Mit dem Zuckerfest endet der Ramadan, also die Fastenzeit, in der arabischen Welt. Amilia berichtet, wie sie diesen Feiertag zwischen Besuchen bei Familie und Freunden, vielen Geschenken und noch mehr Essen erlebt.
Mein Name ist Amilia, aber hier, wo ich lebe, nennen mich eigentlich alle nur „Noor“. Das ist mein arabischer Name. Schon seit ein paar Tagen bin ich wahnsinnig aufgeregt, alle reden nur noch vom “Eid”. Einen Monat lang haben hier alle Nachbarn und Freunde von meiner Mama und meinem Papa nichts gegessen und getrunken, den ganzen Tag über waren die Straßen wie leergefegt und die Tage waren eher langweilig. Doch jetzt ändert sich scheinbar wieder alles: das Eid, oder auch das „Zuckerfest“ steht an, an dem alle Leute zusammen feiern und es viele Süßigkeiten gibt. Jeder muss neue Kleider tragen und Tiere werden geschlachtet.
Meine Eltern haben zwar einen anderen Glauben als all die anderen Menschen hier im Land, aber trotzdem dürfen wir an dem Fest teilhaben und mitfeiern. Deshalb fährt meine Mama einen Tag vor dem Fest einkaufen und bringt mir ein wunderschönes neues Kleid mit. Außerdem entdecke ich in ihren Einkaufstaschen ganz viele Süßigkeiten und Geschenke für Kinder. Mensch, das scheinen ja großartige Tage zu werden!
Zu Besuch bei Freundin Tasnim
Am Morgen des Eides freue ich mich darauf, mein neues Kleid anzuziehen. Mein kleiner Bruder Julius, dessen arabischer Name “Nabil” ist, trägt ein typisches arabisches Gewand und auch Mama und Papa machen sich schick und packen alle Geschenke in Taschen ein. Heute fahren wir weit weg, zu meiner Freundin Tasnim in eine andere Stadt. Ich habe meine Tasche mit vielen Pixie-Büchern und einer Snackdose gepackt, damit es mir auf der Fahrt nicht langweilig wird. Mein kleiner Bruder schläft die ganze Fahrt und als wir endlich ankommen, wartet meine Freundin Tasnim schon vor dem Haus auf mich. Als wir das Haus betreten, geht meine Mama mit Julius in die eine Tür rein, die zum Wohnzimmer führt.
Mein Papa geht zur anderen Tür herein, in dem sich das Mejles, das Gästezimmer für Männer befindet. Ich bleibe erstmal bei meinem Papa. Im Wohnzimmer, wo meine Mama reingegangen ist, sind immer so viele beschäftigte Frauen, die wild rumrennen, mir in die Backen kneifen und mich fotografieren. Da ist es bei den Männern ruhiger. Die sitzen einfach nur da und trinken Kaffee und ich kann immer wieder eine Dattel stibitzen. Brav gebe ich allen Männern im Gästezimmer die Hand und jeder steckt mir Geld zu. Das macht man scheinbar so an dem Fest hier. Und das wird auch mein Job des Tages: Menschen die Hand geben und dafür Geld entgegennehmen. Der Onkel von meiner Freundin Tasnim schenkt mir sogar eine kleine Umhängetasche, in der ich mein ganzes Geld sammeln kann.
Kein Zuckerfest ohne Essen
Zum Mittagessen gibt es heute Reis und Fleisch. Die Familie meiner Freundin hat ein Schaf geschlachtet und das Fleisch lag für eine Nacht in einer Art Grill unter der Erde. Ich will zwar lieber spielen als essen, aber meine Mama zwingt mich, meinen Teller Reis leer zu essen. Danach gibt es wieder Kaffeetrinken, es werden Bilder gemacht und ich darf mit meiner Freundin Tasnim Kekse essen und wir spielen mit allen Kindern im Haus.
Meine Mama versucht, meinen kleinen Bruder schlafen zu legen, aber das klappt nicht so gut. Immer wieder rennen Kinder ins Schlafzimmer rein. Das darf ich zu Hause nicht, wenn meine Mama Julius schlafen legt. Nachdem ein älteres Mädchen Julius einfach aus seinem Reisebett nimmt und rumträgt, gibt meine Mama es auf, ihm seinen Mittagsschlaf ermöglichen zu wollen. Juhu, kein Mittagsschlaf für Julius und mich!
Dafür schlafen wir beide kurz ein, als wir zum Haus von Tasnims Oma fahren. Aber ich schlafe wirklich nur kurz, verpassen will ich nichts. Denn auch dort bekommen wir wieder arabische Brote und frisch geschlachtetes Fleisch aufgetischt- und natürlich wieder tonnenweise Schokolade und andere Süßigkeiten. So viel Zucker wie heute habe ich, glaube ich, noch nie in meinem Leben gegessen.
Glücklich und müde nach einem schönen Fest
Als letztes gehen wir noch andere Freunde von meinen Eltern besuchen und meinen Freund Mohammad. Der wohnt in einem ganz kleinen Dorf und seine Großeltern haben ein riesiges Haus. Hier ist es scheinbar nicht so, dass jede Familie für sich wohnt, sondern die ganze Großfamilie wohnt gemeinsam in einem Haus. Mein Papa geht mit allen Männern in ein Haus und meine Mama in ein anderes Haus, in dem ganz viele Frauen und Kinder sitzen. Die Frauen malen meiner Mama wunderschöne Muster auf die Hand, “Henna” heißt das, und danach gibt es wieder viel zu essen.
Ich will schon gar keine Süßigkeiten mehr sehen, sondern genieße es jetzt viel mehr, mit meinem Freund Mohammad und seinen ganzen Cousins und Cousinen draußen an der endlich kühleren Luft spielen zu können. Überall wachsen Bananenstauden und Papayabäume. Richtig schön ist es hier. Und so langsam bin ich auch müde. Auf der Heimfahrt sitze ich stolz mit meiner neuen Tasche voll Geld in meinem Kindersitz und freue mich darauf, morgen mein Geld ausgeben zu können.
Kuno Kallnbach
Tolle Idee, ein religiös-kulturelles Ereignis aus der Perspektive eines Kleinkindes zu beschreiben!
Elisabeth K.
Eine sehr interessante Geschichte vom Zuckerfest, das war mir neu. Es hat mir gefallen, sehr nett geschrieben.
Moni W.
Danke, Kathrin, ein super Beitrag mit sehr guten Einblicken in die Kultur!