Depressionen. Angststörungen. Mal Bulimie. Mal Magersucht. Mal irgendwas mittendrin. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal bekomme und habe mir das bestimmt nicht ausgesucht. Ihr allerdings auch nicht. Und ihr müsst da jetzt mit durch. Das tut mir Leid.

An alle, die immer zu mir gestanden haben: Ich weiß, dass es schwierig ist, mir helfen zu wollen, ohne mich ganz zu verstehen. Ihr habt diese Krankheiten nicht und könnt es deswegen nicht nachvollziehen. Zum Glück. Ich würde nicht wollen, dass ihr das auch durchmachen müsst. Auch wenn ich nichts sage, merke ich eure besorgten Blicke, wenn der Teller wieder fast voll ist, oder den traurigen Ausdruck, wenn ich viel gegessen habe und danach im Bad verschwunden bin. Ich sehe auch, wie ihr meine Augenringe realisiert und wisst, dass ich mal wieder nächtelang nicht geschlafen habe. Dann fühle ich mich grässlich euch gegenüber. Oftmals komme ich mir wie eine Last für euch vor. Als hätte ich euch nicht verdient.
Manchmal gibt es Tage, an denen ich denke, dass ihr ohne mich besser dran wärt. Kein Ballast mehr, keiner, der weinend anruft, keinen, um den ihr euch Sorgen machen müsst. Ganz selten sage ich euch das, meistens aber nicht. Ich weiß, dass ihr mir manchmal sagt, wie wichtig ich euch bin und in gesunden Momenten glaube ich euch. Wenn die Depressionen aber gewinnen, erinnere ich mich nicht mal mehr an diese Aussagen. Bitte sagt mir immer wieder, dass ihr mich lieb habt. Selbst wenn ich euch in dem Moment nicht glauben kann, werde ich mich daran erinnern.
Ich liebe euch alle sehr und ich weiß, dass ihr mich auch liebt. Nur vergesse ich das oftmals. Da sind dunkle Gedanken in meinem Kopf, die mir erklären, dass ich euch nichts bedeute. Manchmal glaube ich euch und manchmal den Depressionen. Ohne mich zu fragen, haben sie sich in meinem Kopf breit gemacht und sitzen da jetzt gemütlich herum. Während ich versuche, meinen Alltag gut zu meistern, mieten sie immer mehr Räume in meinem Kopf und ich kann nichts dagegen tun.
Oft fragt ihr mich, wie es mir geht und ich antworte automatisch mit einem „gut“, obwohl alles in mir „schlecht“ schreit. Ich will euch nicht anlügen, aber noch weniger will ich euch wehtun. Irgendwie schäme ich mich für diese dunklen Gedanken in meinem Kopf und für die Essstörung, die ich eben nicht immer super im Griff habe. Ich schäme mich dafür, dass ich schon müde vom Duschen bin, oder kaum die Kraft habe, aufzustehen. Manchmal habe ich auch Angst vor dem Tag, an dem ich einfach liegen bleiben würde, anstatt weiter zu kämpfen. Dieses Denken und die Antriebslosigkeut machen mir Angst. Oft spiele ich euch vor, dass alles gut ist, nur damit ihr euch nicht noch mehr Gedanken macht.
Manchmal klappt das natürlich nicht. Zum Beispiel reagiere ich panisch wegen Kleinigkeiten, oder ich vergesse die kleinsten Dinge. An anderen Tagen klammere ich, weil ich Angst habe, euch zu verlieren und vor allem tue ich aus Verlustangst Aktionen, die ihr nicht verstehen könnt. Ab und zu ist das einfach ein Teil von mir, aber oft sind es die kranken Zellen in meinem Kopf. Wenn ihr mich dann fragt, warum ich so handle, fühle ich mich noch schlechter, weil ich euch keine Antwort geben kann. Ich kann euch nicht erklären, was in mir vorgeht. Ich verstehe es ja selbst nicht. Bitte seid geduldig mit mir. Bitte gebt mir nicht auch noch das Gefühl, nicht normal zu sein. Ich habe ja manchmal selbst Angst, dass es so sein könnte.
