Globale Bildungsgleichheit ist eines der zentralen Ziele der Sustainable Development Goals, die 2015 von den Vereinten Nationen festgelegt wurden und bis zum Jahr 2030 erreicht werden sollen. Bis dorthin ist es jedoch ein weiter Weg, denn der Zugang zu Bildung wird in vielen Gesellschaften noch erheblich vom jeweiligen sozioökonomischen Hintergrund bestimmt.
Seit des PISA-Schocks zu Beginn der 2000er Jahre wurde Bildung in Deutschland zwar kontinuierlich erneuert und verbessert. Sie zeigt allerdings im Bereich der Chancengleichheit große Lücken. Schon der Bereich der frühkindlichen Bildung, welcher elementar für die Weiterentwicklung ist, weist große Defizite auf. Kinderbetreuung wird zwar zunehmend teilweise durch Betreuungsgelder oder die teilweise Befreiung von Gebühren gefördert, doch ist eine ausreichende frühkindliche Förderung immer noch stark von den finanziellen Mitteln abhängig. Gerade Kindergärten sind längst nicht mehr reine Betreuungsorte, sondern entwickeln sich immer mehr zu Lernstätten. Während früher das Spielen im Vordergrund stand, dreht sich der Alltag heute schon mehr um Bildung. Wer nun mehr Geld zur Verfügung stehen hat, ist natürlich dazu in der Lage, sein Kind in eine Kita mit einem besseren Angebot zu schicken.
Diese Ungleichheiten werden im Laufe des weiterführenden Bildungswegs insbesondere durch die Nutzung von Nachhilfeangeboten ergänzt. Nachhilfeunterricht wird zwar vom Amt gefördert, allerdings nur dann, wenn die Versetzung in die darauf folgende Jahrgangsstufe gefährdet ist. Individuen, die nun beispielsweise die Note 3 in Mathematik, deren Eltern aber Geld für Nachhilfe haben, werden nichts an der Situation ändern können. Das kann langfristig Folgen mit sich bringen.
Numerus Clausus, BAföG und Co.
Die Auswirkungen auf den weiteren Bildungsweg lassen sich besonders im Bereich des Studiums erkennen, denn viele Studiengänge wie Psychologie und Medizin haben einen strengen Numerus Clausus. Individuen aus sozial schwachen Milieus, die beispielsweise nicht die Möglichkeit hatten, Nachhilfeunterricht zu nehmen, werden nun nicht das studieren können, was sie möchten, auch wenn sie die kognitiven Fähigkeiten und die notwendige Leidenschaft dafür haben. Selbstverständlich besteht die Möglichkeit, sich in das Studium einzuklagen, allerdings hängt dies auch wieder von den finanziellen Mitteln ab. Studieninteressierte könnten alternativ den Weg ins Ausland suchen, da zum Beispiel in den Niederlanden Studiengänge ohne NC angeboten werden. Dies ist allerdings auch wieder mit teils hohen Kosten verbunden. Selbst wenn es mit dem Studiengang in Deutschland funktioniert hat, stehen Individuen vor vielen anderen Herausforderungen, denn auch hier müssen Leben und Studium finanziert werden. Dies scheint durch BAföG und Stipendien relativ einfach, jedoch ist BAföG auch mit zusätzlicher Nebentätigkeit oftmals nicht ausreichend. Ein Stipendium zu bekommen ist auch eher die Ausnahme als die Regel.
Die Herausforderungen im indischen Bildungssystem
Die Situation in Schwellenländern wie Indien hingegen ist noch schwerwiegender. So verfügt das indische Bildungssystem zwar über zahlreiche international renommierte Eliteinstitutionen vor allem im Ingenieurs-, Wirtschafts- und Medizinbereich und zeigt Erfolge im Bereich der neuen Informationstechnologien, sieht sich aber dennoch vor großen Herausforderungen im Bereich der Chancengleichheit.
