Aktuell herrscht hochgradige Spannung zwischen zwei weltweit führenden Atommächten. China und Indien rüsten aufgrund eines Grenzstreites ihre Armeen hoch, mehr als 6.000 Soldaten stehen sich derzeit gegenüber. Was passiert da im Fernen Osten?
Alles begann im Juni diesen Jahres mit einem kleinen Eklat zwischen dem Himalaya-Staat Bhutan und der Volksrepublik China – so stellen es zumindest nationale Medien dar. Manche erinnern sich vielleicht daran, dass in Bhutan die angeblich glücklichste Bevölkerung der Welt lebt und einige Reisende werden sich zweifellos an die Schönheit des Landes erinnern. Im Hinblick auf die politische Landschaft in Asien ist es jedoch, pardon für diese Formulierung, ein Niemand. Weder besitzt es nennenswerte Ressourcen noch wird es von anderen Großmächten hochgerüstet. Nur Bhutans Lage zwischen den Giganten Indien und China macht es derzeit so interessant.
Die Volksrepublik China tritt seit einigen Jahren deutlich offensiver auf der Weltbühne auf. Uns allen dürfte langsam klar werden, dass sich da die World´s Next Superpower ankündigt. Die erste Militärbasis in Ostafrika hier, die Aufschüttung von Inseln im südchinesischen Meer dort und neuerdings der Bau einer – sehr großen – Straße in einem umstrittenen Grenzgebiet bei Bhutan und Indien mit dem Namen Doklam. Die Tatsache, dass sich das Bauprojekt schnurgerade auf bhutanische Militärbasen zubewegt, wie auch eine steigende chinesische Militärpräsenz, dürften dem Außenministerium in Thimphu (Hauptstadt Bhutans) Schweißperlen auf die Stirn getrieben haben bei dem Gedanken, laut Einspruch gegen Peking erheben zu müssen. Dort hat die politische Führung – wie erwartet – Bhutans Bedenken einfach überhört.
Vom Eklat zum Konflikt
Fast zur gleichen Zeit trat Indien als politisches Gegengewicht auf den Plan. Die neue chinesische Straße bedroht nämlich nicht nur die Interessen Bhutans. Indien wird damit wirtschaftlich und in seinem Machteinfluss endgültig vom Nordosten Asiens abgeschnitten. Mit China hatte es zudem auch bisher Streitereien ausgetragen. Nur ungern erinnert man sich an die militärische Konfrontation der 1960er, die tausenden Soldaten auf beiden Seiten das Leben gekostet hatte.
Dennoch schickte das indische Militär bewaffnete Patrouillen in das umstrittene Gebiet. China beantwortet Gleiches mit Gleichem und so schaukelt die Zahl der Zwischenfälle die Gesamtsituation weiter hoch. Auf beiden Seiten stehen bis Ende Juni 2017 rund 3.000 Soldaten Gewehr bei Fuß. Im selben Monat kam es dann zu einem Eklat: Indische Soldaten sollen auf chinesische Konstruktionsarbeiter an der unfertigen Straße geschossen haben. Die Medien überschlagen sich, die indische Regierung spielt es herunter und natürlich tobt die chinesische Botschaft.
Ein Lichtblick kam mit der vorsichtigen Ankündigung indischer Medien eines geplanten Gespräches zwischen Präsident Pranab Mukherjee und dem chinesischen Regierungschef Xi Jinping beim G20 Gipfel in Hamburg. Das kam allerdings nie zustande. Wie indische Medien berichten, habe Peking jeden Gesprächsversuch verweigert. Chinesische Staatsmedien halten sich darüber bedeckt.
Mahnung und Drohung
Kurz danach trafen sich in Neu Delhi indische Minister mit Vertretern der Opposition, um über einen außenpolitischen Konsens gegenüber China zu reden. Etwa zeitgleich melden indische Nachrichtendienste der DIA ein verstärktes Truppenaufgebot in der tibetischen Hochebene, die zu China gehört. Hunderte Tonnen Militärfahrzeuge sollen bereits in den vergangenen Wochen in die Berge verlagert worden sein.
In der Zwischenzeit äußert Peking seine Forderung, Indien solle seine Streitkräfte von der Grenze abziehen. Als aus Neu Delhi wiederum keine Reaktion folgt, lässt China am 16. Juli 2017 Truppenübungen in gut 5.000 Metern Höhe nahe der indischen Grenze abhalten. Panzer, Artillerie und hunderte Soldaten sollen daran beteiligt gewesen sein. Eine klare Warnung an Indien, wie China selber zugibt.
Mit tausenden kampfbereiten Soldaten an der Grenze ist Indien jetzt – nachvollziehbarerweise – noch weniger geneigt der Forderung Chinas nachzukommen, seine Truppen abzuziehen. In dieser Woche schaltete sich deswegen das US-Außenministerium in diesen Konflikt ein und mahnte zur Besonnenheit. Ob die USA beide Seiten an den Verhandlungstisch bringen kann, wird sich in den kommenden Wochen herausstellen.
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