sagen: „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.“ In diesem einen Satz begegnen sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Liebe angesichts des Verrats
„Wie ich euch geliebt habe“ bezieht sich auf die vergangenen Jahre. Die Jünger waren mit Jesus unterwegs. Sie haben gesehen, was seine Liebe bedeutet. Sie haben gesehen, wie liebevoll er gerade mit den Sündern umgegangen war, wie stark diese Liebe in seinen Wunderzeichen wirken konnte. Und die Gegenwart: Jesus sagt diese Worte an einem Abend, an dem einer seiner Jünger zwar noch mit ihm essen konnte, die Gemeinschaft dann aber verlässt, um Jesus zu verraten. Und die Zukunft: In diesen Worten schwingt schon mit, was Stunden später geschehen wird. Jesus, geschlagen ans Kreuz, verlassen von fast allen seiner Jünger.
Jesus kennt die Realität
Sein eigene Liebe macht Jesus zum Maßstab der Liebe seiner Jünger. Das aber ist nicht erreichbar. Jesus sagt das in dem Moment, in dem sein ganzes liebevolles Wirken zusammentrifft mit der Liebe des Augenblicks und der liebevollen Hingabe des morgigen Tages am Kreuz. Das erschreckt fast: Diese Forderung kann man schlicht nicht erfüllen. Aber vielleicht muss man das auch gar nicht. Jesus sagt dieses Testament den Männern, die alle scheitern, nur Stunden danach. Er weiß das, er weiß, dass ihre Liebe scheitern wird. Und doch liebt er sie – liebt er uns.
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