Christen und Muslime sind weltweit immer wieder Opfer von Verfolgungen und Anfeindungen. In Deutschland hat besonders die Feindseligkeit gegenüber Muslimen seit der Flüchtlingsbewegung zugenommen. Sind unsere Religionen – Christentum und Islam – aber wirklich so verschieden? Wir haben nachgefragt bei Dr. Muhammad Shumali, Direktor des Islamischen Centers in London.
„Manchmal sind die Leute so sehr damit beschäftigt, die Unterschiede zu suchen, dass sie die gemeinsamen Dinge nicht mehr sehen können“, sagt Doktor Muhammad Shumali. Der Iraner ist Direktor des Islamic Centre in London und internationaler Experte für den Dialog zwischen den Kulturen, insbesondere zwischen dem Islam und dem Christentum. Zwei Religionen, die sich immer wieder miteinander streiten. Bestes Beispiel dafür sind die Kreuzzüge. Heute gibt es zwar keine kriegerischen Akte mehr, trotzdem gibt es Konfliktpunkte. Und vor allem viele Vorurteile. Nicht jeder Muslim ist gleich ein Islamist, nicht jeder Christ ein Fanatiker. Doch wie groß sind die Unterschiede zwischen diesen beiden Religionen? Oder sind sie bei näherer Betrachtung doch ähnlicher, als man denkt?
Eine Gemeinsamkeit, die Islam und Christentum haben, ist die eine göttliche Macht, die sie anbeten. Ob Gott oder Allah, das sind nur zwei unterschiedliche Namen für dieselbe Wirklichkeit. Auch die Interpretation von Gott als handelnde Kraft, der den Menschen den Weg weist und den man anbeten kann, ist gleich. Ein wesentlicher Unterschied aber ist, dass das Christentum den einen Gott in der Dreifaltigkeit – Vater, Sohn und Heiliger Geist – verehrt, was mit dem islamischen Verständnis der Einzigkeit Gottes nicht vereinbar ist und Jesus daher hier nur als Prophet gilt. Die Rolle der Frau oder das Thema Religion und Gewalt, wenn von der militärischen Variante des Dschihad gesprochen wird, was zunächst einmal so viel wie „Anstrengung oder „Kampf“ bedeutet.
Die Geschichte von Moses und dem Feuer
Moses und der brennende Dornbusch ist eines der wichtigsten Kapitel in der Bibel und steht im Buch Exodus 2,23 bis 4,18. Nach dieser Erzählung hütet Moses Schafe in der Wüste, da erscheint ihm Gott in einem brennenden Dornbusch. Das findet Moses seltsam, er nähert sich dem Feuer und Gott ruft ihn. Er offenbart sich Moses und sagt: „Ich bin der ‚Ich bin da‘“. Dann trägt er Moses auf, das Volk der Israeliten aus Ägypten zu führen. Kaum zu glauben, aber auch im Islam spielt diese Geschichte eine wichtige Rolle. Nur wenig weicht sie von der biblischen Version ab. Hier ist es kalt und Nacht und Moses war nicht mit seiner Herde, sondern mit seiner Familie unterwegs. Aber dann erblicken auch sie den brennenden Dornbusch. Und Moses sagt: „Wartet, ich habe ein freundliches Feuer gesehen, vielleicht kann ich das Feuer herbringen.“ Als er sich dem Feuer näherte, spricht Gott das erste Mal zu Moses und sagt: „Ich bin Gott.“
Die Geschichte von Moses und dem Feuer ist nur eine von vielen Stellen, die sich in Bibel und Koran gleichen. Auch Jesus wird explizit im Koran erwähnt und trägt dort den Namen Isa. Der Koran erkennt sogar offiziell die biblischen Schriften an, allerdings wird im Islam häufig behauptet, dass Juden und Christen diese Schriften verfälscht hätten. Aus Shumalis Interpretation der muslimischen Version der Mosesgeschichte können wir auch etwas über Offenheit und Dialog lernen: Das Feuer, das Moses sieht, ist nicht direkt vor ihm, sondern abseits vom Weg. Aber Moses war aufmerksam, hat die Gelegenheit bemerkt und genutzt. Jeder Mensch sollte mit diesem 360-Grad-Blick durch die Welt gehen. Manchmal muss man nämlich überhaupt erst die Gelegenheit für einen Dialog erkennen. Das ist nicht immer so einfach.
Brücken bauen
Der erste Schritt für einen Dialog ist also, „offene“ Menschen zu finden, die mit einem reden wollen, über sich und ihre Religion erzählen und neugierig sind, etwas über die andere Religion zu erfahren. Und das alles ohne Vorurteile. Wichtig sei also, die anderen Menschen so zu treffen, wie sie sind, sagt Shumali.
Eine tolle Gelegenheit, um mit anderen ins Gespräch zu kommen, sei vor allem beim Essen, spricht er aus Erfahrung. So hat man schon einmal eine gemütliche Atmosphäre zum Reden geschaffen und man kann mit der anderen Person von Angesicht zu Angesicht und nicht etwa über irgendein digitales Medium kommunizieren. „Es gibt keine Zukunft für religiöse Menschen, wenn sie nicht zusammenarbeiten“, sagt Shumali und macht damit deutlich, wie wichtig ein Dialog, eine Kollaboration zwischen den Religionen ist. Schon eine kleine Konversation mit jemandem, der nahe bei dir ist, ist ein Dialog und kann helfen, sich besser zu verstehen. „Wir müssen eine vereinte Sprache der Brüderlichkeit sprechen“, beschwört Shumali. Wenn man ohne Vorurteile zuhört und in einer sanften Art miteinander spricht, wenn es im Interesse liegt, Gutes zu jedem zu bringen, dann ist es ein echter Dialog.
Wie wir gesehen haben, gibt es zwischen Islam und Christentum viele Themen, über die man reden muss. Ja, bei einigen wissen wir auch, dass es schwierig sein wird, einen gemeinsamen Standpunkt zu finden. Doch ist es nicht wichtiger, bei den Punkten anzusetzen, wo man einen Konsens erzielen kann? Von Bedeutung ist vor allem, dass man sich zu Gesprächen trifft und sich näher kennenlernt, sich annähert. Damit möchte ich nicht sagen, dass wir in Verhandlungen mit Terrororganisationen IS treten können oder gar sollten. Aber es gibt so ungleich viel mehr Muslime, die den Dschihad nicht als Krieg gegen Ungläubige verstehen, sondern als spirituellen Kampf gegen die eigene Sünde. Deswegen ist es auch unsinnig, eine Islamfeindlichkeit zu schüren, so wie etwa PEGIDA- oder AfD-Anhänger es häufig tun. Wenn wir den Muslimen zeigen, dass sie in Deutschland weiter willkommen sind, trotz der Angst vor Anschlägen, dann ist das ein weiterer Schritt für ein friedliches Zusammenleben zwischen Muslimen und Christen.
Robert Husztig
Hallo. Wo ist die Stelle mit Moses und dem Dornbusch im Koran. Sure ist nicht angegeben.
Danke, Robert