Schon immer faszinierte mich das Leben der Menschen in Afrika. Und ich hatte den Traum, einmal ein Teil von ihnen zu sein, mehr zu sein als nur ein Tourist. So machte ich mich im Oktober des vergangenen Jahres mit einer Organisation auf den Weg ins 11.500 km entfernte Sansibar, um dort in einem Waisenhaus Freiwilligenarbeit zu leisten.
Vier Wochen voller Zufriedenheit
Es war nicht das Leben, was mich beeindruckt hat. Und auch nicht die Kultur. Es waren die Menschlichkeit und das Glück. Zu erkennen an den kleinen Dingen. Ein nettes Wort, ein Gruß, eine Geste der Hilfsbereitschaft. Schon die Kleinsten schätzen diese Zuneigung und Nächstenliebe und geben sie weiter wie kein anderer. Jeder gibt, was er geben kann und nimmt nur so viel, wie er braucht, vielleicht sogar etwas weniger. Glücklichere Kinder als diese habe ich noch nie gesehen und erlebt. Mit offenen Armen wurden wir Mzungus („Weiße“) empfangen und in die Welt der Sansibarer aufgenommen, um für immer ein kleiner Teil von ihnen zu bleiben. Denn wer einmal in den Bann dieser Zufriedenheit gezogen wurde, kann und will diesen nicht mehr verlassen.
Freiwilligenarbeit in einem anderen Leben
Vor meinem Aufenthalt habe ich Bilder gesehen. Bilder von meinem Arbeitsplatz, von dem Ort in dem ich leben würde, von den Menschen. Ich wusste nicht was auf mich zukommt, aber ich hatte eine Vorstellung. Doch das Gefühl vermitteln, das ich empfand, als ich auf Sansibar ankam und am Flughafen schon alles so ganz anders war als in Deutschland, konnten die Bilder nicht.
Die Fahrt nach Chukwani ließ mir die Tränen in die Augen schießen. Frauen trugen ihre Kinder in bunten Tüchern auf dem Arm, Männer fuhren in Kuhkarren durch die vermüllten Gassen und Kinder spielten in verdreckter, kaputter Kleidung mit Autoreifen und Kanistern auf der Straße. Babys schrien mit den kleinen Buschbabyaffen um die Wette, während Mütter und Töchter in Häusern ohne Dächer und Fenster das Essen zubereiteten. Das Essen, das jeden Tag gleich schmeckt. Das Essen, über das sich die Menschen dennoch jeden Tag wieder freuen.
Mich überkam ein Gefühlschaos. Ich empfand Wut und Trauer zugleich. Wut, weil ich nicht verstehen konnte, dass es Menschen gibt, die so leben müssen. Trauer, weil mir der Anblick der Kinder das Herz zerriss.
Eine Welt aus glücklichen Kinderaugen
Doch an meinem ersten Arbeitstag in Bububu im Waisenhaus wurde mir zum ersten Mal klar, was ich vor allem sah und fühlte: Kinder, die dich zwischen stinkenden Müllbergen mit löchrigen, viel zu großen T-Shirts und laufenden Nasen mit einem so ehrlichen Lächeln begrüßen, dass du verstehst, was im Leben wirklich wichtig ist. Ich habe in meiner Zeit im Waisenhaus Kinder kennengelernt, die in einem der Länder mit der geringsten Lebenserwartung der Erde aufwachsen. Die in einer Welt groß werden, die ihnen kaum eine Zukunft bietet. Deren Geschichten unterschiedlicher nicht hätten sein können. Doch eines hatten sie alle gemeinsam: Sie waren glücklich.
Glücklich über etwas zu Essen und ein Dach über dem Kopf. Glücklich über ihr Leben. Ich habe viel Zeit mit diesen kleinen Menschen verbracht, ihnen Aufmerksamkeit und Liebe geschenkt. Ich habe ihnen beigebracht, wie man aus Flaschen Autos bastelt, aus Pringles-Dosen Schnurtelefone oder wie viel Spaß es machen kann, mit den Händen eine Wand zu bemalen. Doch nicht was ich ihnen, sondern viel mehr was sie mir beigebracht haben, ist bedeutsam.
Sie haben mein Leben verändert und mir gezeigt, dass wir die Welt aus diesen Kinderaugen sehen sollten. Denn wann haben wir verlernt mit dem zufrieden zu sein, was wir haben?
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