Donald Trump ist kein Alptraum, der beim Aufwachen am Morgen verschwindet. In den Medien wird er als ein noch nie dagewesenes Phänomen dargestellt, das scheinbar aus dem Nichts kommt. Er sammelt seine Anhänger mit Lügenmärchen und irrealen Versprechen hinter sich. Er preist sich als Alllösung gegen Klimawandel, Kriege und Handelsabkommen und so ist die Empörung über Trump groß – dabei ist es kein Novum, die Ängste der Wähler für politische Zwecke zu schüren.
Trump bedient die Gier der Bevölkerung
Bernhard Pörksen warnt in einem Artikel für die „Zeit“ vom 29. September vor einem Drama in den USA. Dieses sei geeignet, das Rationalitätsprinzip auszuhebeln, von dem der politische Diskurs und damit nichts Geringeres als das Bestehen der Demokratie abhängen. Trump bedient sich einer Art der Politik, die Medienmacht voraussetzt und das Verlangen der Bevölkerung nach Entertainment bedient. Für die Medien selbst ist er kein Schreckgespenst, sondern befriedigt schlicht deren ökonomischen Interessen, da er Auflagensteigerungen und höhere Einschaltquoten bringt. Trumps Aufstieg wäre ohne die neuen Medien undenkbar. Sie verbreiten seine Botschaften überall in rasender Geschwindigkeit und öffnen ihm damit viele Tore. Denn statt kritischer Zwischentöne, wie in Nachrichtenformaten, gelangt beim Publikum die pure Essenz seiner Aussagen an und dies in einer völligen Reizüberflutung aus irren Aussagen und schnellen Bildern, die keine Zeit für kritisches Hinterfragen lassen. Trump ist Entertainment pur und so braucht er keine sinnvollen Inhalte.
Es erinnert an die Gladiatorenkämpfe, bei der die römische Bevölkerung tobte, Abscheu empfand und doch nach mehr verlangte. Amerikas Bevölkerung will seine Gier stillen, will endlich eine Stimme bekommen, sich am Establishment rächen und die Ängste um die eigene Existenz kundtun. Trumps Politik wird Gewalt auf die politische Bühne zurückholen und dem Staat Opfer kosten, denn dann werden demokratische Institutionen zu leeren Hüllen verkommen. Seine inhaltsleeren, teils widersprüchlichen Aussagen sind Wasser auf den Mühlen derer, die als Opfer der sozialen Ungleichheit gelten. Soziale Ungleichheit aber reicht als Erklärungsgrundlage nicht aus, um die Verunsicherung zu erklären, die sich in ihrer Ganzheit über die amerikanische Bevölkerung ausbreitet. Unter ihr ruht ein Klima der Angst und nicht Trump war es, der es schuf – er greift nur darauf zurück.
Es sind die Ängste einer Gesellschaft, die kaum gemeinsame Wurzeln hat und ihren Zusammenhalt entweder über den Mythos des „American dream“ schuf oder im Kampf gegen Feinde, die die Weltmacht Amerika angreifen. Der „American dream“ hat seine Attraktivität verloren, nachdem so viele Menschen sich nicht Obamacare leisten können, nach wie vor mehrere Jobs brauchen oder während der Immobilienkrise ihr Haus verloren. Das beherrschende Gefühl vieler Amerikaner ist der Kampf um das eigene Überleben.
Hilary Clinton kennt diese Realität nicht, sie lebt in einer wohlsituierten Schicht der Gesellschaft und kann die Angst der Abgehängten nicht dämpfen. Ungewollt verkörpert sie Hohn und redet abwertend von der weißen abgehängten Mittelschicht, um Latinos, Schwarze und Einwanderer für sich zu gewinnen. Ihre Rhetorik ist zu eloquent und zu sehr auf rationale Argumente ausgerichtet, um das Herz der Bevölkerung zu erreichen. Wer Angst um seine Existenz hat, der ist der jahrelangen logischen Argumentation müde.
Angst als Schlüssel zur Macht
Das größte Gut im Wertekanon der USA sind Selbstvertrauen und Stolz – dabei kennt die große Nation kein Pardon. Der Schlüssel zur Macht liegt in diesem Selbstverständnis und erklärt die Begeisterung für Trumps „ I will make America great again“. Wie konnte Trump, dieser Neofaschist, der eine Mauer zu Mexiko bauen und Menschen deportieren will, so weit gelangen? In seiner überdrehten Rhetorik geht es nicht um Inhalte, sondern darum, wie er sie verkauft. Doch je lauter, schriller und abstruser ihre Vertreter, desto mehr verkommt Politik zum Konsumprodukt, deren erstes Opfer die Wahrheit ist.
Eine solche Politik verkauft ihre Werte und damit sich selbst, um immer aufmerksamkeitsheischender die Gunst des schreienden Volkes zu gewinnen. In einem gesunden demokratischen Staat würde es den Medien obliegen, Gegendarstellungen zu liefern und den hetzerischen Parolen ihre Kraft zu rauben. Doch die amerikanische Medienlandschaft tut dies nicht, da sie von Patriotismus geprägt ist, der gerade in Kriegszeiten zu Tage tritt und Amerika befindet sich seit 9/11 in einem Krieg gegen den Terror.