Schwächen zeigen sich wie in Deutschland schon im Bereich der frühkindlichen Bildung, die vor allem struktureller Natur sind. Frühkindliche Bildung ist nicht so stark institutionalisiert wie in Deutschland und wird überwiegend durch private Institutionen angeboten. Diese privaten Institutionen fordern hohe Gebühren, die für einen großen Teil der Bevölkerung nicht finanzierbar sind; eine Herausforderung, die sich durch den gesamten Bildungsweg durchsetzt. Zwar wurde 2009 ein Gesetz erlassen, das den kostenlosen Besuch der auf acht Jahre angelegten Elementary Education ermöglicht, doch gibt es starke qualitative Unterschiede in den verschiedenen Schulformen. Im allgemeinbildenden Bereich gibt es staatliche, semi-staatliche sowie private Schulen, die überwiegend von der städtischen Mittel- und Oberschicht besucht werden. Zunehmend werden sie allerdings auch von weniger privilegierten Bevölkerungsschichten nachgefragt, die dafür finanzielle Belastungen auf sich nehmen, weil staatliche Schulen oft Qualitätsmängel haben. So gibt es an einigen staatlichen Schulen nur wenig Lehrkräfte, keine adäquaten Räume, kein Trinkwasser oder gar sanitäre Einrichtungen. Auch curricular gibt es gewisse Unterschiede, die Individuen dazu zwingen, die Lernziele durch häusliche oder private Nachhilfe zu erreichen. Da private Nachhilfe ebenfalls mit hohen Kosten verbunden ist, ist die finanzielle Hürde jedoch hoch.
Ein erster Schritt in Richtung Chancengleichheit
Um an einer höheren Bildungseinrichtung aufgenommen werden zu können, muss der All India Entrance Test absolviert werden, was meistens nach dem Abschluss der 12. Klasse geschieht. Die Gebühren für diesen Test liegen zwischen umgerechnet 12 und 30 Euro. Allerdings benötigt man für eine angemessene Vorbereitung auch Bücher etc., was ebenfalls teuer ist. Auch die Universitäten nehmen hohe Gebühren. So bezahlt man für ein Jurastudium an der National Law University in Delhi jährlich umgerechnet 1,060 Euro. Hinzu kommen die Gebühren für Bibliothek, Unterkunft, und so weiter. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf bei gerade einmal 1,503,27 Euro liegt.
Es gibt aber auch Institutionen für marginalisierte Gruppen der Gesellschaft. Dazu gehört zum Beispiel Shanti Bhavan, ein Internat, das Kinder aus der untersten Kaste aufnimmt und sie vom ersten Schultag bis zum ersten Arbeitstag ohne Gegenleistung der Erziehungsberechtigten unterstützt. Das ist ein erster Schritt in Richtung Chancengleichheit. Ebenso gibt es Stipendien, wie beispielsweise das Central Sector Scholarship of Top Class Education for SC Students, das vom Ministry of Social Justice and Empowerment ausgerichtet wird. Es vergibt jährlich 1.250 Stipendien. Bevorzugt werden dabei Familien mit dem niedrigsten Einkommen, wodurch auch ökonomisch benachteiligte Individuen eine Chance erhalten.
Der Bildungsweg sollte nicht vom Geldbeutel abhängen
Es zeigt sich: Eine Ungleichheit im Zugang zu Bildung wird sowohl in Deutschland als auch und besonders in Indien kontinuierlich reproduziert, da eine fundierte Bildung nur mit ausreichend finanziellen Mitteln erreichbar ist. Somit bleibt Bildungsungleichheit eines der zentralen Probleme in der globalen Gesellschaft, die nicht nur auf internationaler Ebene, sondern überwiegend auch auf staatlicher Ebene in Angriff genommen werden muss. Schließlich sollte der Bildungsweg nicht von der Größe des Geldbeutels, sondern von den individuellen Leistungen und Fähigkeiten abhängen.
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