In der traditionellen Medizin spielt es eine wichtige Rolle – in der modernen Gesellschaft wird es zunehmend wiederentdeckt: Das Heilfasten. Dem völligen Verzicht von fester Nahrung für einen bestimmten Zeitraum wird eine entgiftende und entschlackende Wirkung nachgesagt, bei zahlreichen Krankheitsbildern soll es hilfreich sein. Unter Ärzten wird dies kontrovers diskutiert. Unser Autor Lukas Schröder hat den Selbsttest gemacht.

Heilfasten? Nein, danke! Für mich ist das nichts. Eine Woche ohne feste Nahrung? Nichtmal ein Brötchen zum Frühstück oder ein paar Kartoffeln zum Mittag? Unvorstellbar! Obwohl ich immer wieder Menschen begegnete, die von ihren positiven Heilfasten-Erfahrungen erzählten, habe ich nie wirklich ernster über den Selbstversuch nachgedacht. Doch dann kam die Fastenzeit 2015: Ein besonderer Nahrungsverzicht, mir aus religiösen Gründen eigentlich sehr wichtig, kam aufgrund verschiedener Terminkonstellationen kaum in Betracht. Jetzt also: Ich und Heilfasten? Der kulinarische Ostwestfale, in der Küche bekennender Genießer, der gerne mal eine Portion zu viel isst und zum Nachschlag selten nein sagt? Der traditionell mit seiner Waage auf Kriegsfuß steht? Ich und Heilfasten?
Die Vorbereitung
Inzwischen konnte ich mir also doch eine Heilfastenwoche in der Fastenzeit immer besser vorstellen. Anfangs zeigten eine Reihe von Freunden Interesse mitzumachen. Je näher die Woche jedoch kam, desto mehr sprangen wieder ab. Eine Woche nur Wasser, Saft und Tee – diese Vorstellung war wirklich ziemlich abstrus. Am Ende blieb mit Falk nur noch ein Freund über, der sich mit mir intensiv auf die Woche vorbereitete. Unterstützung bekamen wir dabei von Schwester Thoma, einer Ordensschwester, welche bereits zahlreiche Kurserfahrungen mit Heilfasten hatte und für die Woche unsere Nahrungsexpertin wurde.
Das Setting war klar abgesteckt: In den Tagen vor dem Heilfasten langsam die Nahrungsaufnahme reduzieren, das Mittagessen am Sonntag sollte die letzte ordentliche Mahlzeit sein. Anschließend Glaubersalz – unangenehm, aber ertragbar. Wer sich schon einmal einer Darmspiegelung unterziehen musste, kennt dieses Procedere. Und dann war es soweit: Heilfasten. Wasser, Tee, milder Saft und mittags ein warmer Gemüsesaft. Maximal ein Löffel Honig am Tag. Das wars. Kaum mehr als 500 Kalorien. Und schon waren wir am heilfasten.
Die ersten Tage – Hunger?
Am Montag plagten mich Kopfschmerzen und Schwindel. Sofort war zu spüren, dass sich der Körper einer wesentlichen Veränderung unterzog. Es galt reichlich zu trinken, mindestens drei Liter pro Tag. Zum einen wird so der Körper gut durchspült und Giftstoffe ausgeschwemmt, zum anderen war dies für die Funktion des Körpers unbedingt erforderlich. Die notwendige Vitamin- und Zuckerzufuhr erfolgte über den ACE-Saft und den warmen Gemüsesaft am Mittag.
Wie stand es aber um den Bauch? Hatte er nicht schon Hunger? Erstaunliche Antwort: Nein. Nachdem der Darm vollständig entleert war, begann für meinen Bauch und mich die schönste Woche in unserem Leben. Wir wurden beste Freunde. Er stellte keine Forderungen, verlangte keine Aufmerksamkeit, war einfach still und zufrieden. Bis zum Ende der Woche veränderte sich dieser Zustand nicht. Hunger? Fehlanzeige.
Wäre da aber nicht noch der Kopf. Er rebellierte. Schwere Geschütze fuhr er auf, randalierte den ganzen Tag. „Lukas, du musst essen!“ – brüllte er unablässig. Wimmernd stand ich am ersten Tag im Supermarkt vor der Käsetheke. Konsequent musste ich jedem Essen aus dem Weg gehen. Und dabei war es überall: Im TV-Krimi am Abend aßen die Kommissare, in der Bahnhofsvorhalle lächelten mich die köstlichen Brötchen aus den Bäckereiauslagen an, großflächig plakatierte ein Eis-Hersteller im gesamten Stadtgebiet. Die Versuchungen waren brutal und allgegenwärtig. Dass ich die nötige Disziplin aufbringen konnte, wunderte mich selbst am meisten. So schaffte ich etwas völlig neues in meinem Leben kennenzulernen: Den Unterschied zwischen Hunger und Appetit.