Es tut mir Leid, dass ich euch manchmal so oft schreibe oder anrufe. Oder auch, dass es mir so wichtig ist, regelmäßig von euch zu hören. Nur brauche ich das, um zu wissen, dass zwischen uns alles okay ist und ich mir keine Sorgen machen muss. Ich weiß, die mache ich mir viel zu schnell und ihr könnt mich dann oft nicht verstehen. Ich würde es euch gerne erklären und doch hoffe ich auf der anderen Seite, dass ihr mich nie seht, wenn ich richtig Panik bekomme und deswegen beispielsweise zittere oder stundelang weine. Gerade deswegen schaffe ich es auch oft nicht, falsche Personen gehen zu lassen. Die Verlustangst und die Angst vor der aufkommenden Panik sind zu groß. Es tut mir Leid, wenn ich euch damit vor den Kopf stoße. Bitte geht trotzdem nicht.
Ich weiß, dass ich gute Noten schreibe, meinen Job gut erledige und vieles schaffe. Trotzdem fühle ich mich teilweise wie eine Versagerin. Anstatt mir zu sagen, was ich alles schon geschafft habe, fallen mir eher 1.000 Dinge ein, die ich lieber anders hätte. Nicht, weil ich undankbar bin, sondern weil ich das Gefühl habe, nichts richtig machen zu können.
Vor allem will ich, dass ihr wisst, wie sehr es mir leid tut. Ich wäre gerne anders und würde euch lieber keine Sorgen bereiten. Oftmals traue ich mich gar nicht, euch etwas zu erzählen, weil ich Angst habt, dass ihr mich dafür verurteilt, oder dass ihr sauer auf mich seid. An gesunden Tagen weiß ich, dass ihr selbst dann nicht geht. An Schlechten aber, sehe ich mich schon ganz alleine. Denkt also nicht, dass ich euch anlüge, wenn ich euch etwas nicht erzähle, von dem ich weiß, dass ihr nicht begeistert wärt. Ich habe nur Angst, euch zu verlieren.
Das klingt jetzt alles sehr dramatisch, aber es gibt auch gute Wochen und Monate. Manchmal vergesse ich selbst über lange Zeiträume, dass dieser Mist noch irgendwo in meinem Kopf wohnt, bis er mich wieder einholt. Ich freue mich auf die Zeit, in der die Monate zu Jahren werden. Ich freue mich auch darüber, dass ich endlich auf dem Weg der Besserung bin und mich immer wieder mehr selbst erkenne. Wenn es aber mal wieder schwerer wird, dann erinnert euch bitte an genau die Zeiten. Erinnert euch an Momente, in denen wir uns zusammen fast tot gelacht und uns durch Kochbücher gekocht haben. Momente, in denen einfach alles toll war.
Ich möchte euch für so vieles danken. Danke, dass ihr ihr seid. Danke, dass ihr mich nicht wie eine kranke Person und wie ein rohes Ei behandelt, sondern mir immer noch sagt, wenn ich übertreibe. Manchmal brauche ich das. Danke, dass ihr mich beschützt und auf mich aufpasst, wenn ich es vergesse und danke, dass ihr mich zwingt, Sachen zu unternehmen, wenn ich keine Lust habe. In dem Moment macht ihr mich wahnsinnig, aber ich weiß, dass ihr Recht habt und ich unter Leute muss. Danke, dass ich bei euch nicht perfekt sein muss. Obwohl sich mein Leben oft darum dreht, alles perfekt zu meistern, habe ich zumindest bei euch das Gefühl, auch Schwäche zeigen zu dürfen. Danke, dass ihr immer geblieben seid.
Gerade weiß ich, dass ihr mich liebt. Ihr habt mich sogar geliebt, als ich vergessen habe, mich selbst zu lieben und auch dafür danke ich euch. Ihr habt mich zum Lachen gebracht, als ich vergessen habe, wie man das Wort überhaupt buchstabiert. Und genau deswegen verspreche ich euch etwas: Ich werde weiter kämpfen. Gegen diese nervigen Zellen, die mir erzählen, dass ihr ohne mich besser dran seid und ich viel zu dick bin. Und irgendwann werden wir mit einem großen Stück Kuchen im Grünen sitzen und ich werde wieder so sein wie früher.
Bis dahin, glaubt bitte weiter an mich und seid da. Ihr habt keine Ahnung, wie viel Energie mir das gibt. Denn an manchen Tagen glaube ich nicht, dass ich es schaffe. Aber ihr tut es und das gibt mir Kraft. Immerhin habt ihr meistens Recht. 🙂
Ihr seid die besten Freunde, die man sich wünschen kann.
In tiefer Liebe,
die Person, die wieder gesund werden wird. Irgendjemand muss euch ja weiter in den Wahnsinn treiben.
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