Das Klima der Angst nach 9/11
Eine Verbindung zwischen Trump und dem Krieg gegen den Terrorismus scheint auf den ersten Blick weit hergeholt. Um zu verstehen, warum beide dennoch zusammen hängen, muss man einen Schritt zurückgehen in die Ära der Regierung Bush. Nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001 sah diese ihre oberste Aufgabe darin, das amerikanische Volk zu verteidigen. Die Politik dieser Regierung brachte eine NSA hervor, die zum Zweck des nationalen Schutzes Persönlichkeitsrechte der Bürger reduzierte. Sie brachte einen illegitimen Krieg im Irak hervor, der auf falschen Kriegsargumenten basierte. Sie brachte eine Umstrukturierung der politischen Institutionen hervor, in deren FolgePR-Agenturen engagiert wurden, um Kriegsargumente vorzubereiten und über die Medien zu kanalisieren. Sie brachte die Journalisten als vierte Gewalt im Staat soweit, dass diese im Irakkrieg mehrheitlich zu Kriegshelfern der Regierung wurden. Journalisten können sich laut Verfassung auf das Privileg der Pressefreiheit berufen, doch Reporter, die nicht nach der Logik der Kriegspropaganda der Regierung Bush argumentierten wurden teilweise in Beugehaft genommen oder hatten von Vornherein klare Vorgaben durch ihre Verleger.
Nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001 befanden sich die USA im Ausnahmezustand und die Regierung Bush pflanzte den Keim einer Angst vor ständiger Bedrohung in die Bevölkerung ein. Sie legte die Basis der Verunsicherung und des Misstrauens gegenüber dem eigenen Nachbarn. Die Regierung brachte Bürger hervor, die politisch immer passiver wurden, da sie den Medien nicht mehr trauten, nachdem publik wurde, wie diese den falschen Krieg unterstützt hatten. Der politische Diskurs wurde während der Ära Bush ad absurdem geführt und zu einer bloßen Inszenierung, die Fakten ganz nach eigenem Gutdünken verdrehte. Das Skript dieser Inszenierung beruhte auf der Angst der Bürger, die mit Medienkampagnen kontinuierlich geschürt wurde, um Kriege und die Suspendierung von Persönlichkeitsrechten zu legitimieren. Das Gefühl konstanter Bedrohung wurde Normalität und auch als Obama die Kriege im Ausland reduzierte, blieb es im Gedächtnis der Bürger.
Zwar gab es unter Obama keine Kampagnen mehr, die etwa die Bürger anleiteten sich vor ABC-Waffen zu schützen, doch der politische Diskurs herrschte nur noch zum Schein auf der politischen Bühne. Keine Demokratie aber kann ohne aktiven Austausch fortbestehen und so ist Trump kein Phänomen das aus dem Nichts kommt, sondern nur ein Virus, der aus dem Nährboden von Lügen und Theater entstand. Wo der Glaube an die Medien als Informationsquelle verloren geht und die Politik verlernt hat, die Stimme ihrer Bürger zu hören, da bieten neue Medien beste Kanäle, um ungefiltert menschenverachtende Botschaften zu verbreiten.
Eine Gesellschaft wie die USA findet in einem gemeinsamen Feind den besten Kitt: Dieser Feind war unter Bush der Terror des 11. Septembers, unter Trump ist es der Feind des Establishments, das sich gierig am Gemeinwohl satt isst und seine Opfer am Straßenrand liegen lässt. Was also liegt näher als in Muslimen oder Einwanderern endlich einen Sündenbock zu finden? Im Kampf gegen neue Dämonen in der Gesellschaft finden Teile Amerikas eine neue Einheit und neue Kraft. Sie werden wieder handlungsfähig und können „America great again“ machen.
Trump ist damit nichts weiter als die Ausgeburt eines kranken politischen Systems. Bushs Nachfolger Obama versagte als Wundermittel gegen die soziale Ungleichheit und konnte die politische Apathie der einen nicht aufwecken und die Wut der anderen nicht einfrieden. Das Amerika, das vor 15 Jahren seinen nationalen Stolz verlor, verlor auch den Glauben seiner Bürger an die Fähigkeit der Politik, das amerikanische Selbstbewusstsein zurückzubringen. Trump ist die Verkörperung einer suchenden, desillusionierten Nation, die Kriege verlor, deren Wirtschaft am Boden zu liegen scheint und die ihre Zusammenhalt darauf baut, Sündenböcke und Feinde zu bekämpfen. Man kann dem Staat nur wünschen, dass er zu wahrer Größe und Einheit zurückfindet anstatt sich selbst zu bekämpfen. Trump ist kein Phänomen, er ist sehr leicht erklärbar, doch umso schwerer zu lösen, da die Wurzeln weit zurückreichen.
Jonas Claasen
Ich habe den Artikel sehr gerne gelesen. Dieser Artikel ist Ergebnis der tendenziösen Berichterstattung der detuschen Medien über Trump. Super Artikel. Ganz klasse!