Essen? Nein danke!
Und dann geschah das Unfassbare: Falk und mir ging es blendend gut, der Körper fühlte sich ausgezeichnet an – ganz leicht und geschmeidig. Täglich beim Mittagessen tauschten wir unsere Erfahrungen aus, was das Heilfasten zusätzlich bereicherte. Er als Diabetiker, der zuvor entsprechende Beratung bei seinem Facharzt eingeholt hatte, erzielte beste Zuckerwerte und konnte sein zufriedenes Dauerlächeln gar nicht mehr unterdrücken. Ich als Hobbysportler schaffte Leistungen, die ich bei normaler Ernährung in der Regel nicht erreichte. Uns war klar, dass sich unser Körper inzwischen in einem völlig anderen Modus befand, dem sogenannten Hungerstoffwechsel. Immer mal wieder traten zwar leichte Kopfschmerzen auf, diese konnten durch entsprechende Flüssigkeitszufuhr jedoch schnell beendet werden. Lediglich unter der Kälte hatte ich etwas zu leiden, sodass ich nach Ewigkeiten mal wieder die Heizung in meinem Zimmer anstellen musste.
Inzwischen hatte der Kopf auch seinen Protest zurückgefahren, der Appetit ging merklich zurück und wir konnten selbst den leckersten Speisen wieder in die Augen blicken. Wirklichen Hunger verspürten wir nie. Ein Selbsttest ergab in unserem Blut einen erhöhten Keton-Wert. Keton ist ein Stoffwechselprodukt, welches beim Abbau von Fett anfällt. Der Körper ging also erfolgreich an die hartnäckigen Reserveren. Nun wurde ich neugierig: Sollte das Heilfasten am Ende sogar noch eine positive Auswirkung auf die Waage haben?
Samstag: Das Ende naht
Am Samstagmorgen galt es dann mit fünf eingeweichten Backpflaumen den Körper wieder an feste Nahrung zu gewöhnen. Fast 140 Stunden waren inzwischen seit der letzten ordentlichen Mahlzeit vergangen. Und damit tat ich etwas, was ich so nicht erwartet hatte: Mein Bauch kündigte mir umgehend unsere junge Freundschaft auf. Er war beleidigt, war sauer, fragte anklagend, warum ich ihn mit dieser anstrengenden Nahrung belaste. Mehrere Stunden tobte ein Krieg in meiner Magengegend, der mich zeitweise auf das Bett und unter eine Wärmflasche zwang. Aus einem Magen, der Tag für Tag problemlos mit fester Nahrung zurechtkam, war innerhalb einer Woche ein Magen geworden, der am liebsten mit warmen Gemüsesäften weitergemacht hätte und mit fünf Backpflaumen schon überfordert ist. In kleinen vorsichtigen Schritten musste es also jetzt wieder in den üblichen Modus gehen.
Zum Mittag aßen wir eine Handvoll Pellkartoffeln mit einem leichten Kräuterquark. Welch tollen Geschmack haben doch ein paar einfache Kartoffeln! Und wie toll ist das Gefühl, etwas in seinem Mund zerkauen zu dürfen! Dieses karge Mahl war für Falk und mich das reinste Festmahl.
Ich und Heilfasten? Unbedingt wieder!
Eine spannende Woche Heilfasten liegt hinter mir. Zahlreiche Erfahrungen konnte ich sammeln, meinen Körper auf ganz neue Art kennenlernen und ihn bewusst und intensiv wahrnehmen. Fünf Kilo habe ich dabei verloren – schaden tut mir das nicht. Für Falk und mich steht fest: Wir werden es wieder tun. Konkret haben wir uns bereits für den Advent verabredet. Aber auch andere Heilfasten-Modelle möchten wir ausprobieren, zum Beispiel das regelmäßige 5+2-Modell, in dem fünf Tage in der Woche normal gegessen und zwei Tage gefastet wird. Denn schließlich gehört zu einem erfolgreichen Heilfasten der Blick in eine gesündere Zukunft dazu.
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