Für ihre German Angst sind die Deutschen weltbekannt. Auf einem Feld scheinen sie aber besonders furchtgeleitet: der Geldanlage. Um Aktien macht der durchschnittliche deutsche Anleger selbst in der Niedrigzinsphase einen weiten Bogen. Ein Plädoyer für mehr Aktienkultur: Warum Angst nach altem Sprichwort immer ein schlechter Ratgeber ist, besonders aber beim Thema Aktien.
Wer die Ausbildung oder das Studium beendet hat, will natürlich auch arbeiten, um Geld zu verdienen. Spätestens dann stellt sich die Frage: Wie lege ich mein Erspartes am besten an, um mir später einmal meinen Traum vom eigenen Haus oder einer Weltreise verwirklichen zu können? Wer nicht mehr auf die dauerhaft niedrigen Zinsen setzen will, sollte Mut fassen und sich den Aktien zuwenden.
Aktien? Zu gefährlich!?
Die Börsennachrichten berichten allabendlich vom Kurvenkurs des DAX, dem Index der 30 größten deutschen Unternehmen. An dem einen Tag gehen die Kurse runter, am anderen steigen sie schon wieder. Das Auf und Ab an der Börse lässt den Eindruck entstehen, Aktien seien grundsätzlich gefährlich: Ist die Aktienanlage reines Glücksspiel? Ja, es stimmt: Die Geldanlage in Aktien kann auch schiefgehen. Das Schwankungsrisiko kann nicht geleugnet werden. War man beispielsweise gestern noch drei Prozent im Plus, so sind die eigenen Aktien heute schon wieder um zwei Prozent im Minus gelandet. Diese im Finanzjargon so genannte Volatilität, die Schwankungen auf dem Finanzmarkt, waren im Jahr 2015 besonders hoch. Das Auf und Ab in der Griechenlandkrise, der Börsencrash in China, der VW-Abgas-Skandal, der rapide Ölpreisverfall und viele weitere Ereignisse trieben den DAX auf Achterbahnfahrt. Aber: Am Ende des Jahres steht er immerhin um circa acht Prozent gegenüber dem Stand vom Jahresbeginn im Plus. Und außerdem: Die Dividende, der Gewinn, den ein Unternehmen alljährlich an seine Aktionäre ausschüttet, war bei den DAX-Mitgliedern in diesem Jahr so hoch wie noch nie.
Die deutschen Aktienmuffel
Trotzdem: Die Aktienscheu der Deutschen wurde in diesem Jahr erneut durch eine Studie des Deutschen Aktieninstituts aufgezeigt: Nur etwa 8,4 Millionen Deutsche besitzen Aktien oder Aktienfonds. Nur etwa sieben Prozent des Vermögens der Anleger steckt im Sachwert Aktie. Laut der Studie ist die Zahl der Aktienanleger im Jahr zuvor sogar um fast eine halbe Million gesunken. „Tief sitzende Vorurteile und Fehlurteile in Bezug auf Aktien oder Aktienfonds“ seien die Hauptursache für die Wirksamkeit der German Angst. Ist sie begründet? Nein. Zumindest dann nicht, wenn man bei der Geldanlage in Aktien zwei inzwischen nahezu allgemein anerkannte Grundprinzipien beachtet.
Geldanlage mit Geduld und Umsicht
„Kaufen Sie Aktien, nehmen Sie Schlaftabletten und schauen Sie die Papiere nicht mehr an. Nach vielen Jahren werden Sie sehen: Sie sind reich.“ So lautet das Rezept des amerikanischen Finanzexperten André Kostolany. Was er sagen will: Wer sein Geld in möglichst gewissenhaft und sorgfältig ausgesuchten Aktien anlegt und diese über viele Jahre hält, kann sich die langfristig positive Entwicklung der Wirtschaft an den Finanzmärkten zunutze machen. Das ist die sogenannte Buy-and-hold-Strategie: Man baut auf den Langfristigkeitscharakter der Aktie und hält sie auch über Finanzkrisen und Börsencrashs hinweg, sodass man nach einigen Jahren oder Jahrzehnten auf jeden Fall im Plus ist und Rendite durch regelmäßige Dividendenausschüttungen und Kursgewinne einstreichen kann.
Ebenso wichtig ist das Grundprinzip der Diversifikation, also die möglichst breite Streuung des angelegten Geldes. Die Aktie allein macht – in der Regel – nicht glücklich, also sollte die Streuung verschiedene Anlageklassen (die wichtigsten sind Renten, Immobilien, Rohstoffe und eben Aktien) sowie innerhalb der Anlageklasse der Aktien mehrere verschiedene Branchen und Unternehmen abdecken. Der Sinn und Zweck: Läuft eine Aktie mal weniger gut, können etwaige Verluste so durch einen gut laufenden Titel wieder ausgeglichen werden. Auch die Investition in Aktienfonds ist in dem Zusammenhang sinnvoll, da das Geld hierbei direkt über ganz viele unterschiedliche Titel gestreut wird und einem die Auswahl so ein Stück weit abgenommen wird. Am besten eignen sich hierbei sogenannte Exchange Traded Funds (ETF), da man hier keine unnötig hohen Gebühren für Fondsmanager wie bei aktiv verwalteten Fonds zahlen muss, die ohnehin meist nicht besser sind als der Markt bzw. der dem Fonds zugrunde liegende Aktienindex.
Auch ethische Verantwortung gehört dazu
Der verantwortungsbewusste Aktionär schaut aber nicht nur auf die Rendite, sondern wählt die Unternehmen, in die er investiert, auch nach sozialen und ökologischen Kriterien aus. Je nach persönlicher ethischer Überzeugung sollte mit dem Geld, das man dem Unternehmen durch den Aktienerwerb zur Verfügung stellt, schließlich keine moralisch fragwürdigen Produkte, wie beispielsweise Waffen oder Tabakerzeugnisse, und ebenso wenig unwürdige Produktionsbedingungen, wie etwa soziale Ausbeutung oder Kinderarbeit, finanziert werden. Wer diese Kriterien mitberücksichtigt und damit sein Gewissen bei der Geldanlage wach hält, muss dabei noch nicht einmal zwangsläufig auf Rendite verzichten, die natürlich ebenso – und manchmal sogar mehr noch – von fair und verantwortungsvoll produzierenden Unternehmen erwirtschaftet werden kann.
Aktienkultur ohne Scheu aber mit Verstand und Gewissen
Auch der junge Berufseinsteiger sollte die Chance der Geldanlage in Aktien nutzen. Sparbuch und Tagesgeldkonto sind definitiv von gestern, weil die Niedrigzinsphase wohl auch übermorgen noch lange nicht vorbei sein wird. Wer sich seiner persönlichen Risikobereitschaft bewusst ist sowie geduldig, umsichtig und verantwortungsvoll beim Aktienerwerb vorgeht, minimiert das Risiko und nutzt die Renditechancen. Das Risiko kann bei der Geldanlage am Finanzmarkt natürlich nie ganz ausgeschaltet werden. Verstand und Gewissen sollten daher scharf gestellt werden. Und wer den Mut zur Aktie aufbringt, wird vielleicht merken, dass die Aktienanlage und die Beschäftigung mit den Unternehmen, den Börsenkursen oder auch der Besuch der Hauptversammlung, auf die man als Aktionär eingeladen wird, sogar Freude machen kann. Der Umgang mit Aktien kann kultiviert werden. In Zeiten der Zinsflaute braucht Deutschland, brauchen junge Anleger, eine erneuerte und gepflegte Aktienkultur mehr denn je.
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